BGE 97 I 866 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
124. Auszug aus dem Urteil vom 29. Oktober 1971 i.S. Leitungsgesellschaft AG gegen Eidg. Bankenkommission | |
Regeste |
Bundesgesetz über die Anlagefonds. |
Übergangsrecht; Verpflichtung der Leitung eines Immobilienanlagefonds, die zu hohe hypothekarische Belastung der Fondsgrundstücke herabzusetzen (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- Die Leitungsgesellschaft AG, Zug, leitet den Immobilienanlagefonds "West Fund". Sie erwarb für Rechnung der Anleger Grundstücke in Kanada. Zur Finanzierung wurden ausser den Einlagen der Anleger Kredite verwendet, die von Dritten gegen Verpfändung der Grundstücke gewährt wurden. Im Zeitpunkte des Inkrafttretens des Anlagefondsgesetzes (1. Februar 1967) betrug die hypothekarische Belastung rund 80% des Gestehungswertes der Grundstücke. Die Leitungsgesellschaft wurde seitens der Eidg. Bankenkommission (Kammer für Anlagefonds) wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die Belastung 50% dieses Wertes nicht übersteigen dürfe (Art. 35 Abs. 3 AFG) und daher bis zum 31. Januar 1970 herabgesetzt werden müsse (Art. 53 Abs. 3 AFG). Im neuen Fondsreglement wurde bestimmt, dass der Erwerb der Grundstücke aus dem Erlös der Emission der Anteilscheine und durch Aufnahme von Krediten bei Dritten finanziert werde; anschliessend wurde der Inhalt des Art. 35 Abs. 3 AFG wiedergegeben. Die Bankenkommission genehmigte das neue Reglement. Im Schreiben vom 13. Februar 1970, mit dem sie dies der Fondsleitung und der Depotbank mitteilte, erklärte sie, dass sie jede den Satz von 50% übersteigende Verschuldung zulasten des Fonds, "ob grundpfandgesichert oder ungesichert", als unzulässig betrachte. Ende Juni 1970 waren die Grundstücke des "West Fund" noch im Umfange von 57,5% der Gestehungskosten mit Pfandrechten belastet. Mit Verfügung vom 26. April 1971 verpflichtete die Bankenkommission die Leitungsgesellschaft, "die Fremdfinanzierung der Anlagen des West Fund bis 30. Juni 1972 auf höchstens 50% der Gestehungswerte der Grundstücke herabzusetzen"; für den Fall des Ungehorsams drohte sie der Gesellschaft Busse an.
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B.- Gegen diese Verfügung erhebt die Leitungsgesellschaft Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Es wird geltend gemacht, allerdings dürfe nach Art. 35 Abs. 3 AFG die hypothekarische Belastung der zum Fonds gehörenden Grundstücke 50% der Anlagekosten nicht überschreiten. Dagegen verwehre das Gesetz der Beschwerdeführerin nicht, zur Finanzierung der Anlagen bei Dritten Kredite, die nicht durch Pfandrechte an Grundstücken des Fonds gesichert sind, über die 50% hinaus aufzunehmen. Die gegenteilige Anordnung der Bankenkommission sei unzulässig.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Der Anlagefonds ist ein Sondervermögen, das auf Grund öffentlicher Werbung von den Anlegern zum Zwecke gemeinschaftlicher Kapitalanlage aufgebracht und von der Fondsleitung nach dem Grundsatz der Risikoverteilung für Rechnung der Anleger verwaltet wird (Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 AFG). Der Fonds hat keine Rechtspersönlichkeit. Die ihm zugewiesenen Sachen sind Eigentum der Fondsleitung, und ihr stehen auch die zum Fonds gehörenden Rechte zu; die Anleger haben nur obligatorische Ansprüche gegen die Fondsleitung (Botschaft zum AFG, BBl 1965 III 290 ff.). Die Fondswerte werden indessen im Konkurs der Fondsleitung nicht zur Konkursmasse gezogen, sondern unter Vorbehalt der in Art. 16 AFG umschriebenen Ansprüche der Fondsleitung zugunsten der Anleger ausgesondert (Art. 17 AGF). Nach Art. 16 hat die Fondsleitung Anspruch auf die im Fondsreglement vorgesehenen Vergütungen, auf Befreiung von den Verbindlichkeiten, die sie "in richtiger Ausführung des Kollektivanlagevertrages" eingegangen ist, und auf Ersatz der Aufwendungen, die sie zur Erfüllung solcher Verbindlichkeiten gemacht hat (Abs. 1); diese Ansprüche werden aus Mitteln des Anlagefonds erfüllt (Abs. 2). Art. 12 Abs. 2 AFG bestimmt, dass die zum Bestande des Anlagefonds gehörenden Sachen und Rechte nicht mit Pfandrechten belastet oder zur Sicherung übereignet werden dürfen. Diese Regel wird für die Immobilienanlagefonds durch Art. 35 Abs. 3 AFG eingeschränkt, welcher lautet: "In Abweichung von Art. 12 Abs. 2 darf die Fondsleitung für Schulden, die den Anlagefonds betreffen, Grundstücke verpfänden, jedoch darf die Belastung im Durchschnitt aller Grundstücke die Hälfte der Anlagekosten nicht überschreiten."
