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104. Auszug aus dem Urteil vom 15. Dezember 1971 i.S. Walker gegen Zug, Kanton und Regierungsrat. | |
Regeste |
Nationalstrassenbau; Beseitigung von Gebäuden; Verhältnis zwischen Landumlegungs- und Enteignungsverfahren. |
Ist die Durchführung eines Enteignungsverfahrens erforderlich, so ist im Schätzungsverfahren (Art. 57 ff. EntG) zu entscheiden, ob ein Gebäude abgebrochen oder verschoben werden muss (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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B.- Die Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft (SVIL), welche mit dem Landerwerb beauftragt ist, bot Walker am 20. Mai 1969 eine Entschädigung von insgesamt Fr. 177 000.-- für das erwähnte Wohnhaus an. Mit Schreiben vom 11. November 1970 erhöhte sie das Angebot unter Berücksichtigung der Teuerung auf Fr. 197 000.--. Gleichzeitig machte sie Walker darauf aufmerksam, dass das Gebäude bis spätestens im Mai 1972 beseitigt sein müsse und dass das Schätzungsverfahren eingeleitet werde, falls bis Ende 1970 keine Stellungnahme zum erwähnten Angebot eingehe. Mit Schreiben ![]() | 2 |
Angesichts des Verhaltens Walkers erwog die SVIL im Verlaufe des Sommers 1971, das Wohnhaus verschieben zu lassen. Mit Schreiben vom 6. September 1971 teilte die kantonale Baudirektion dem Grundeigentümer Walker mit, das Angebot von Fr. 220 000.-- werde noch während 10 Tagen aufrecht erhalten; nach Ablauf dieser Frist werde dem Regierungsrat die Einleitung des Enteignungsverfahrens und gleichzeitig die Verschiebung des Objekts beantragt, denn diese Lösung sei für den Kanton vorteilhafter. Der Anwalt Walkers lehnte hierauf die erwähnte Offerte am 13. September 1971 neuerdings ab; gleichzeitig machte er geltend, die Verschiebung des Wohnhauses könne Walker nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werden.
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C.- Ohne ein Enteignungsverfahren einzuleiten, beschloss der Regierungsrat des Kantons Zug am 20. September 1971 die Verschiebung des Wohnhauses. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, ein Grundeigentümer habe im Rahmen einer Landumlegung bloss Anspruch auf wertmässigen Realersatz und - soweit ein solcher nicht möglich sei - auf vollen Ersatz des sich aus dem Nationalstrassenbau und aus der Landumlegung ergebenden Schadens; durch die Verschiebung des Wohnhauses werde dem Grundeigentümer Walker angemessen Ersatz geleistet, weshalb diese Massnahme ohne weiteres im Landumlegungsverfahren verfügt werden dürfe.
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D.- Anton Walker führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss des Regierungsrats des Kantons Zug aufzuheben. Er widersetzt sich einer Verschiebung seines Wohnhauses und macht geltend, eine solche Massnahme könnte zum vorneherein nur im Enteignungsverfahren verfügt werden. Im vorliegenden Fall vermöge das Landumlegungsverfahren seinen berechtigten Ersatzansprüchen offensichtlich nicht zu genügen, weshalb gestützt auf Art. 23 der bundesrätlichen Vollziehungsverordnung zum NSG vom 24. März 1964 (VV-NSG) das Enteignungsverfahren einzuleiten sei.
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E.- Der Regierungsrat des Kantons Zug beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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a) Art. 30 Abs. 1 NSG lässt den zur Landbeschaffung verpflichteten Kantonen grundsätzlich die Wahl zwischen dem Landumlegungs- und dem Enteignungsverfahren, sofern ein freihändiger Erwerb ausser Betracht fällt. Gemäss Art. 30 Abs. 2 NSG soll indessen das bundesrechtliche Enteignungsverfahren erst dann eingeleitet werden, wenn die Bemühungen für einen freihändigen Erwerb oder für eine dem kantonalen Recht unterstehende Landumlegung nicht zum Ziele führen. Weitere Vorschriften über das Verhältnis zwischen Landumlegung und Enteignung sind im Nationalstrassengesetz nicht enthalten.
