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96. Auszug aus dem Urteil vom 17. November 1971 i.S. Schlatter gegen Gemeinde Meilen und Regierungsrat des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Gemeindeabstimmung. Grundsatz der Einheit der Materie. |
Wie ist über eine Gesamtvorlage abzustimmen, wenn für einen Teil die Urnenabstimmung vorgeschrieben und für die übrigen Teile die Gemeindeversammlung zuständig ist (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Am 18. März 1970 erhoben verschiedene Stimmberechtigte beim Bezirksrat Meilen Rekurs mit dem Begehren, das Alusuisse-Geschäft den Stimmberechtigten auf dem Weg einer Urnenabstimmung zu unterbreiten, eventuell das Urnenverfahren nur für das in Ziffer 6 genannte Geschäft (Landverkauf) vorzusehen. Der Bezirksrat trat auf den Rekurs nicht ein, nahm die Eingabe aber als Aufsichtsbeschwerde entgegen und wies den Gemeinderat Meilen mit Beschluss vom 20. März 1970 an, das Geschäft Nr. 6 (Landverkauf) der Abstimmung durch die Urne (obligatorisches Referendum) zu unterstellen; im übrigen gab er der Aufsichtsbeschwerde keine Folge.
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In der Gemeindeversammlung vom 25. März 1970 wurde zunächst beschlossen, die in den einzelnen Ziffern des Antrages des Gemeinderats genannten Geschäfte einzeln zu beraten. Hierauf nahm die Gemeindeversammlung den vorgeschlagenen Zonenplan (Antrag Ziffer 1) unverändert und die Spezialbauordnung für das Eichholzgebiet (Antrag Ziffer 2) mit gewissen Ergänzungen an. In der Folge wurde Abbruch der Diskussion beschlossen, worauf die Stimmberechtigten die noch verbleibenden Traktanden des Alusuisse-Geschäfts (Ziffern 3-9) mit Ausnahme von Ziffer 6 (Landverkauf), sowie die zwischen dem ![]() | 3 |
B.- Gegen die Beschlüsse der Gemeindeversammlung reichten Dr. E. Schlatter und andere Stimmbürger beim Bezirksrat Meilen Rekurse ein. Der Bezirksrat hiess zwei Protokollberichtigungsrekurse gut, während er die übrigen Rekurse, soweit darauf eingetreten werden konnte, als unbegründet abwies.
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Hiegegen rekurrierte Dr. Schlatter an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Er bezeichnete es als gesetzwidrig, dass die Gemeindeversammlung nach Beratung der ersten zwei Teilgeschäfte Schluss der Diskussion und Vornahme einer Gesamtabstimmung beschlossen hatte: Da es sich bei der Alusuisse-Sache um eine Mehrheit von Geschäften handle, über welche einzeln hätte abgestimmt werden müssen, sei es unzulässig gewesen, die erforderlichen Einzelabstimmungen durch eine Gesamtabstimmung zu ersetzen. Dadurch sei der Grundsatz der Einheit der Materie verletzt worden, was eine krasse Verletzung des Stimmrechts bedeute. Die Gemeindeversammlung habe nach Aufhebung der Beschlüsse vom 25. März 1970 die Teilgeschäfte Nrn. 3-9 des Alusuisse-Traktandums neu zu beraten, das Teilgeschäft Nr. 6 unter Vorbehalt der Schlussabstimmung durch die Urne.
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C.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich hiess den Rekurs am 4. März 1971 zusammen mit andern Rekursen im Sinne der Erwägungen gut, hob die von der Gemeindeversammlung Meilen am 25. März 1970 hinsichtlich des Alusuisse-Geschäfts gefassten Beschlüsse auf und wies den Gemeinderat an, die Vorlage über die Sitzverlegung der Alusuisse als Ganzes der direkten Urnenabstimmung (obligatorisches Referendum) zu unterstellen.
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D.- Gegen den Entscheid des Regierungsrats hat Dr. E. Schlatter gestützt auf 85 lit. a OG staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, den Entscheid in dem Sinne aufzuheben, dass über die Anträge des Gemeinderats Meilen auf Genehmigung der mit der Alusuisse abgeschlossenen Vereinbarung vom 6. Februar 1970 und Genehmigung der Sachgeschäfte 1-9 laut Weisung des Gemeinderats, soweit dies nicht schon rechtsgültig geschehen, einzeln und je in dem durch das ![]() | 7 |
Aus den Erwägungen: | |
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Die entscheidende Frage ist demnach in Fällen wie dem vorliegenden die, ob es sich um eine Vorlage handelt, deren Elemente die nämliche Materie betreffen. Lehre und Rechtsprechung ![]() | 9 |
Es ist klar, dass der zwischen der Gemeinde Meilen und der Alusuisse abgeschlossenen Vereinbarung der Charakter eines Grundgeschäfts zukommt, in welchem die Teilgeschäfte Nrn. 1-9 bereits enthalten und einzeln aufgeführt sind. Nach den Erwägungen des angefochtenen Entscheids besteht zwischen den einzelnen Teilgeschäften und dem Grundgeschäft, aber auch zwischen den einzelnen Teilgeschäften unter sich eine notwendige innere Verbindung, indem jedes Teilgeschäft das andere bedingt. Kein einziges Teilgeschäft wäre den Stimmberechtigten vorgelegt worden, wenn es sich nicht darum gehandelt hätte, die Grundlage für die Ansiedlung der Alusuisse im Eichholz zu schaffen. Die einzelnen Teilgeschäfte waren demnach die notwendige Folge aus dem Grundgeschäft (Vereinbarung mit der Alusuisse), sie waren alle auf den nämlichen Zweck bezogen, und dieser schuf zwischen ihnen eine derart enge Beziehung, dass jedes Teilgeschäft das andere bedingte. Der Beschwerdeführer anerkennt das im Grunde selber, wenn er ausführt: "Es ist unbestritten, dass die Anträge in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, ein sachliches Ganzes bilden, und dass kein Teil ohne die andern vorgeschlagen worden wäre. Es bestand und besteht auch Einigkeit darüber, dass das Geschäft als Ganzes nur zustandekommt, wenn allen Teilen zugestimmt wird." Damit untergräbt er selber seine These, dass der Regierungsrat den Grundsatz der Einheit der Materie verletzt habe.