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Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, dass Art. 12 Abs. 2 und Art. 35 Abs. 3 AFG nach ihrem Wortlaut sich nur auf solche von der Fondsleitung eingegangene Verbindlichkeiten beziehen, die durch Verpfändung oder Übereignung von Aktiven des Fonds sichergestellt sind, und dass die Frage, wieweit die Fondsleitung bei Dritten Kredite für den Fonds ohne derartige Sicherstellung aufnehmen darf, im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist. Nach der Meinung der Beschwerdeführerin wäre daraus durch Umkehrschluss zu folgern, dass das Gesetz der Fondsleitung die Aufnahme solcher nicht durch Verpfändung oder Übereignung von Fondswerten gesicherter Kredite unbeschränkt gestatte. Dagegen nimmt die Bankenkommission an, Art. 12 Abs. 2 und Art. 35 Abs. 3 AFG seien auf Kredite dieser Art - insbesondere Blankokredite - analog anzuwenden; Wertschriftenanlagefonds dürften also überhaupt nicht und Immobilienanlagefonds zu höchstens 50% der Anlagekosten mit irgendwelchen fremden Mitteln finanziert werden. Es ist zu prüfen, welche Auffassung dem Sinne des Gesetzes entspricht.
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2. Zweck des Anlagefonds ist die kollektive Anlage der von den Anlegern einbezahlten Gelder. Die Fondsleitung hat die Aufgabe, das von den Anlegern zu diesem Zweck aufgebrachte Vermögen zu verwalten (Art. 2 Abs. 1 AFG), wobei sie ausschliesslich die Interessen der Anleger zu wahren hat (Art. 14 AFG). Sie darf die Werte des Fonds nicht für sich selbst verwenden, insbesondere nicht für eigene Schulden verpfänden (Art. 12 Abs. 2 AFG). Ebensowenig darf sie aber für Rechnung des Fonds - mit oder ohne Verpfändung von Fondsaktiven - Verbindlichkeiten eingehen, die mit den Interessen der Anleger nicht vereinbar sind. Die Aufnahme fremder Mittel für die Finanzierung des Anlagefonds widerspricht grundsätzlich der Zweckbestimmung des Fonds, die in der kollektiven Anlage der von den Anlegern selber aufgebrachten Gelder besteht. Die Fremdfinanzierung kann mit erheblichen Risiken für die Anleger verbunden sein, da im Falle der Liquidation des Anlagefonds die Forderungen der fremden Geldgeber den Vorrang gegenüber den Ansprüchen der Anleger haben (Art. 17 AFG). Sie ist daher nur beschränkt zulässig. Die Schranken ergeben sich aus Wortlaut und Sinn des Art. 12 Abs. 2 und des Art. 35 Abs. 3 AFG. Diese Bestimmungen gehen dem Fondsreglement vor; sie sind zwingend (Art. 8 Abs. 4 AFG). Ihnen widersprechende Verbindlichkeiten zulasten des Fonds können grundsätzlich nicht als "in richtiger Erfüllung des Kollektivanlagevertrages eingegangen" (Art. 16 Abs. 1 AFG) betrachtet werden; sie sind nach der gesetzlichen Ordnung unzulässig.
