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25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. Juni 1996 i.S. Eduard Rüsch und Wohnbaugenossenschaft "Säge" gegen Bezirk Appenzell und Kantonsgericht Appenzell I.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 84 ff., Art. 88 OG; Art. 22ter BV. Enteignung eines Streifens Bauland für die Erstellung einer Strasse, Bestimmung der Enteignungsentschädigung. |
Umfang der Überprüfung eines angefochtenen Entscheides; Kognition des Bundesgerichtes bei der Überprüfung einer Enteignungsentschädigung (E. 2). |
Methoden zur Bestimmung der Enteignungsentschädigung; Vorrang der Vergleichsmethode (statistische Methode; E. 3a). |
Besteht eine bestimmte Wohnzone nur aus einer kleinen Anzahl Grundstücke, können für die Festsetzung der Enteignungsentschädigung Vergleichspreise herangezogen werden, welche für Parzellen in anderen Wohnzonen bezahlt werden; Ausgleich der unterschiedlichen (auch planerischen) Beschaffenheiten der in Betracht kommenden Liegenschaften durch Auf- und Abschläge (E. 3b). |
Blosse Offerten, Verhandlungspreise oder Verkaufspreise unter Miteigentümern des enteigneten Grundstücks stellen keine zu berücksichtigenden Vergleichspreise dar, wenn sie wesentlich vom Ansprecher der Enteignungsentschädigung mitbestimmt worden sind (E. 3c). |
Bei einer Teilenteignung (Enteignung von Vorgartenland) kann vom Verkehrswert ein Abzug gemacht werden, wenn auf dem Restgrundstück die gleiche bauliche Nutzung möglich ist, wie sie vor der Enteignung für die ganze Parzelle galt (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Am 4. Juli 1968 setzte die Feuerschaugemeinde für beide Bauetappen die perimeterpflichtigen Grundstücke sowie die Perimeterquoten und für die 1. Bauetappe die Bodenabtretungen fest. Der entsprechende Strassenabschnitt wurde 1974 fertiggestellt und "St. Antonstrasse" benannt. Für die 2. Bauetappe nahmen die Stimmberechtigten am 5. Mai 1985 einen Kredit von Fr. 455'000.-- an. Die St. Antonstrasse soll aber ihren Charakter als Erschliessungsstrasse verlieren, vom Bezirk Appenzell übernommen und zu einer Bezirksstrasse mit Entlastungsfunktion umklassiert werden.
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Zwischen dem 14./15. März und dem 5. April 1986 legte die Feuerschaugemeinde Appenzell, welche vom Bezirk mit dem Strassenbau beauftragt worden war, ein Projekt für die 2. Etappe öffentlich auf. Danach ist vorgesehen, für den Strassenbau ab der 6'622 m2 grossen Parzelle Nr. 1715 ca. 1'080 m2 Land zu einem vom Bezirk veranschlagten Preis von ca. 65.-/m2 zu beanspruchen; die damaligen Grundeigentümer erhoben gegen den Strassenplan keine Einsprache.
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Ende der achtziger Jahre wurden Planungsarbeiten für eine Überbauung der Liegenschaft mit drei Mehrfamilienhäuser eingeleitet. Im Laufe des Jahres 1991 begann die Feuerschaugemeinde mit dem Bau der 2. Etappe der St. Antonstrasse. Sie ist heute fertiggestellt. Ebenfalls vorangetrieben wurde das Projekt für die Überbauung des Grundstückes Nr. 1715. Am 13. April 1992 legte der Geometer mittels einer Mutationsurkunde die für die 2. Etappe der St. Antonstrasse definitiv abzutretende Bodenfläche ab der Liegenschaft Nr. 1715 mit 1'044 m2 fest, und am 26. Mai 1992 erliess die Feuerschaugemeinde den Quartierplan "St. Anton" (genehmigt am 9. Juni 1992). Bereits am ![]() | 4 |
Eduard Rüsch und der Bezirk Appenzell konnten sich über die Enteignungsentschädigung nicht einigen. Noch während des Verfahrens vor der kantonalen Schätzungskommission verkaufte Eduard Rüsch die Parzelle Nr. 1715 an die Wohnbaugenossenschaft "Säge". Im Kaufvertrag vereinbarten die Parteien, dass eine allfällige Enteignungsentschädigung dem Verkäufer zukommen solle. Mit Entscheid vom 19. Dezember 1994 setzte die Schätzungskommission die Entschädigung für die Abtretung von 1'044 m2 Land ab der Parzelle Nr. 1715 auf Fr. 165.--/m2 fest. Dagegen rekurrierten Eduard Rüsch und die Wohnbaugenossenschaft "Säge" an das Kantonsgericht Appenzell I.Rh. Dieses wies den Rekurs am 9. Mai 1995 ab.
