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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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115. Auszug aus dem Urteil vom 20. Oktober 1971 i.S. Reutemann gegen Stadtrat Zug und Regierungsrat des Kantons Zug. | |
Regeste |
Eigentumsgarantie und Art. 4 BV; Pflicht zur Erstellung privater Parkflächen, Festsetzung einer Ersatzabgabe. |
2. Es ist mit dem Gebot der Rechtsgleichheit vereinbar, eine solche Pflicht nur den Erstellern von Neu- und Umbauten, nicht aber auch den Eigentümern bestehender Bauten aufzuerlegen (Erw. 5a). |
3. Für den Fall, dass die Erstellung privater Parkflächen unmöglich oder mit unverhältnismässigen Kosten verbunden ist, kann die Bezahlung einer Ersatzabgabe vorgesehen werden; Rechtsnatur dieser Abgabe (Erw. 6). |
4. Wieweit kann der kantonale Gesetzgeber die Befugnis zur Festsetzung der Ersatzabgabe dem kommunalen Gesetzgeber übertragen? (Erw. 7). |
5. Bemessung der Ersatzabgabe (Erw. 8). | |
Sachverhalt | |
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A.- Das kantonale Baugesetz für die Stadtgemeinde Zug vom 27. November 1932 (BG) wurde am 5. April 1962 durch folgende, sofort in Kraft tretende Bestimmung ergänzt:
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"§ 58bis Bei sämtlichen Neubauten und grösseren Umbauten sind auf privatem Grund Einstellgaragen oder Abstellflächen für Motorfahrzeuge der Hausinsassen, Benützer oder Besucher zu schaffen.
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Der Einwohnerrat setzt die Zahl der Abstellgaragen oder Abstellflächen auf Grund eines von der Einwohnergemeindeversammlung erlassenen Reglementes im Einzelfall fest.
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Wenn die örtlichen Verhältnisse die Schaffung von Abstellflächen nicht zulassen, kann der Bauherr gegen Leistung einer entsprechenden Abfindungssumme von dieser Verpflichtung entbunden werden. Die Einnahmen sind ausschliesslich für die Schaffung vermehrter öffentlicher Parkierungsmöglichkeiten zu verwenden."
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Das in Abs. 2 vorbehaltene Reglement (im folgenden Parkplatzreglement genannt) wurde am 21. März 1967 vom Grossen Gemeinderat der Stadt Zug erlassen und am 12. Juni 1967 vom Regierungsrat des Kantons Zug genehmigt. Gemäss § 2 ist die Zahl der Einstellgaragen oder Abstellflächen, je nach der Nutzungsart der Gebäude, nach der Zahl der Wohnungen, der Bruttonutzfläche, der Zahl der Beschäftigten, der Zahl der Betten, der Zahl der Sitzplätze, der Zahl der Zuschauer, der Zahl der Klassenzimmer oder aufgrund spezieller Erhebungen festzusetzen; dabei wird bei Gebäuden, die mehreren Zwecken dienen, der Bedarf an Parkflächen für jede Nutzungsart separat berechnet. Nach § 5 ist bei Wohnhäusern pro Wohnung und bei Restaurants und Cafés pro 6 Sitzplätze ein Parkplatz zu ![]() | 6 |
B.- Am 21. November 1966 erteilte der Stadtrat Zug Frau Paula Reutemann die Bewilligung, anstelle ihres bestehenden Gebäudes an der Grabenstrasse 36 in der Altstadt von Zug einen Neubau zu errichten, mit einem Tea-Room im Parterre und je einer 4-Zimmer-Wohnung in den drei darüberliegenden Stockwerken. Da wegen der geschlossenen Bauweise und der engen räumlichen Verhältnisse in der Altstadt keine Möglichkeit bestand, auf dem Grundstück der Bauherrin die vom Gesetz geforderten Abstellflächen zu errichten, setzte der Stadtrat eine Ablösungssumme von Fr. 44 000.-- fest, was 11 Parkplätzen, berechnet nach dem damals in Vorbereitung befindlichen Parkplatzreglement, entsprach. Gegen diese Auflage rekurrierte die Bauherrin an den Regierungsrat des Kantons Zug mit dem Antrag, sie sei lediglich zur Abgeltung von 4, höchstens aber von 7 Abstellplätzen zu je Fr. 4000.-- zu verpflichten; später stellte sie einen neuen Hauptantrag auf gänzliche Befreiung von der Abgabe. Der Regierungsrat, der auch auf dieses nachträgliche Begehren eintrat, hiess die Beschwerde am 14. Juli 1970 teilweise gut; er reduzierte den Abgeltungsbetrag aufFr. 40 000.--, entsprechend 10 Parkplätzen, welche die Eigentümerin hätte erstellen müssen, wenn ihr Grundstück dafür Raum geboten hätte.