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a) Art. 12 Abs. 2 AFG untersagt der Leitung eines Wertschriftenanlagefonds die Verpfändung und die Sicherungsübereignung von Fondswerten ohne Einschränkung, für die eigenen wie für die den Fonds betreffenden Schulden. Die Bestimmung soll namentlich verhindern, dass die Leitung eines solchen Fonds für dessen Rechnung unter Verpfändung zu ihm gehörender Werte an der Börse spekuliert und damit die Interessen der Anleger aufs Spiel setzt (BBl 1965 III 305, 320 oben). Diese Interessen können aber in gleichem Grade auch dadurch gefährdet werden, dass die Leitung des Wertschriftenanlagefonds Anlagen mit fremden Mitteln ohne Verpfändung von Fondsaktiven finanziert. Eine befreundete Bank, z.B. die Depotbank, wird der Fondsleitung dafür unter Umständen auch ohne Pfand Kredit gewähren. Sie würde die Kursentwicklung aufmerksam verfolgen und rechtzeitig die Rückzahlung des Darlehens fordern. Sie hätte solchenfalls in der Regel kein grösseres Risiko, als wenn sie sich Fondsaktiven als Pfand geben liesse, da die Anleger bei der Liquidation des Anlagefonds immer erst nach Tilgung aller Fondsschulden befriedigt werden. Anderseits wäre auch für die Anleger das Risiko mit oder ohne Verpfändung von Fondsaktiven gleich gross. Nach dem Sinn und Zweck des Anlagefondsgesetzes, das in erster Linie die Anleger schützen soll, ist daher Art. 12 Abs. 2 auf den Fall, wo die Leitung eines Wertschriftenanlagefonds zu dessen Finanzierung fremde Mittel ohne Verpfändung oder der Sicherstellung dienende Übereignung von Werttiteln des Fonds aufnimmt, analog anzuwenden. Auch eine nicht in dieser Weise gesicherte Fremdfinanzierung ist also der Leitung eines solchen Fonds schlechthin untersagt.
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Dass Art. 12 Abs. 2 AFG nur von der Verpfändung und der Sicherungsübereignung spricht, ist leicht erklärlich: Als das Anlagefondsgesetz vorbereitet und erlassen wurde, war bekannt, dass in den Vereinigten Staaten von Amerika Börsenspekulationen, die für Rechnung von Wertschriftenanlagefonds unter Verpfändung von Fondsaktiven vorgenommen worden waren, zu Zusammenbrüchen geführt hatten; man wollte die dem schweizerischen Recht unterstehenden Fonds dieser Art gegen die Wiederholung solcher Vorkommnisse schützen (BBl 1965 III 262/3, 305, 320 oben). Offenbar wurde bei der Ausarbeitung des Gesetzes nicht beachtet, dass auch die Aufnahme von Blankokrediten in gleicher Weise den Interessen der Anleger abträglich sein kann. Bei der Auslegung des Gesetzes darf aber über dieses Risiko nicht hinweggesehen werden.
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b) Die von Art. 12 Abs. 2 abweichende Sonderordnung, die nach Art. 35 Abs. 3 AFG für die Immobilienanlagefonds gilt, wird in der Botschaft des Bundesrates wie folgt begründet (BBl 1965 III 305):
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"Es ist in der Schweiz allgemein üblich, den Erwerb von Liegenschaften teilweise durch die Aufnahme von Hypotheken zu finanzieren. Die Fondsleitungen haben in mehr oder weniger grossem Ausmass diese Praxis übernommen. Sie sichern sich damit eine gewisse Beweglichkeit für die Planung von Bauten und die Beschaffung von Bauland. Es ist jedoch bemerkenswert, dass gerade die angesehensten Anlagefonds sich in der Aufnahme von Schulden deutliche Zurückhaltung auferlegen. Die Möglichkeit, weitere Hypotheken aufzunehmen, kann ihnen nötigenfalls die Erfüllung selbst massiver Rücknahmebegehren erleichtern. Sie sind sich ausserdem bewusst, dass der Anleger mit dem Erwerb von Immobilienzertifikaten eine sichere Anlage sucht. Je höher die hypothekarische Belastung, um so spekulativer ist jedoch die Anlage: Eine fühlbare Depression auf dem Liegenschaftsmarkt könnte bei einer Belastung von 80% des Gestehungspreises zur völligen Entwertung der Anteilscheine führen. Darum darf nach dem Entwurf die Belastung im Durchschnitt aller Grundstücke die Hälfte der Anlagekosten nicht überschreiten."
