BGE 97 I 860 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
123. Auszug aus dem Urteil vom 29. Oktober 1971 i.S. Käsereigenossenschaft Althäusern gegen Aargauischen Milchverband, Suhr und Abteilung für Landwirtschaft. | |
Regeste |
Ablieferung von Überschussmilch einer Käserei; V über die Verwertung der Verkehrsmilch vom 30. April 1957 (VMV). |
2. Auch ein Vertrag über die Lieferung von Überschussmilch einer Käserei an milchverarbeitende Dritte bedarf zu seiner Gültigkeit der Genehmigung nach Art. 15 VMV. (Erw. 6). |
3. Die Milchgenossenschaften sind auch bezüglich der Verwertung von solcher Überschussmilch an die Weisungen der zuständigen Sektion des Zentralverbandes gebunden (Erw. 7). | |
Sachverhalt | |
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A.- Der Verband aargauischer Käserei- und Milchgenossenschaften, Suhr (AMV), verfügte am 31. März 1967, die Käsereigenossenschaft Althäusern habe die notwendigen Massnahmen einzuleiten, um ab 1. Januar 1968 sämtliche Milch zu Sbrinz verarbeiten zu können. Auf Beschwerde hin hob die Abteilung für Landwirtschaft des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements diese Verfügung am 12. Mai 1970 auf, wies die Käsereigenossenschaft Althäusern an, ihre Milch im Rahmen der bestehenden Kapazitäten vorläufig weiterhin auf Emmentaler zu verarbeiten und beauftragte den AMV, mit den Käsereigenossenschaften Althäusern, Besenbüren und Rottenschwil Verhandlungen über eine allfällige Zusammenlegung der drei Genossenschaften zur zentralen Verarbeitung der Milch aufzunehmen und hierüber bis 1. Mai 1972 Bericht zu erstatten und Antrag zu stellen. Dieser Beschwerdeentscheid blieb unangefochten.
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Nachdem ihr der Milchkäufer auf den 1. November 1970 gekündigt hatte, stellte die Käsereigenossenschaft Althäusern einen Lohnkäser ein, der die Emmentalerfabrikation weiterführte. Ausserdem verpflichtete sie sich vertraglich, ab 1. November 1970 ihre Überschussmilch der Schweizerischen Milchgesellschaft AG, Hochdorf (SMG), abzuliefern.
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B.- Am 22. Oktober 1970 verfügte der AMV, die Genossenschaft habe ihm die Überschussmilch ab 1. November 1970 als Aushilfsmilch abzuliefern. Die Abteilung für Landwirtschaft wies am 27. Mai 1971 die gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde der Genossenschaft ab und ordnete in Ziff. 2 und 3 des Dispositivs ihres Entscheides an:
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"2. Die Schweizerische Milchgesellschaft AG Hochdorf wird angewiesen, den unrechtmässigen Bezug der Überschussmilch der Käsereigenossenschaft Althäusern unverzüglich einzustellen.
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3. Die Käsereigenossenschaft Althäusern hat gemäss Entscheid vom 22. Oktober 1970 die Überschussmilch ab sofort an den aargauischen Milchverband, Suhr, abzuliefern."
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Am 6. Mai 1971 hatte der AMV noch verfügt, die Genossenschaft habe, soweit es die Platzverhältnisse im Käsespeicher erlaubten, pro Tag 2 Laib Emmentalerkäse zu fabrizieren, was eine Mehrfabrikation von ca. 15 Laib pro Monat bedeute. Diese Verfügung blieb unangefochten.
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C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Käsereigenossenschaft Althäusern die Aufhebung des Entscheides der Abteilung für Landwirtschaft vom 27. Mai 1971 und des Entscheides des AMV vom 22. Oktober 1970. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit wesentlich, aus den rechtlichen Erwägungen.