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C.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates erhebt Paula Reutemann staatsrechtliche Beschwerde. Sie rügt eine Verletzung von Art. 4, 22ter, 37, 37bis und 64 BV sowie von §§ 5, 11 und 15 KV und verlangt Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Die Begründung der Beschwerde geht, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen hervor.
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D.- Der Regierungsrat des Kantons Zug und die Stadt Zug beantragen Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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2. a) Die der Beschwerdeführerin auferlegte Geldleistungspflicht hat keinen selbständigen Charakter, sondern sie hängt sowohl ihrem Bestand als auch ihrer Höhe nach von einer ![]() | 12 |
b) Die Beschwerdeführerin rügt, dass die Pflicht zur Erstellung privater Parkflächen gegen die Eigentumsgarantie verstosse; sie beruft sich dabei auf Art. 22ter BV und § 11 KV.
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Art. 22ter BV gewährleistet das Eigentum. Danach sind Enteignungen und öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen nur zulässig, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen und im öffentlichen Interesse liegen; bei Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, ist zudem volle Entschädigung zu leisten. § 11 der Verfassung des Kantons Zug enthält ebenfalls eine Garantie des Eigentums, die aber nicht weiter geht als diejenige des Art. 22ter BV und deshalb hier ausser Betracht bleiben kann.
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c) Eine Eigentumsbeschränkung kann auch darin bestehen, dass der Eigentümer zu einem bestimmten Tun verpflichtet wird (IMBODEN, Verwaltungsrechtsprechung, 3. A., Bd. II, S. 549; MEIER-HAYOZ, N. 33 zu Art. 641 ZGB). Eine solche Leistungspflicht vermag die Ausübung der Eigentumsrechte in ähnlicher Weise zu beschränken oder zu erschweren wie ein Verbot oder die Pflicht zur Duldung von Eingriffen. Namentlich die Baugesetzgebung kommt ohne positive Leistungspflichten des Eigentümers nicht aus. Darauf, ob sie ohne Zutun des Eigentümers entstehen oder in Form einer Bedingung oder Auflage mit einer Baubewilligung verknüpft werden, kommt es nicht an; in beiden Fällen handelt es sich um eine Eigentumsbeschränkung im Sinne von Art. 22ter BV. Die in § 58bis BG und im Parkplatzreglement vorgesehene Pflicht, bei Neu- und Umbauten eigene Parkplätze zu errichten, stellt eine solche Eigentumsbeschränkung dar, und es ist im folgenden zu prüfen, ob die erwähnten verfassungsmässigen Voraussetzungen erfüllt sind.
