VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 121 I 245  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
6. a) Die Nichtgenehmigung der Einzonung stellt in den Augen der  ...
7. (Die Nichtgenehmigung der Einzonung stellt keine Verletzung de ...
8. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Einwendungen der Be ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Juli 1995 i.S. B. und Erben H. gegen Gemeinde Wangen-Brüttisellen, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 22ter BV; Zonenplanung. Planungsfehler; Nichtgenehmigung einer Einzonung von aufgefülltem Land, welches in absehbarer Zeit nicht anders als zu gewerblichen Zwecken genutzt werden wird.  
Ob ein Planungsfehler vorliegt, ist primär im Lichte der Richtplanung zu beurteilen (E. 6c-e/aa).  
Grundsätze für die Erweiterung des Baugebietes in einem nahezu unüberbauten Gebiet zwischen zwei Ortsteilen (E. 6e/bb).  
Möglichkeit der Festsetzung eines Gestaltungsplanes im Nichtbaugebiet?  
Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage; Bedeutung der Festlegungen in der Richtplanung; Voraussetzungen, unter welchen ein Gestaltungsplan im Nichtbaugebiet zum Zwecke der baulichen Sanierung festgesetzt werden könnte (E. 8).  
 
Sachverhalt
 
BGE 121 I, 245 (246)B. und den Erben H. gehören drei Grundstücke, welche ein zusammenhängendes Ganzes bilden. Die Parzellen liegen entlang der Halden-Strasse in der Gemeinde Wangen-Brüttisellen im Gebiet "Förliwiesen". Die Halden-Strasse verbindet die Dorfteile Wangen und Brüttisellen.
1
Der Gemeinderat von Wangen bewilligte B. unter anderem 1956 die Vornahme von Auffüllungen zur Errichtung eines Lagerplatzes. Im Jahre 1969 erteilte der Gemeinderat den Erben H. die Bewilligung für die Nutzung ihrer Parzelle als Lagerplatz für Maschinen; der Gemeinderat behielt sich vor, jederzeit auf die Bewilligung zurückzukommen. Am 15. September 1986 wurde die Beibehaltung der bestehenden, befristet bewilligten Bauten und Anlagen bis zum 31. Dezember 1993 erlaubt und überdies die Bewilligung für den Anschluss der Liegenschaften an das Wasser- und Kanalisationsnetz erteilt.
2
Das Gebiet, in welchem sich die genannten Parzellen befinden, wurde im kantonalen Gesamtplan vom 10. Juli 1978 dem Bauentwicklungsgebiet zugeteilt. In der Folge wurde das Areal mit dem Zonenplan der Gemeinde vom 26. Juni 1984 der Reservezone zugewiesen. Veranlasst durch die am BGE 121 I, 245 (247)1. September 1991 beschlossene Teilrevision des kantonalen Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 (Planungs- und Baugesetz, PBG) änderte die Gemeinde Wangen-Brüttisellen am 26. Oktober 1993 unter anderem den Zonenplan. Dabei wurde das Gebiet "Förliwiesen" einschliesslich der drei erwähnten Parzellen der Gewerbezone G4 zugeteilt; eine Bautiefe entlang der Halden-Strasse wurde der Wohnzone 3-geschossig mit Gewerbeerleichterung zugewiesen. Dieser Einzonung verweigerte der Regierungsrat des Kantons Zürich am 6. Juli 1994 die Genehmigung. Eine Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht blieb ohne Erfolg.
3
B. und die Erben H. stellen mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht den Antrag, den Entscheid des Verwaltungsgerichtes aufzuheben. Während des bundesgerichtlichen Verfahrens setzte der Kantonsrat von Zürich einen neuen Richtplan fest. Danach verbleibt das Gebiet "Förliwiesen" im Bauentwicklungsgebiet.