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D.- Während die SMG in ihrer Vernehmlassung die Beschwerdeführerin unterstützt, beantragen der AMV und die Abteilung für Landwirtschaft, die Beschwerde abzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Art. 10 VwG über die Ausstandsgründe im Verwaltungsverfahren findet, wie das Bundesgericht erst kürzlich festgestellt hat, wohl auf natürliche Personen Anwendung, die eine Verfügung zu treffen oder vorzubereiten haben, nicht aber auf eine Behörde oder einen Verband als solchen (unveröffentlichtes Urteil i.S. Zurlinden vom 23. Juli 1971). Aus ihm lässt sich somit nicht ableiten, der AMV hätte im vorliegenden Falle in Ausstand treten sollen.
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Nach dem Gutachten Kaufmann ergibt sich aus dem Grundgedanken der Übertragung öffentlichrechtlicher Funktionen an die Milchverbände, dass diese in Angelegenheiten, in denen sie eigene finanzielle Interessen haben, hinsichtlich ihrer öffentlichrechtlichen Funktionen in Ausstand treten müssen. Dem ist insofern zuzustimmen, als eine ungeschriebene Regel den Milchverband verpflichtet, sich der Ausübung seiner öffentlichrechtlichen Funktionen zu enthalten, wenn seine privaten Interessen unmittelbar und offenkundig denen anderer Beteiligter entgegenstehen. Darüber hinaus anzunehmen, der Milchverband habe bei jeder Verfügung, an der neben verbandseigenen auch verbandsfremde Personen interessiert sind, wegen Befangenheit in Ausstand zu treten, hiesse hingegen, wie auch im Gutachten Kaufmann angetönt wird, die ganze gegenwärtige Organisation der Konsummilchversorgung und Milchverwertung in Frage stellen, denn diese Organisation führt ihrer Natur nach immer wieder zu gewissen Interessenkollisionen zwischen Milchverbänden einerseits und ihren Mitgliedern oder Dritten anderseits. An den Milchverbänden liegt es dann jeweils, sich ihrer öffentlichrechtlichen Aufgabe würdig zu zeigen und unter Hintanstellung von Privat- oder Verbandsinteressen objektiv zu entscheiden. Ausserdem hat die Abteilung für Landwirtschaft als Aufsichts- und gegebenenfalls Beschwerdeinstanz darüber zu wachen, dass keine Missbräuche vorkommen. Sollte aber, wie die SMG behauptet, die vom Parlament und Bundesrat beschlossene Organisation unter den heutigen Verhältnissen wirklich nicht mehr genügen, so wäre es jedenfalls nicht Sache des Bundesgerichts, hier Abhilfe zu schaffen.
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Ein offenkundiger und unmittelbarer Konflikt zwischen den privaten Interessen des Verbandes und jenen der Beschwerdeführerin liegt nicht vor. Ein offenkundiger Konflikt könnte eventuell zwischen dem AMV und der SMG bestehen; um solche Konflikte zu vermeiden, bestimmt Art. 15 Abs. 4 VMV, dass die Genehmigung (oder Nichtgenehmigung) von Milchlieferungsverträgen mit Fabriken Sache des ZVSM ist. Dagegen ist grundsätzlich keine Ausstandspflicht des regionalen Milchverbandes anzunehmen für Anordnungen, durch die eine Milchgenossenschaft zur Ablieferung von Aushilfsmilch i.S. von Art. 6 VMV an den Verband verpflichtet wird. Ob die vom AMV angeforderte Milch von ihm wirklich als Aushilfsmilch benötigt wird, hat mit der Frage seiner allfälligen Befangenheit nichts zu tun, sondern ist gegebenenfalls von der Beschwerdeinstanz materiell zu überprüfen.