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3. a) Die Frage, ob die von der kantonalen Behörde angerufene gesetzliche Grundlage genüge, prüft das Bundesgericht, wenn der Eingriff in das Eigentum besonders schwer ist, frei, andernfalls nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (BGE 96 I 133 /34 mit Hinweisen). Ob die Pflicht zur ![]() | 16 |
b) "Gesetzlich" ist die Grundlage einer Eigentumsbeschränkung dann, wenn sie in einem Gesetz im materiellen Sinn, d.h. in einer allgemeinen, generell-abstrakten Norm enthalten ist, die sich ihrerseits als verfassungsmässig erweist. Auch ein kommunaler Rechtssatz kann Grundlage einer Eigentumsbeschränkung bilden, wenn die Gemeinde zur Rechtsetzung auf dem betreffenden Gebiet schon unmittelbar von Verfassungs wegen befugt ist; andernfalls bedarf es einer Ermächtigung durch den kantonalen Gesetzgeber (BGE 89 I 470 mit Hinweisen). Die Verfassung des Kantons Zug scheint den Gemeinden auf dem Gebiet des Bauwesens keinerlei selbständige Rechtsetzungsbefugnis einzuräumen, doch kann dies offen bleiben. Unmittelbare Grundlage für die angefochtene Eigentumsbeschränkung bildet das vom Grossen Gemeinderat der Stadt Zug am 21. März 1967 beschlossene Parkplatzreglement. Dieses beruht auf einer klaren Ermächtigung in § 58bis des kantonalen Baugesetzes für die Stadt Zug. Sowohl die Pflicht zur Schaffung von eigenem Parkraum als auch die Pflicht, gegebenenfalls eine Ablösungssumme zu entrichten, ist in § 58bis BG vorgesehen. Die nähere Ausgestaltung dieser Regelung hat der kantonale Gesetzgeber der "Einwohnergemeindeversammlung" überlassen. Ausdrücklich wird dies zwar nur inbezug auf die Zahl der zu fordernden Abstellplätze gesagt (Abs. 2); es ist aber ohne weiteres anzunehmen, dass der Gemeinde auch die Befugnis übertragen werden sollte, die Festsetzung der Ablösungssumme nach Abs. 3 in einem Reglement selber zu regeln.
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c) (Der Grosse Gemeinderat der Stadt Zug war zum Erlass des Reglementes zuständig.)
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d) (Der Regierungsrat durfte seinem Entscheid die Bestimmungen des erst nach Erteilung der Baubewilligung in Kraft getretenen Parkplatzreglementes zugrunde legen).
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4. Ob eine Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt, prüft das Bundesgericht frei; es übt lediglich insoweit Zurückhaltung, als die Antwort von der Würdigung der örtlichen ![]() | 20 |
a) Darüber, dass die Pflicht des Grundeigentümers zur Bereitstellung eigenen Parkraums grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegt, kann kaum ein Zweifel bestehen. Infolge der ständigen Zunahme des Motorfahrzeugbestandes lässt sich, namentlich in grösseren Ortschaften, ein geordneter Verkehrsfluss nur noch aufrechterhalten, wenn die öffentlichen Strassen vom ruhenden Verkehr weitgehend entlastet werden. In BGE 85 I 234 E. 2 erklärte das Bundesgericht allerdings, dass die staatlichen Massnahmen zur Bewältigung dieser Aufgabe sich nicht gegen die Grundeigentümer richten könnten, sondern dass ausschliesslich den Fahrzeugbesitzern, welche die öffentlichen Strassen und Plätze in Anspruch nähmen, Verhaltensvorschriften aufzuerlegen seien. An dieser Auffassung ist nicht festzuhalten. Sie erklärt sich teilweise aus dem Umstand, dass im damals zu entscheidenden Streit das Gemeinwesen die gesetzliche Grundlage für die Belastung der Grundeigentümer in einer allgemeinen Polizeiklausel finden wollte. Es lässt sich im übrigen vertreten, den Hauseigentümer, dessen Mieter oder Besucher mangels privater Abstellplätze den öffentlichen Grund über Gebühr in Anspruch nehmen und damit den Verkehrsfluss behindern, selber ebenfalls als Störer im Sinne des Polizeirechtes anzusehen (so SCHAUMANN, ZSR 1960 I S. 524 ff., entgegen HUBER, ZBJV 1960, S. 364); doch kann dies offen bleiben. Es steht jedenfalls fest, dass die Vorschriften, die sich lediglich an die Fahrzeugbesitzer richten (Parkverbote, Beschränkung der Parkzeit), zur Lösung des Problems nicht ausreichen. Zwar hätte der Staat an sich die Möglichkeit, das Parkieren auf öffentlichen Strassen gänzlich zu verbieten, doch würde, da viel zu wenig andere Abstellflächen zur Verfügung stehen, indirekt damit auch der fliessende Verkehr zum Erliegen gebracht. Das Gemeinwesen muss daher in einem gewissen Masse auch den Bedürfnissen des ruhenden Verkehrs Rechnung tragen. Doch kann es das Parkieren am Strassenrand nur soweit gestatten, als dadurch der fliessende Verkehr nicht gefährdet wird, und es muss ausserdem durch Beschränkungen der Parkzeit für einen geordneten Gemeingebrauch sorgen. Diese Massnahmen vermögen aber nicht zu verhindern, dass viele Motorfahrzeugbesitzer ![]() ![]() | 21 |
b) Art. 22ter BV verlangt indessen nicht nur, dass für die vorgesehene Eigentumsbeschränkung überhaupt ein öffentliches Interesse bestehe. Dieses muss im Vergleich mit dem ihm entgegenstehenden privaten Interesse den Vorzug verdienen, und der Eingriff darf nicht weiter gehen, als es der verfolgte öffentliche Zweck erheischt, d.h. er muss verhältnismässig sein.