4
Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
5
 
Aus den Erwägungen:
 
6
b) Die Rechtsprechung anerkennt, dass Planung und Wirklichkeit bei Bedarf in Übereinstimmung zu bringen und aus diesem Grunde Nutzungspläne zu ändern bzw. anzupassen sind (BGE 114 Ia 32 E. 6 S. 33). Eine Einzonung kann aber auch in solchen Fällen nur in Frage kommen, wenn sie im Einklang mit den Planungszielen und -grundsätzen erfolgt (in diesem Sinne der zitierte BGE 114 Ia 32 E. 6 S. 33, wo im Falle der Reduktion einer überdimensionierten Bauzone auf die in Art. 15 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 [Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700] zum Ausdruck kommenden Grundsätze für die Bemessung des Baugebietes hingewiesen wird; vgl. BGE 113 BGE 121 I, 245 (248)Ia 444 E. 5b S. 455). Der Umstand, dass die fraglichen Grundstücke seit langem gewerblich genutzt werden und sich dies in absehbarer Zeit nicht ändern wird, zieht daher nicht ohne weiteres die Pflicht zu deren Einzonung nach sich.
7
c) Die Nichtgenehmigung der Einzonung kann vorab mit Blick auf die Richtplanung nicht als Planungsfehler betrachtet werden. Nach dem hier massgebenden Gesamtplan von 1978 liegen die drei Parzellen entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer nicht im "Anordnungsspielraum", sondern im Bauentwicklungsgebiet. Mit dem neuen Richtplan hat sich daran nichts geändert. Bei dieser Sachlage kann auch von einem unzulässigen Eingriff in das der Gemeinde zustehende Ermessen, im Rahmen des Richtplanes die Grenzen des Baugebietes selbst zu bestimmen (Art. 2 Abs. 3 RPG; BGE 112 Ia 281 E. 7a S. 285 f.), keine Rede sein.
8
d) Soweit die Beschwerdeführer eine Einzonungspflicht aus der "Weilerregel" des Gesamtplanes von 1978 (BGE 113 Ia 192 E. 2c/cc S. 193 f.) ableiten, ist ihnen ebenfalls nicht zu folgen. Bei ihren Grundstücken handelt es sich um gewerblich genutztes Areal und nicht um eine Kleinsiedlung; von einem abgelegenen Ortsteil kann schon gar nicht gesprochen werden.
9
e) Ebenfalls nicht stichhaltig ist das Argument, eine Einzonung sei zulässig, weil es sich dabei nur um eine untergeordnete Abweichung vom Richtplan handeln würde (§ 16 Abs. 2 PBG). Rein flächenmässig mag dies für die drei Grundstücke wohl zutreffen. Das Bundesgericht hat jedoch wiederholt festgestellt, Kleinbauzonen seien nicht nur unzweckmässig, sondern grundsätzlich gesetzwidrig (BGE 119 Ia 300 E. 3b S. 303; BGE 116 Ia 339 E. 4 S. 343). Das Verwaltungsgericht hat daher mit Recht darauf hingewiesen, die von der Gemeinde beschlossene Einzonung führe zu einer nicht sachgerechten Abgrenzung des Baugebietes.
10
aa) Die Liegenschaften der Beschwerdeführer liegen planerisch an einer heiklen Lage. Sie befinden sich ungefähr in der Mitte des zwar nicht mehr unberührten, aber doch noch weitgehend unüberbauten Geländes zwischen den beiden Ortsteilen Wangen und Brüttisellen. Eine Einzonung, wie sie die Gemeinde beschloss, hat eine nicht zu unterschätzende präjudizielle Wirkung für ein künftiges Zusammenwachsen der beiden Ortsteile. Die Richtplanung, welche das Gelände als Bauentwicklungsgebiet bezeichnet, schliesst einen solchen Zusammenschluss nicht aus, doch soll er weder im heutigen Zeitpunkt realisiert noch durch eine verfrühte Einzonung von Areal zwischen der Halden-Strasse und der Autobahn gefördert werden.