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Dass der Bundesgesetzgeber der Landumlegung grundsätzlich den Vorrang einräumt (Art. 30 Abs. 2 NSG), bedeutet indessen nicht, dass der Grundeigentümer in diesem Verfahren ohne weiteres gleich einschneidende Eingriffe in sein Privateigentum zu dulden hat wie im Falle der Enteignung. Die Landumlegung bezweckt ihrem Wesen nach in erster Linie eine sachgemässe Aufteilung und Zuordnung der im Perimeter gelegenen Grundstücke. Die betroffenen Grundeigentümer haben demnach grundsätzlich Anspruch auf Realersatz (BGE 95 I 372 Erw. 4; F. ANTOGNINI, Le respect de la garantie de la propriété dans les remaniements parcellaires, ZBl 72/1971, S. 2). Ist aus besonderen Gründen kein Realersatz möglich, so ist eine Entschädigung auszurichten, welche dem vollen Verkehrswert der eingeworfenen Grundstücke zu entsprechen hat (BGE 95 I 373 oben). Erfolgt die Landbeschaffung für eine Nationalstrasse auf dem Wege der Landumlegung, so wird der zur Landabtretung verpflichtete Eigentümer unbebauter Grundstücke nach dem Gesagten gleichwertig entschädigt wie im Enteignungsverfahren, denn die im Zusammenhang mit der Erstellung eines öffentlichen Werks verfügte Landumlegung kommt insoweit einer Enteignung gleich. Erfordert der Nationalstrassenbau dagegen die Beseitigung von Gebäuden, so gewährt das Landumlegungsverfahren dem betroffenen Eigentümer nicht notwendigerweise den gleichen Schutz wie das Enteignungsverfahren, zumal solche ![]() | 9 |
b) Der Kanton Zug hat keine Ausführungsvorschriften im Sinne von Art. 61 Abs. 2 NSG erlassen. Laut Regierungsratsbeschluss vom 16. Dezember 1966 wird die Landbeschaffung für das Teilstück "Stockeri" der Nationalstrasse N4 in Form einer Gesamtmelioration im Sinne von § 10 des zugerischen ![]() | 10 |
Im vorliegenden Fall erfüllt somit das kantonale Recht die in lit. a umschriebenen Anforderungen nicht. Über die Frage, ob das Wohnhaus des Beschwerdeführers abzubrechen oder zu verschieben ist, muss demnach in einem besonderen Enteignungsverfahren entschieden werden. Wohl hat der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren kein entsprechendes Gesuch im Sinne von Art. 23 VV-NSG gestellt. Anlass dazu bestand jedoch nicht, zumal ihm die kantonale Baudirektion mit Schreiben vom 6. September 1971 mitteilte, sie werde die Einleitung des Enteignungsverfahrens beantragen, falls er das Angebot für eine Pauschalentschädigung im Betrage von Fr. 220 000.-- nicht innert 10 Tagen annehme. Das in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde enthaltene Begehren um Einleitung des Enteignungsverfahrens ist deshalb zulässig und nach dem Gesagten begründet.
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4. Der Beschwerdeführer widersetzt sich einer Verschiebung seines Wohnauses und macht geltend, die Beseitigung des Gebäudes habe in Form eines Abbruchs zu erfolgen. Damit erhebt er keine Einwendungen, die Gegenstand einer zulässigen Einsprache im Sinne von Art. 27 NSG bilden könnten (vgl. dazu das Urteil vom 12. Juli 1971 i.S. von Schulthess-Rechberg, BGE 97 I 577 /8). Ferner kann in seinen Vorbringen kaum ein ![]() | 13 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Regierungsrats des Kantons Zug vom 20. September 1971 aufgehoben. Der Regierungsrat des Kantons Zug wird angewiesen, die Akten der Eidg. Schätzungskommission des V. Kreises zu übermitteln, welche sich im Sinne der Erwägungen mit der Streitsache zu befassen hat.
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