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Es ist nicht zu verkennen, dass die Pflicht zur Erstellung von Parkplätzen die bauliche Ausnützung des Grundstücks erschwert oder, wenn die Parkplätze unterirdisch erstellt werden, jedenfalls höhere Baukosten verursacht, und dass sie insoweit für den Eigentümer einen finanziellen Nachteil bedeutet. Die gleiche Wirkung haben aber auch zahlreiche andere Beschränkungen der Baufreiheit, wie z.B. die Festsetzung von Ausnützungsziffern, bei denen nicht bestritten ist, dass das öffentliche Interesse an einer zweckmässigen Überbauung dem privaten Interesse an der schrankenlosen Ausnützung des Grundeigentums vorgeht; der Eigentümer muss sie entschädigungslos in Kauf nehmen. Zudem zeigt die Erfahrung, dass Gebäude im Wert steigen, wenn in unmittelbarer Nähe, wenn möglich auf dem gleichen Grundstück, eine Parkmöglichkeit besteht (SAXER, a.a.O., S. 10). Dies trifft in besonderem Masse auf Geschäftshäuser mit Kundenverkehr zu, gilt aber auch für andere Gebäude. Die Beschaffung eigenen Parkraums liegt daher in der Regel im wohlverstandenen Interesse des Gebäudeeigentümers selbst, so dass eine dahingehende gesetzliche Pflicht für ihn keine unzumutbare Belastung bedeutet und das öffentliche Interesse daran auch dem Widerstrebenden gegenüber überwiegt. Aus denselben Gründen ergibt sich, dass diese Beschränkung der Baufreiheit auch keiner Enteignung gleichkommt, jedenfalls solange nicht, als die Parkplätze nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden müssen und die Baupflicht, wenn ihre Erfüllung mit unverhältnismässigen Kosten verbunden wäre, durch eine sich in bestimmten Grenzen haltende Geldleistung abgegolten werden kann. § 58bis BG und die einschlägigen Bestimmungen des Parkplatzreglementes verlangen die Errichtung ![]() | 23 |
5. a) Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Entscheid auch deshalb für verfassungswidrig, weil er gegen die in Art. 4 BV und § 5 KV gewährleistete Rechtsgleichheit verstosse. Die Rechtsungleichheit liege darin, dass nur die Ersteller von Neu- oder Umbauten zur Errichtung von Parkplätzen verpflichtet würden, nicht aber die Eigentümer von Altbauten, obwohl ![]() | 24 |
b) Die angefochtene bauliche Ordnung verträgt sich auch mit Art. 64 BV. Diese Verfassungsbestimmung beschränkt die ![]() | 25 |
c) Sodann verstösst § 58bis BG auch nicht gegen die in Art. 37 Abs. 2 BV und Art. 37bis BV gewährleistete Strassenfreiheit. Der Beschwerdeführerin, den Mietern und den Besuchern des Tea-Rooms werden keine Beschränkungen des Gemeingebrauchs der öffentlichen Strassen auferlegt, die andere Strassenbenützer nicht ebenfalls hinzunehmen hätten.