11
BGE 121 I, 245 (249)bb) Dass die Gemeinde das Gewerbegebiet zwischen der Halden-Strasse und der Autobahnkreuzung (Areal "Neuwiesen") im Zuge der "kleinen" Zonenplanrevision geringfügig in Richtung "Förliwiesen" ausgedehnt hat, hat nicht zur Folge, dass die Liegenschaften der Beschwerdeführer eingezont werden müssten. Der Grundsatz rechtsgleicher Behandlung hat im Planungsrecht nur eine abgeschwächte Bedeutung. Parzellen ähnlicher Lage und Art können daher unter Vorbehalt des Willkürverbotes völlig verschieden behandelt werden (BGE 117 Ia 302 E. 4b S. 307; BGE 116 Ia 193 E. 3b S. 195). Die geringfügige Erweiterung des Gewerbegebietes beim Autobahnkreuz lehnt sich an eine bereits bestehende Gewerbezone an und ist daher planerisch anders zu beurteilen als eine Einzonung in den "Förliwiesen". Die Ausdehnung des Gewerbegebietes bei der Autobahn und die bereits in einem früheren Zonenplan festgesetzte Wohnzone mit Gewerbeerleichterung oberhalb der Halden-Strasse bestätigen im übrigen, dass eine Ausdehnung des Baugebietes im Raum zwischen den beiden Ortsteilen auch nach den Vorstellungen der Gemeinde primär nur schrittweise und angelehnt an bereits bestehendes Baugebiet erfolgen soll, was sachgerecht ist. Eine weitgehend isolierte Einzonung in den "Förliwiesen" widerspricht bei dieser Sachlage den eingangs erwähnten Planungsgrundsätzen (E. 6e).
12
13
14
a) Trotz dieses Verfahrensausganges ist nicht in Abrede zu stellen, dass die gegebene planungsrechtliche Situation - Zuteilung der fraglichen Parzelle in die Reservezone - nicht in allen Teilen zu befriedigen vermag. Es ist wie gesagt davon auszugehen, dass sich die bestehende gewerbliche Nutzung in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Die vor Jahrzehnten bewilligten und in der Folge ausgeführten Terrainveränderungen schliessen eine Rückkehr zu einer landwirtschaftlichen Nutzung nach menschlichem Ermessen aus. Auch führt die geltende Sach- und Rechtslage seit Jahren zu Unsicherheiten, welche sich in jeweils nur befristet erteilten Baubewilligungen manifestieren. Diese Bewilligungspraxis dauert bereits über zwanzig Jahre; die letzten befristeten Bewilligungen sind Ende 1993 abgelaufen. Seither besteht, wie aufgrund der Akten anzunehmen ist, für die BGE 121 I, 245 (250)von diesen Bewilligungen erfassten Bauten und Anlagen ein Schwebezustand. Eine solche Situation ist planungsrechtlich unerwünscht und liegt weder im Interesse der Eigentümer noch der Gemeinde. Der Regierungsrat hat dies erkannt und vorgeschlagen, für die Grundstücke einen Gestaltungsplan gemäss den §§ 83 ff. PBG zu erlassen.
15
b) Im nicht publizierten Urteil vom 2. Februar 1995 i.S. Gemeinde Wädenswil (E. 6b) liess das Bundesgericht die Frage offen, ob die zeitgemässe Erneuerung und massvolle Erweiterung von seit Jahrzehnten bestehenden Gewerbebauten in der Landwirtschaftszone (nach dem Richtplan: im Landwirtschaftsgebiet) mit einem Gestaltungsplan realisiert werden könne, wenn die Grundnutzungsordnung nicht geändert werde. Ein Gestaltungsplan war im betreffenden Fall (noch) nicht erlassen worden. In der Folge hielt das Bundesgericht in zwei ebenfalls nicht veröffentlichten Entscheiden vom 24. März 1995 i.S. Gemeinde Oberembrach und i.S. Gemeinde Stallikon fest, der Erlass eines Gestaltungsplanes für die Realisierung neuer oder die Erweiterung bestehender Bauten (im betreffenden Fall um 128% der Betriebsfläche) käme der Festsetzung einer unzulässigen Kleinstbauzone gleich. Die fraglichen Grundstücke waren der Landwirtschaftszone zugeteilt und lagen nach den Festlegungen des kantonalen Richtplanes auch nicht im Anordnungsspielraum (so ausdrücklich das Urteil Stallikon, E. 4b). Die geplanten bzw. bestehenden Bauten und Anlagen waren nicht landwirtschaftlicher Natur; sie wiesen keinen Zusammenhang mit dem Produktionsfaktor Boden auf. Zudem waren, soweit dies aufgrund der von den kantonalen Behörden getroffenen Sachverhaltsfeststellungen beurteilt werden konnte, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung nach Art. 24 Abs. 1 oder 2 RPG nicht gegeben.
