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92. Auszug aus dem Urteil vom 22. September 1971 i.S. Schumacher und Mitbeteiligte gegen Gemeinde Hofstetten-Flüh und Regierungsrat des Kantons Solothurn. | |
Regeste |
Eigentumsgarantie, Landschaftsschutz; Anhörung der betroffenen Gemeinden nach solothurnischem Recht. |
2. Voraussetzungen des Schutzes von stadtnahen Erholungs- und Ausflugsgebieten, insbesondere von Anhöhen und Hängen, die für das Landschaftsbild charakteristisch sind; Interessenabwägung (Erw. 5). |
3. Schutzbereich der Eigentumsgarantie; ob Landschaftsschutzmassnahmen mit der Eigentumsgarantie vereinbar sind, hängt nicht davon ab, ob die kantonalen Behörden allfällige finanzielle Auswirkungen derartiger Eigentumsbeschränkungen gebührend berücksichtigt haben (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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Der Gemeinderat von Hofstetten ersuchte in der Folge den Regierungsrat, die im Genehmigungsentscheid vom 9. Mai 1969 verlangte Beschränkung der Bauzone am Landskronhang in Wiedererwägung zu ziehen. Elf Landeigentümer des betroffenen Gebiets gelangten sodann mit Schreiben vom 26. Juni 1970 an den Vorsteher des kantonalen Erziehungsdepartements mit dem Begehren, das ganze Gebiet "Tannwald-Landskron-Reben" aus der Juraschutzzone zu entlassen und für die Überbauung ![]() | 2 |
B.- Fünf in der Gemeinde Hofstetten-Flüh stimmberechtigte Bürger, die im betroffenen Gebiet Grundeigentum besitzen, führen staatsrechtliche Beschwerde. Sie stellen folgenden Antrag:
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"Es sei der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Solothurn vom 9. Oktober 1970 insoweit aufzuheben, als der Regierungsrat das von ihm im Bebauungsplan der Gemeinde Hofstetten-Flüh als "Landskronhang" bezeichnete Teilgebiet gemäss vom Regierungsrat neu festgesetzter Baulinie aus dem Baugebiet der Gemeinde aussondert."
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Die Beschwerdeführer machen im wesentlichen geltend, der Regierungsrat habe dadurch, dass er die Zonengrenze ohne Zustimmung der Gemeindeversammlung verschoben habe, das Stimmrecht der Bürger verletzt (Art. 85 lit. a OG) und deren Anspruch auf rechtliches Gehör bei der Ausgestaltung des Bauzonenplans missachtet und damit gegen Art. 4 BV verstossen. Sie bringen ausserdem vor, die Anordnung des Regierungsrats sei sachlich nicht haltbar und verstosse gegen die Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV).
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C.- Das Erziehungsdepartement des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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D.- Eine Delegation des Bundesgerichts hat am 15. April 1971 einen Augenschein durchgeführt. Für dessen Ergebnis wird auf die rechtlichen Erwägungen verwiesen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Gemäss § 1 des solothurnischen Gesetzes über des Bauwesen (BG) sind die Einwohnergemeinden befugt, Baureglemente und Bebauungspläne aufzustellen. Diese Erlasse und ![]() | 9 |
Im vorliegenden Fall setzte der Regierungsrat die Grenzen der Schutzzone am Landskronhang im Zusammenhang mit der Genehmigung des ihm unterbreiteten kommunalen Bebauungsplans fest und schränkte dadurch die von der Gemeinde beschlossene Bauzone ein. Damit blieb er nach dem Gesagten im Rahmen seiner eigenen Zuständigkeit auf dem Gebiete des Landschaftsschutzes. Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführer liegt demnach insoweit keine Verletzung der politischen Rechte der Gemeindebürger vor.
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b) Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 NHV ist die Stellungnahme der Gemeinden einzuholen, wenn der Regierungsrat gestützt auf einen Antrag der Natur- und Heimatschutzkommission Massnahmen zu ergreifen gedenkt. - Im vorliegenden Fall bildete die Frage der Abgrenzung zwischen Juraschutzzone und Bauzone den Gegenstand von Verhandlungen zwischen den zuständigen kantonalen Behörden und dem Gemeinderat von Hofstetten- ![]() | 11 |
Ob die Gemeinden auch dann anzuhören sind, wenn anlässlich der Genehmigung eines kommunalen Bebauungsplans über eine Beschränkung der bestehenden Juraschutzzone zu befinden ist und im Grunde genommen keine neue Schutzmassnahme zur Diskussion steht, braucht nicht entschieden zu werden, denn der Regierungsrat hat dem in § 3 NHV verankerten Mitspracherecht der Gemeinde Hofstetten-Flüh in jedem Fall hinreichend Rechnung getragen. Wohl ist in der erwähnten Bestimmung von einer "Stellungnahme der Gemeinde" die Rede. Das bedeutet jedoch nicht, dass den regierungsrätlichen Entscheidungen auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes regelmässig eine Abstimmung in der Gemeindeversammlung vorauszugehen hat. Wie der Regierungsrat mit Recht feststellt, ist dem gesetzlichen Mitspracherecht der Gemeinde vielmehr vollauf Genüge getan, wenn der Gemeinderat als Vertreter der Gemeinde zur Stellungnahme aufgefordert wird. Diese Auffassung entspricht der allgemeinen Übung und ist mit dem Wortlaut der genannten Bestimmung durchaus vereinbar; sie steht überdies im Einklang mit entsprechenden bundesrechtlichen Vorschriften: Aus der Pflicht des Bundes, die Kantone vor dem Erlass bestimmter Vorschriften anzuhören (vgl. z.B. Art. 27 quater Abs. 4 und Art. 32 Abs. 2 BV), kann kein Recht des kantonalen Parlaments oder gar der Stimmberecchtigten auf eine Stellungnahme abgeleitet werden (HANS HUBER, Die Anhörung der Kantone und der Verbände im Gesetzgebungsverfahren, ZBJV 95/1959 S. 271/2; J. F. AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, no 598; MAX FLÜCKIGER, Die Anhörung der Kantone und der Verbände im Gesetzgebungsverfahren, Diss. Bern 1968, S. 118 ff.). Eine Verletzung der politischen Stimmberechtigung der Beschwerdeführer liegt somit nicht vor.