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b) Es lässt sich sachlich begründen, die Pflicht zur Erstellung von Parkplätzen in jenen Fällen, wo ihre Erfüllung baulich nicht möglich oder mit übermässigen Kosten verbunden wäre, durch eine Geldleistungspflicht zu ersetzen. Es würde zu einer Rechtsungleichheit führen, wenn lediglich jene Grundeigentümer zur Erstellung von Parkflächen verpflichtet würden, deren Grundstück grössen- und lagemässig dazu die Möglichkeit bietet, während die andern, die ebenfalls ein Bedürfnis nach Parkraum verursachen und indirekt das Gemeinwesen zur Schaffung von zusätzlichen Parkplätzen zwingen, von dieser Pflicht ohne Folge befreit wären (ZIMMERLIN, a.a.O. N. 10 zu § 61; SCHEIBLER, a.a.O., S. 70; SAXER, a.a.O., S. 11 f.). Wäre eine Ablösungssumme nicht vorgesehen, so könnte die Baubewilligung möglicherweise sogar verweigert werden, wenn die Anlage der vorgeschriebenen Parkplätze unmöglich ist (vgl. Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 28. September 1961, ZBl 1962, S. 44; SCHEEBARTH, a.a.O. S. 266). Dies wäre in den meisten Fällen eine weit schwerere Belastung ![]() | 28 |
c) Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass es sich bei der von ihr geforderten Ablösungssumme, welche keinen Anspruch auf einen bestimmten öffentlichen Parkplatz verleihe, um eine Sondersteuer handle, für die die verfassungsmässige Grundlage nach §§ 5 und 15 KV und Art. 4 BV fehle; sie führt allerdings nicht aus, wieso § 15 KV eine Sondersteuer verbiete.
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Das Bundesgericht hat in BGE 92 I 47 offen gelassen, ob die Ablösungssumme, die anstelle des Baues von Abstellplätzen zu leisten ist, eine Vorzugslast oder eine Steuer sei. Als Steuer wird diese Abgabe im allgemeinen nicht gelten können. Zum Wesen der Steuer gehört nach der herrschenden Auffassung die Voraussetzungslosigkeit. Daran fehlt es im vorliegenden Fall, da die Leistung nicht voraussetzungslos geschuldet wird, sondern anstelle einer andern primären Leistung tritt; sie hängt sowohl ihrem Bestand als ihrer Höhe nach von dieser primären Pflicht ab und setzt voraus, dass diese nicht erfüllt werden kann. Eine Vorzugslast wäre in der dem Grundeigentümer auferlegten Geldleistung dann zu erblicken, wenn damit die Anlage von bestimmten, für den Pflichtigen einen Sondervorteil bedeutenden öffentlichen Parkplätzen finanziert würde (vgl. § 25 Abs. 2 des aargauischen Baugesetzes; § 61 Abs. 2 der Bauordnung der Stadt Aarau, dazu ZIMMERLIN, a.a.O., N. 10 ff. zu § 61; Art. 70 Abs. 5 des Strassenbaugesetzes des Kantons Bern, Art. 115 des Baugesetzes; s. auch SAXER, a.a.O. S. 6 f., und KÜTTEL, a.a.O. S. 183). Gewisse Ordnungen sehen vor, dass der Pflichtige als Gegenleistung einen ihm vorbehaltenen Parkplatz oder einen Einstellplatz in einem Parkhaus zugewiesen erhält. Nach der vorliegend zu beurteilenden Regelung hat der Grundeigentümer jedoch keinen solchen Anspruch. Die Gemeinde verpflichtet sich lediglich, aus den ihr zufliessenden Ablösungssummen in der näheren oder weiteren Umgebung der Beschwerdeführerin öffentliche Parkplätze zu erstellen, die von jedermann benützt werden können. Der Pflichtige erhält für seine Abgabe demnach keine besondere, rechtlich erfassbare Gegenleistung des Gemeinwesens. Die öffentlichen Parkplätze können zwar, wenn sie in unmittelbarer Nähe des Pflichtigen zu liegen kommen, für diesen ![]() | 30 |