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5. a) Wird das Alusuisse-Geschäft als eine Gesamtvorlage betrachtet, so muss, wie der Regierungsrat ausführte, darüber entschieden werden, ob das Geschäft der Gemeindeversammlung oder der Urnenabstimmung zu unterbreiten ist. Der Regierungsrat führte aus, in derartigen Fällen lasse sich das Verfahren nicht in genereller Weise festlegen. Es sei vielmehr in erster Linie nach inhaltlichen Gesichtspunkten zu bestimmen, indem festgestellt werde, welcher Teil der Vorlage für die Erreichung des Zwecks der massgebende sei. Als dieser Teil müsse im vorliegenden Fall das Teilgeschäft Nr. 6 (Verkauf von Gemeindeland) gelten, weshalb das für dieses Teilgeschäft vorgeschriebene Verfahren der Urnenabstimmung auf die ganze Vorlage anzuwenden sei. Der Regierungsrat hätte sich diese auf die Dissertation von STREIFF (Die Gemeindeorganisation mit Urnenabstimmung im Kanton Zürich, Diss. ZH 1959 S. 175) gestützte Erwägung ersparen können, da nach der gesetzlichen Ordnung von vorneherein nur die Urnenabstimmung in Frage kommt. Wenn eine Gemeindeordnung wie jene von Meilen gestützt auf § 116 des zürcherischen Gemeindegesetzes vom 6. Juni 1926 (GG) vorschreibt, dass Anträge über Kreditbegehren für einmalige Ausgaben oder entsprechende Einnahmenausfälle im Betrag von mehr als Fr. 500 000.-- "an Stelle der Gemeindeversammlung durch die Urnenabstimmung" (§ 116 GG) erledigt werden müssen, so kann nicht zweifelhaft sein, dass über eine Vorlage, die wie diejenige über das Alusuisse-Geschäft unbestrittenermassen auch einen solchen Antrag enthält, an der Urne und nicht in der Gemeindeversammlung abzustimmen ist. Das entspricht offenbar nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Sinn der geltenden Vorschriften. Die Abstimmung an der Urne ist nach der gesetzlichen Ordnung die qualifiziertere Form der demokratischen Willensbildung als die Abstimmung in der Gemeindeversammlung, was sich vor allem darin zeigt, dass nach § 116 Abs. 1 GG in politischen Gemeinden (und Schulgemeinden), die mehr als 2000 Einwohner zählen, wozu die politische Gemeinde Meilen gehört, die Gemeindeordnung ![]() | 13 |
b) Der Regierungsrat nimmt an, eine Gesamtvorlage könne als Ganzes entweder der Gemeindeversammlung oder der Urnenabstimmung unterstellt werden, wenn sie Teilgeschäfte enthalte, die, falls über sie einzeln abzustimmen wäre, teils an der Urne, teils in der Gemeindeversammlung genehmigt werden müssten. Auch wenn das kantonale Recht diese Alternative offen liesse, wäre der angefochtene Entscheid nicht zu beanstanden. Nach der Ansicht des Regierungsrats gibt beim Entscheid der Frage "Gemeindeversammlung oder Urne" den Ausschlag, welcher Teil der Vorlage für die Erreichung des Zwecks grundlegende Bedeutung hat. Welches Teilgeschäft in einem konkreten Fall in diesem Sinne als das massgebende zu betrachten ist, hängt von der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ab, die das Bundesgericht nur auf Willkür hin überprüfen kann. Der Regierungsrat nahm an, das Teilgeschäft von grundlegender Bedeutung sei der Verkauf des Gemeindelandes an die Alusuisse (Nr. 6), und diese Ansicht ist keineswegs unhaltbar, denn für die Sitzverlegung der Alusuisse ist in erster Linie von Bedeutung, dass ihr das Land zur Verfügung steht, um darauf die geplanten Gebäude für die Zentralverwaltung zu errichten. Selbst wenn der Landverkauf nicht das grundlegende, ![]() | 14 |
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