16
c) Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob für die Grundstücke ein Gestaltungsplan erlassen werden kann, um den Interessen der Beschwerdeführer entgegenzukommen, ebenfalls nicht abschliessend beurteilt werden, weil ein solcher Plan nicht festgesetzt wurde. Immerhin besteht Anlass, auf Unterschiede zu den vorstehend genannten drei Fällen hinzuweisen.
17
aa) Die Grundstücke der Beschwerdeführer sind im Gegensatz zu den zitierten Fällen nicht einer Landwirtschaftszone (Art. 16 RPG) zugeteilt. Sie befinden sich in der Reservezone (§ 65 PBG; BGE 116 Ia 328 E. 3 S. 330 f.). Dieser Zone werden unter anderem Gebiete zugeteilt, deren Nutzung erst später zugelassen wird (Art. 18 Abs. 2 RPG). Die "Förliwiesen" werden im BGE 121 I, 245 (251)kantonalen Richtplan als Bauentwicklungsgebiet bezeichnet, was bedeutet, dass sie in 20-25 Jahren grundsätzlich für eine bauliche Nutzung in Frage kommen und erschlossen werden sollen (§ 21 Abs. 2 und 3 PBG). Wird beachtet, dass der Richtplan in den Grundzügen bestimmt, wie sich ein Gebiet räumlich entwickeln soll (Art. 6 Abs. 1 RPG), kann - aus der verlangten planerischen Gesamtschau heraus betrachtet (Art. 4 Abs. 3 der Verordnung über die Raumplanung vom 2. Oktober 1989 [RPV; SR 700.1]) - nicht gesagt werden, eine nutzungsplanerische Ordnung der (bestehenden) Überbauung laufe zum vorneherein der anzustrebenden Siedlungsentwicklung entgegen (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. a RPG).
18
bb) Die geltenden Festlegungen in der Zonenplanung haben wie erwähnt in der Praxis zu Unsicherheiten namentlich bei der Erteilung von Bewilligungen geführt, was nicht nur für alle Beteiligten unbefriedigend ist. Bei tatsächlichen Verhältnissen, wie sie hier vorliegen, und bei der gegebenen planerischen Ausgangslage ist nicht auszuschliessen, dass ein auf die Grundstücke der Beschwerdeführer beschränkter Gestaltungsplan ein sachgerechtes Mittel darstellt, die bereits seit Jahrzehnten bestehende Gewerbenutzung in geordnete Bahnen zu lenken. Ein solcher Gestaltungsplan müsste, soll er keine unzulässige Kleinbauzone darstellen, in erster Linie Sanierungszwecken dienen. Wie STEPHAN ESCHMANN (Der Gestaltungsplan nach zürcherischem Recht, Diss. Zürich 1984, S. 65 f.) darlegt, lässt das Zürcher Planungs- und Baugesetz einen Gestaltungsplan mit diesem Zweck zu, sofern - wie hier - die Neugestaltung einer bereits bestehenden Überbauung (auch) im öffentlichen Interesse liegt.
19
cc) Die Beschwerdeführer lehnen zwar aus Kostengründen einen Gestaltungsplan ab. Sie werden jedoch in ihrem eigenen Interesse ihren Standpunkt überprüfen müssen. Für eine planerisch sachgerechte Lösung müssen auch die Gemeinde und der Kanton Hand bieten. Nur so kann sichergestellt werden, dass für die drei Grundstücke eine planerische Festsetzung gefunden wird, welche eine zweckmässige Bodennutzung sowie eine auch im Lichte des Grundsatzes der Rechtssicherheit geordnete Überbauung gewährleistet (Art. 22quater Abs. 1 BV, Art. 1 Abs. 1 RPG).
20
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).