7. Als Ersatzabgabe stellt die Ablösungssumme nach § 58bis BG eine öffentliche Abgabe, aber keine Steuer dar. § 15 KV, der vorschreibt, dass die Steuerpflichtigen im Verhältnis der ihnen zu Gebot stehenden Mittel an die Staats- und Gemeindelasten beizutragen haben, also den Grundsatz der Allgemeinheit der Steuer enthält, ist vorliegend daher nicht anwendbar. Hingegen bedarf die Ersatzabgabe wie alle öffentlichen Abgaben der gesetzlichen Grundlage. Im materiellen Sinne ist eine solche, wie dargelegt, vorhanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes benötigen aber alle Abgaben mit einziger Ausnahme der Kanzleigebühren in ihren Grundzügen und vor allem ihrer Höhe nach der Verankerung in einem Gesetz im formellen Sinn; es genügt nicht, wenn der Gesetzgeber die Befugnis zur Festsetzung der Abgabe an eine untergeordnete Behörde überträgt (BGE 97 I 203 mit Verweisungen; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 164 f.; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Bd. II, S. 550 unten; IMBODEN, a.a.O., Bd. I, S. 100). Diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch auf die Delegation von rechtsetzenden Befugnissen vom kantonalen ![]() ![]() | 31 |
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Wie die ihr zugrunde liegende Eigentumsbeschränkung untersteht auch die Ersatzabgabe dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit, doch bestimmt sich diese, entsprechend der unterschiedlichen Funktion der Ersatzabgabe, nach anderen Kriterien. Zwar dient die Ersatzabgabe insoweit dem gleichen Zweck wie die primäre Baupflicht, als das Gemeinwesen nach Gesetz aus ihren Erträgnissen Parkplätze zu erstellen hat. Hierin liegt jedoch, wie dargelegt, keine besondere Gegenleistung an den abgabepflichtigen Eigentümer, welche die Erhebung der Abgabe rechtfertigen und eine Grundlage für deren Bemessung bilden könnte. Auszugehen ist vielmehr davon, dass mit der Ersatzabgabe eine Rechtsgleichheit zwischen baupflichtigen und nicht baupflichtigen Eigentümern hergestellt werden soll; nur diese Überlegung vermag die Erhebung der fraglichen Abgabe, welche weder eine Steuer darstellt noch an eine Gegenleistung des Gemeinwesens geknüpft ist, überhaupt zu rechtfertigen. Die Ablösungssumme darf demnach nicht höher sein, als zur Herbeiführung eines solchen Ausgleiches notwendig ist. Diese Grenze ist nicht leicht zu ziehen. Als Richtschnur für die Bemessung der Ersatzabgabe könnten zum Beispiel die Kosten, die das Gemeinwesen für den Bau der nötigen Parkplätze aufwenden muss, dienen (so Art. 39 der bernischen Bauverordnung; vgl. auch § 62 des aargauischen Baugesetzes). Entsprechend dem erwähnten Zweck der Abgabe erscheint es jedoch richtiger, den Vorteil, der dem Eigentümer aus der Befreiung von der Baupflicht erwächst, zum Ausgangspunkt zu wählen. Dabei kann selbstverständlich nicht auf die vom Abgabepflichtigen im konkreten Fall ersparten Kosten abgestellt werden, da die Ablösungspflicht ja immer gerade dort Platz greift, wo der Bau von Abstellplätzen unmöglich bzw. mit unverhältnismässig hohen Kosten verbunden wäre (§ 58bis Abs. 3 BG, § 10 Abs. 1 des Parkplatzreglementes). Massgebend müssen vielmehr die durchschnittlichen ![]() ![]() | 33 |
Die Gemeinde Zug hat die Ablösungssumme einheitlich auf Fr. 4000.-- pro Parkplatz festgesetzt. Aus ihrer Stellungnahme vom 29. Juni 1971 geht nicht klar hervor, aufgrund welcher Überlegungen sie zu diesem Betrag gelangt ist. Sie zog offenbar auch die Kosten für die Erstellung von Garagen mit in Betracht, was nach dem Gesagten nicht angängig ist; massgebend für eine einheitliche Ablösungssumme können einzig die Kosten eines offenen Parkplatzes sein. Nach Angaben der Gemeinde liegen diese zwischen Fr. 5000.-- und Fr. 8770.--. Die festgesetzte Ablösungssumme von Fr. 4000.-- pro Parkplatz erweist sich daher als unverhältnismässig hoch und mit Art. 4 BV nicht mehr vereinbar. Zwar kann der einschlägige § 10 des Parkplatzreglementes nicht aufgehoben werden, da die Frist zur Anfechtung dieses Erlasses längst abgelaufen ist; aufzuheben ist hingegen der angefochtene Entscheid des Regierungsrates als Anwendungsakt dieser sich verfassungswidrig auswirkenden Bestimmung (BGE 96 I 556 E. 2). Die von der Beschwerdeführerin zu bezahlende Ablösungssumme ist im Sinne der Erwägungen neu festzusetzen.
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