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48. Urteil vom 7. Juli 1971 i.S. J. Stampfli AG gegen Einwohnergemeinde Subingen und Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. | |
Regeste |
Gebühr für Anschluss an eine neue Kanalisation. Liegt in der Anwendung des im Hinblick auf die neue Kanalisation aufgestellten Tarifs auf bereits vor seinem Erlass angeschlossene Liegenschaften eine (unzulässige) Rückwirkung? (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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Am 15. Dezember 1966 erliess die Gemeinde Subingen ein neues Kanalisationsreglement, das vom Regierungsrat des Kantons Solothurn am 19. Mai 1967 genehmigt wurde und in § 22 bestimmt, dass die Eigentümer der an die Kanalisation angeschlossenen Liegenschaften einen Beitrag zu leisten haben, der aufgrund der Gebäudeversicherung "im Moment des Anschlusses" berechnet wird.
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Gestützt auf diese Bestimmung forderte die Gemeinde Subingen am 12. Dezember 1969 von der Firma J. Stampfli AG eine Kanalisationsanschlussgebühr von Fr. 16'339.20 (= 2% der Gesamt-Gebäudeversicherung von Fr. 816'960.--).
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Die Firma J. Stampfli AG reichte hiegegen bei der Schätzungskommission des Kantons Solothurn eine Beschwerde ein, mit der sie Herabsetzung der Gebühr auf Fr. 2'575.50 verlangte. Zur Begründung machte sie vor allem geltend, dass in der Anwendung des Kanalisationsreglements von 1967 auf den im Jahre 1965 erfolgten Anschluss ihres Grundstücks an die Kanalisation eine unzulässige Rückwirkung liege und die Gebühr richtigerweise aufgrund des zur Zeit des Anschlusses geltenden Reglements vom 3. Juni 1954 zu berechnen sei.
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Die Schätzungskommission schützte die Beschwerde durch Urteil vom 17. Februar 1970. Sie erblickte in der Anwendung des Kanalisationsreglements von 1967 auf die Beschwerdeführerin deshalb eine nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts unzulässige Rückwirkung, weil diese in zeitlicher Beziehung übermässig sei und weil keine triftigen Gründe für die Rückwirkung beständen.
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Gegen dieses Urteil erhob die Einwohnergemeinde Subingen Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. Dieses hiess die Beschwerde am 4. Dezember 1970 gut und setzte die Kanalisationsanschlussgebühr entsprechend der Rechnung der Gemeinde auf Fr. 16'339.20 fest. Es nahm an, dass das neue Kanalisationsreglement aufgrund der in § 28 ![]() | 6 |
B.- Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts hat die Firma J. Stampfli AG staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, es sei wegen Verletzung des Art. 4 BV aufzuheben. Sie macht in erster Linie geltend, § 28 Abs. 2 des Kanalisationsreglements von 1967 sehe eine unzulässige Rückwirkung vor. Eventuell beanstandet sie, dass das Verwaltungsgericht in Missachtung des klaren Wortlauts des § 22 des Reglements auf die Gesamtversicherung im Jahre 1969 (Fr. 816'960.--) statt auf diejenige zur Zeit des Anschlusses (Fr. 765'900.--) abgestellt habe.
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C.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und die Einwohnergemeine Subingen beantragen Abweisung der Beschwerde.
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"Alle zur Zeit des Inkrafttretens dieses Reglementes noch nicht erledigten Gesuche, sowie Liegenschaftsbesitzer, welche seit dem 1. Januar 1963 an die von der Gemeinde neu erstellte Tiefenkanalisation angeschlossen haben, sind nach den neuen Vorschriften zu behandeln."
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Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, das Verwaltungsgericht habe diese Bestimmung unrichtig ausgelegt oder angewendet. Vielmehr rügt sie, dass die Bestimmung selber verfassungswidrig sei, indem sie eine mit Art. 4 BV unvereinbare Rückwirkung eines Abgabeerlasses vorsehe. Diese Rüge ist zulässig. Jene Bestimmung könnte zwar, da die Frist zur Anfechtung des KR abgelaufen ist (Art. 89 OG), vom Bundesgericht nicht mehr aufgehoben werden. Dagegen kann die Beschwerdeführerin ihre Verfassungswidrigkeit noch im Anschluss an die gestützt darauf ergangene Anwendungsverfügung geltend machen (BGE 94 I 4 E. 2 und 371 E. 3, BGE 97 I 29 E. 2). Doch ist sie hiezu nur legitimiert, soweit die Bestimmung auf sie angewendet worden ist (vgl. BGE 90 I 79 E. 1 und 91 E. 1). Das Bundesgericht hat daher nicht zu prüfen, ob sich aus der Anwendung des § 28 KR in anderen Fällen eine verfassungswidrige Rückwirkung ergeben könnte, sondern einzig, ob die Bestimmung, auf einen Fall wie den vorliegenden angewendet, gegen Art. 4 BV verstösst.