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Weder der Milchbeschluss noch die Verkehrsmilchverordnung erwähnen die Überschussmilch ausdrücklich. Das will aber nicht heissen, für die Überschussmilch gelte eine Sonderregelung im Sinne der Beschwerdeführerin. Diese Milch ist ein Teil der von den Produzenten für den Konsum oder zur Verarbeitung in Verkehr gebrachten Milchmenge, also Verkehrsmilch im Sinne von Art. 5 MB, und unterliegt deshalb mangels einer Ausnahmebestimmung den Vorschriften der Verkehrsmilchverordnung.
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Nach der VMV ist zu unterscheiden zwischen der ständigen Lieferung von Konsummilch (Art. 4 und Art. 5 Abs. 2 VMV) und der Lieferung von Aushilfsmilch (Art. 6 VMV). Unter Aushilfsmilch im Sinne von Art. 6 VMV ist jedenfalls in erster Linie die Milch zu verstehen, die vorübergehend zur Deckung des Bedarfs an Frischmilch, Joghurt und Milchmischgetränken benötigt wird, normalerweise aber zentrifugiert oder auf Käse oder Dauermilchwaren verarbeitet wird (vgl. Art. 6 Abs. 4 und Art. 13 VMV). Überschussmilch ist eine Milchmenge, die je nach den Einlieferungen der Milchproduzenten in geringerem oder grösserem Masse täglich in der Käserei anfällt. Derartige Milch darf nach Art. 15 VMV an milchverarbeitende Dritte und somit an Fabriken nur geliefert werden auf Grund eines vom Regionalverband bzw. vom ZVSM abgeschlossenen bzw. genehmigten Milchkauf- oder Milchlieferungsvertrages. Überschussmilch ist diesbezüglich nicht anders zu behandeln als andere Milch.
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Die Beschwerdeführerin behauptet freilich, einer seit jeher bestehenden Praxis zufolge bleibe die Überschussmilch der freien Verfügung der Käsereien überlassen. Sie unterlässt es aber, diese Praxis nachzuweisen oder auch nur Beweise für eine derartige Praxis anzubieten. Zudem wäre eine solche Praxis mit Art. 15 Abs. 2 VMV kaum vereinbar. Der AMV erklärte denn auch, er habe die Überschussmilch nie freigegeben. Frei sei lediglich die aus allfälliger Zentrifugierung anfallende Magermilch. Vergebens führt die Beschwerdeführerin auch an, dass der in Rechtskraft erwachsene Beschwerdeentscheid der Abteilung für Landwirtschaft vom 12. Mai 1970 sich über die Verwertung der Überschussmilch ausschweigt. Nichts lässt den Schluss zu, die Abteilung für Landwirtschaft habe in jenem Entscheid der Beschwerdeführerin die freie Verfügung über ihre Überschussmilch einräumen wollen, stand doch diese Frage damals gar nicht zur Diskussion.
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Die somit auch für Verträge über die Lieferung von Überschussmilch erforderliche Genehmigung nach Art. 15 VMV steht im vorliegenden Falle unbestrittenermassen aus. Der Vertrag zwischen der Beschwerdeführerin und der SMG ist deshalb ungültig und die in Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen Entscheides enthaltene Weisung der Vorinstanz an die SMG, den Bezug von Überschussmilch der Beschwerdeführerin unverzüglich einzustellen, begründet.
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Wie der Verband unter solchen Umständen die abgelieferte Milch verwertet, ist nicht entscheidend. Es braucht deshalb im vorliegenden Verfahren auch nicht abgeklärt zu werden, ob er sie tatsächlich - wie er behauptet, die Beschwerdeführerin aber bestreitet - als Aushilfsmilch benötigt. Diese Frage wird von der Abteilung für Landwirtschaft und gegebenenfalls vom Bundesgericht erst zu entscheiden sein, wenn die Beschwerdeführerin beim ZVSM um die Genehmigung des Vertrages mit der SMG nachgesucht hat und ihr diese Genehmigung in einer beschwerdefähigen Verfügung (Art. 35 VwG) vom ZVSM verweigert worden ist.
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