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Ein Immobilienanlagefonds kann indessen auch mit Hilfe fremder Kredite, die nicht durch Verpfändung von Fondsgrundstücken sichergestellt sind, finanziert werden. Es ist durchaus möglich, dass eine vertrauenswürdige Fondsleitung solche Kredite erhält, wenn sie dem Geldgeber verspricht, ohne seine Zustimmung keine weiteren grösseren Verbindlichkeiten einzugehen. Aber in diesem Fall ist das Risiko für die Anleger wiederum gleich gross wie dann, wenn Fondswerte verpfändet werden, weil bei der Liquidation jedes Anlagefonds alle - auch die nicht pfandversicherten - Forderungen Dritter vorweg befriedigt werden müssen. Die Grenze, über welche gemäss dem Wortlaut des Art. 35 Abs. 3 AFG die Verpfändung der Fondsgrundstücke für Fondsschulden nicht hinausgehen darf, muss daher nach dem Sinn des Gesetzes auch für die nicht in dieser Weise gesicherten Verbindlichkeiten für Rechnung des Fonds gelten; die Bestimmung ist also auf solche Schulden analog anwendbar. Es ist unerheblich, dass derartige Verbindlichkeiten weder in der Botschaft und im Entwurf des Bundesrates noch im Gesetz ausdrücklich erwähnt sind - was wohl darauf zurückzuführen ist, dass sie bisher in der Schweiz nicht gebräuchlich waren. Würde Art. 35 Abs. 3 AFG entsprechend der Auffassung der Beschwerdeführerin nach dem Buchstaben ausgelegt, so wäre der Umgehung der dort zum Schutze der Interessen der Anleger aufgestellten Belastungsgrenze Tür und Tor geöffnet.
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3. Nun geht aber die 50% der Anlagekosten überschreitende hypothekarische Belastung der zum "West Fund" gehörenden Grundstücke auf die Zeit vor dem Inkrafttreten des AFG zurück. Wenn die Beschwerdeführerin die damals eingegangenen Verpflichtungen erfüllt, handelt sie "in richtiger Ausführung des (zur Zeit der Kreditgewährung rechtsgültigen) Kollektivanlagevertrages". Sie hat deshalb grundsätzlich Anspruch auf Befreiung von diesen Verbindlichkeiten zulasten des Fondsvermögens. Aber sie muss nach Art. 53 Abs. 2 AFG die Belastung der Aktiven des Fonds innert bestimmter Frist - nach der angefochtenen Verfügung bis Ende Juni 1972 - an Art. 35 Abs. 3 AFG anpassen. Nach dem Gesagten genügt es jedoch nicht, dass sie den oder die Kreditgeber für den 50% der Anlagekosten übersteigenden Teil der Kreditsumme auf das Pfandrecht verzichten lässt; vielmehr ist die Fremdfinanzierung des Fonds schlechthin soweit herabzusetzen, dass sie die 50% nicht überschreitet. Die Beschwerdeführerin wird zu diesem Zweck gegebenenfalls einen Teil der Aktiven des Fonds veräussern müssen. In einem Falle, wie er hier vorliegt, könnte eine Fondsleitung genötigt sein, gerade die am besten verkäuflichen Objekte zu verwerten, um Verluste zu vermeiden; nach Durchführung einer solchen Transaktion könnte sich unter Umständen ergeben, dass die Risiken der Anleger tatsächlich nicht vermindert wären. Angesichts des klaren Textes des Art. 53 Abs. 2 AFG verstösst jedoch die Anordnung der Aufsichtsbehörde, dass die Belastung der Fondsaktiven an Art. 35 Abs. 3 AFG anzupassen sei, nicht gegen das Bundesrecht, jedenfalls dann nicht, wenn die Fondsleitung nicht gezwungen wird, offensichtlich zur Unzeit und entgegen den eindeutigen Interessen der Anleger einen Teil der Aktiven zu verwerten. Dass die angefochtene Verfügung die Beschwerdeführerin in eine solche Zwangslage versetze, wird indessen nicht behauptet und ist nicht anzunehmen. Die Verfügung ist nicht zu beanstanden.
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