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a) Von einer rückwirkenden Abgabeerhebung ist dann zu sprechen, wenn sie an ein in der Vergangenheit liegendes, vor ![]() | 13 |
b) Die Beschwerdeführerin macht zu Unrecht geltend, die Gebühr für ihren Anschluss hätte richtigerweise im Jahre 1965 und nach dem damals geltenden KR vom 3. Juni 1954 festgelegt werden sollen. Sie übersieht, dass sich dieses KR nicht auf die neue Tiefenkanalisation bezog, die erst später völlig getrennt vom alten Netz erstellt wurde und deren Kosten offenbar erheblich höher waren als diejenigen des alten Netzes. Sie hat nach dem Anschluss im Herbst 1965 auch keineswegs verlangt, dass die Anschlussgebühr sofort und nach dem KR von 1954 festgesetzt werde, obwohl ihr damals aus der Baubewilligung vom 19. Januar 1965 bekannt war, dass die Gemeinde beabsichtigte, die Anschlussgebühr nach einem neuen, erst zu schaffenden KR zu berechnen.
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c) Ein Gemeinwesen, das die Abwasserbeseitigung verbessert durch Ausbau der Kanalisationsanlagen, Erstellung einer Kläranlage usw., muss die Möglichkeit haben, die Anschlussgebühren neu festzulegen und auch die Eigentümer von ![]() | 15 |
d) Soweit sich die Beschwerde gegen die Anwendung des KR von 1966 auf die Beschwerdeführerin richtet, ist sie daher schon deshalb abzuweisen, weil in dieser Anwendung überhaupt keine Rückwirkung liegt. Sie wäre übrigens auch dann unbegründet, wenn man mit dem Verwaltungsgericht und den Parteien eine rückwirkende Anwendung annehmen wollte, denn die Ausführungen, mit denen das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid die Zulässigkeit der Rückwirkung begründet, erscheinen als zutreffend und halten jedenfalls dem Vorwurfe der Willkür stand.
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Das Verwaltungsgericht hat nicht übersehen, dass die Beschwerdeführerin vor der Schätzungskommission geltend ![]() | 18 |
Dem in der Beschwerde angerufenen § 53 des solothurnischen Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG vom 5. März 1961) ist zwar nicht zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht das Recht von Amtes wegen anzuwenden hat. Dagegen bestimmt § 54 Satz 2 GOG, dass die zur Abklärung des Sachverhalts erforderlichen Tatsachen von Amtes wegen zu erheben sind, was wohl auch für die erste Instanz, die Schätzungskommission, gelten muss.
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Das Verwaltungsgericht hat sich nicht damit begnügt, das Urteil der Schätzungskommission aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, sondern es hat das neue Urteil selbst gefällt. Dann war es aber verpflichtet, die vor der Schätzungskommission erhobenen Rügen und Einwendungen auch dann zu prüfen, wenn sie vor ihm selber nicht mehr wiederholt wurden. Nachdem die J. Stampfli AG vor der Schätzungskommission obgesiegt hatte, hatte sie keinen Anlass und war nicht gehalten, alle vor dieser erhobenen Rügen zu wiederholen; sie durfte sich darauf beschränken, zu ihrer Verteidigung das vorzubringen, was für die Aufrechterhaltung des angefochtenen Urteils sprach. Dagegen musste das Verwaltungsgericht, wenn es anstelle der Vorinstanz ein neues Urteil fällen wollte, sich mit den vor dieser erhobenen und noch nicht beurteilten Einwendungen der Beschwerdeführerin auseinandersetzen. Der Einwand des Verwaltungsgerichts, die hier in Frage stehende Rüge sei ungenügend substanziert gewesen, ist unhaltbar. Die Beschwerdeführerin hat in der Eingabe an die Schätzungskommission ausdrücklich geltend gemacht, die Gemeinde habe bei der Berechnung der Gebühr entgegen dem Wortlaut von § 22 KR nicht auf die Gesamtversicherung "im Moment des Anschlusses", sondern auf diejenige des Jahres 1969 (Fr. 816'900.--) abgestellt. Im Hinblick hierauf war, auch wenn die Beschwerdeführerin den Betrag der früheren Gesamtversicherung (Fr. 765'900.--) nicht angegeben hatte, die Rüge der Verletzung des § 22 KR zu prüfen und nach § 54 Satz 2 GOG ![]() | 20 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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