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5. Die Beschwerdeführer machen geltend, der angefochtene Entscheid sei sachlich unhaltbar und daher willkürlich. Damit rügen die Beschwerdeführer sinngemäss eine unrichtige Abwägung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Landskronhangs gegenüber dem privaten Interesse der betroffenen Grundeigentümer an der Verwendung ihres Bodens als ![]() | 13 |
a) Wie das Bundesgericht in neuerer Zeit wiederholt entschieden hat, liegt nicht nur der Schutz von besonderen landschaftlichen Anziehungspunkten im öffentlichen Interesse; die zunehmende Überbauung und Verstädterung des Landes schafft vielmehr auch ein wachsendes Bedürfnis nach Erhaltung natürlicher Landschaften, denen zwar kein bedeutender Schönheitswert zuzukommen braucht, die aber wegen ihrer Ursprünglichkeit und Unberührtheit als Erholungsgebiet für die Einwohner benachbarter Städte und Industrieorte als schützenswert erscheinen (BGE 93 I 263, BGE 94 I 57 ff.; vgl. auch BGE 96 I 241 Erw. 4). Die Jurahöhen, welche sich im Einzugsgebiet der Stadt Basel und ihrer Vororte befinden, sind beliebte Ausflugs- und Wanderziele. Dies gilt in besonderem Masse auch für die Gegend von Flüh-Mariastein, die auf der Strasse und mit der Bahn von Basel aus leicht erreichbar ist und durch die Ruine Landskron und den bekannten Wallfahrtsort Mariastein zusätzliche Anziehungskraft erhält. Gerade in einem derartigen stadtnahen Ausflugsgebiet, wo wegen der Nachbarschaft eines wirtschaftlichen Mittelpunkts die Gefahr einer die Landschaft verunstaltenden intensiven Überbauung besonders gross ist, besteht grundsätzlich ein erhebliches öffentliches Interesse an einem wirksamen Schutz des Landschaftsbildes.
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b) Der Hang unterhalb der Ruine Landskron, die sich auf französischem Gebiet befindet, gehört grösstenteils zur Gemeinde Hofstetten-Flüh; nur der oberste Teil des Höhenzuges wird durch die Landesgrenze abgetrennt. Der obere Teil des auf schweizerischem Hoheitsgebiet liegenden Hangs steht seit 1942 unter den besonderen Bestimmungen über den Juraschutz. Nach dem umstrittenen kommunalen Bebauungsplan sollte das Hanggebiet jedoch bis zur Landesgrenze der Bauzone (2. Etappe) zugewiesen werden. Der Regierungsrat erklärte sich zwar im Verlaufe des Genehmigungsverfahrens bereit, die Juraschutzzone zu verkleinern, doch beschloss er gleichzeitig, der Landesgrenze entlang und am Rande des unbewaldeten Hanggebiets eine unregelmässig verlaufende, den Gelände- und Wegverhältnissen angepasste Zone im Interesse des Landschaftsschutzes ![]() | 15 |
Dem öffentlichen Interesse am Schutz des Landskronhangs stehen die privaten Interessen der betroffenen Grundeigentümer gegenüber, welche ihre Parzellen als Bauland verwenden möchten.
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Soweit die Ausführungen über die Entschädigungspflicht als finanzpolitisches Argument gegen die Zweckmässigkeit solcher (allenfalls entschädigungspflichtiger) Landschaftsschutzmassnahmen zu verstehen sind, ist darauf ebenfalls nicht einzutreten. Die Aufgabe des Verfassungsgerichts beschränkt sich darauf, den Bürger vor ungerechtfertigten Beschränkungen seines Eigentums zu schützen und ihm, sofern die Voraussetzungen gegeben sind, zu einer angemessenen Entschädigung zu verhelfen. Dagegen hat es nicht darüber zu befinden, ob auf eine sachlich begründete Schutzmassnahme aus finanziellen Gründen verzichtet werden sollte. Die verfassungsgerichtliche Überprüfung einer Landschaftsschutzmassnahme hängt mithin nicht davon ab, ob die kantonalen Behörden allfällige finanzielle Auswirkungen derartiger Eigentumsbeschränkungen gebührend berücksichtigt haben. Auch der Einwand, der Kanton Solothurn verfüge nicht über genügend Mittel, um alle vergleichbaren Landschaften in analoger Weise zu schützen, ist für den ![]() | 19 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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