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Gegen das Urteil des Kantonsgerichtes führen Eduard Rüsch und die Wohnbaugenossenschaft "Säge" am 22. September 1995 staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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Ob unter diesen Umständen auch die Wohnbaugenossenschaft "Säge" als Grundeigentümerin zur staatsrechtlichen Beschwerde befugt ist, mag offenbleiben, weil auf die im übrigen frist- und formgerecht erhobene ![]() | 8 |
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Die Beschwerdeführer machen geltend, das Kantonsgericht hätte für die Bemessung der Enteignungsentschädigung anstelle der Methode der Rückwärtsrechnung die statistische Methode anwenden müssen. Für den Fall, dass trotzdem Raum für die Rückwärtsrechnung bestehe, wird vorgebracht, das Kantonsgericht habe der Berechnung unrealistische Hypothesen zugrunde gelegt, was zu einem zu tiefen Verkehrswert geführt habe. Schliesslich wird sowohl in methodischer als auch in quantitativer Hinsicht kritisiert, dass das Kantonsgericht vom errechneten Rohbaulandwert einen Abzug von 50% gemacht hat.
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b) Neben den Einwendungen der Beschwerdeführer wirft die vorliegende Sache weitere Fragen auf. Sie betreffen primär die Abwicklung des Strassenplanungs- und des Enteignungsverfahrens, aber auch das Verhältnis der Quartierplanung von 1967/68 zur Planung der 2. Bauetappe der St. Antonstrasse und die Auswirkungen auf die Enteignung bzw. Enteignungsentschädigung. Wie es sich mit diesen Fragen im einzelnen verhält, ist jedoch unter Vorbehalt der folgenden Ausführungen nicht weiter zu prüfen. Bei einer staatsrechtlichen Beschwerde, welche der Überprüfung eines kantonalen Hoheitsaktes lediglich auf seine Verfassungsmässigkeit hin dient, ist der Streitgegenstand zum vornherein eng begrenzt. So prüft das Bundesgericht nur Rügen, welche in der Beschwerdeschrift gemäss Art. 90 ![]() | 11 |
c) Aus diesen Grundsätzen folgt, dass hier - ausgehend von den unbestrittenen Feststellungen, Annahmen und Erwägungen des Kantonsgerichtes - lediglich zu beurteilen ist, ob dieses die für die Ermittlung und Bemessung der Entschädigung zutreffenden Methoden herangezogen und im konkreten Fall verfassungskonform angewendet hat. Dabei steht dem Bundesgericht freie Prüfung zu, soweit es darum geht, ob die Entschädigung bzw. ihre Höhe methodisch richtig ermittelt und insoweit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf volle Entschädigung (Art. 22ter Abs. 3 BV) hinreichend Rechnung getragen worden ist. Soweit sich die Kritik hingegen auf die bei der Anwendung dieser Methoden getroffenen tatsächlichen Feststellungen oder Annahmen bezieht, ist das angefochtene Urteil lediglich unter Willkürgesichtspunkten zu überprüfen (in BGE 104 Ia 470 nicht publ. E. 3a; BGE 93 I 130 E. 4). Insoweit fällt die Rüge der Verletzung des Willkürverbotes (Art. 4 BV) mit dem Einwand zusammen, Art. 22ter BV sei verletzt.
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b) Nach Ansicht des Kantonsgerichtes ist es hier unmöglich, die Entschädigung nach der statistischen Methode festzulegen, weil nur unzulängliches Vergleichsmaterial vorliege. So hätten - wie gesagt - im Bereich der Wohnzone W3 mit Ausnahme der streitbetroffenen Parzelle seit längerem keine Handänderungen von unüberbauten Liegenschaften mehr stattgefunden, und andere mit dem enteigneten Grundstück vergleichbare Liegenschaften fehlten.
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aa) Wie dem Zonenplan der Feuerschaugemeinde Appenzell vom 1. April 1981/9. März 1982 zu entnehmen ist, umfasst die Wohnzone W3 lediglich ein relativ begrenztes Gebiet im Ortsteil "St. Anton". Die letzte noch unüberbaute Liegenschaft ist oder war die Parzelle Nr. 1715, wie sich aus dem Quartierplan "St. Anton" von 1992 ergibt (danach ist die nördlich benachbarte, gemäss Zonenplan noch freie Parzelle Nr. 1413 heute überbaut). Es erstaunt daher nicht, dass sich in den Akten des Grundbuchamtes für unüberbaute Parzellen in der Wohnzone W3 keine Vergleichspreise finden liessen. Allein deswegen die statistische Methode zu verwerfen, geht jedoch nicht an, wie die Beschwerdeführer mit Recht bemerken.
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bb) Wie sich aus der dargelegten bundesgerichtlichen Praxis ergibt, müssen der statistischen Methode nicht zwingend Handänderungspreise für Grundstücke gleicher Art in der gleichen Zone zugrunde gelegt werden. Es muss sich lediglich um Vergleichspreise für Objekte ähnlicher Beschaffenheit handeln, wobei an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen; Identität in bezug auf Lage (im gleichen Quartier), Grösse, Erschliessungsgrad und Ausnützungsmöglichkeit ![]() | 17 |
Das Kantonsgericht hat mit der Feststellung, es fehle an anderen mit der Parzelle Nr. 1715 vergleichbaren Grundstücken, ein solches Vorgehen abgelehnt. Im angefochtenen Entscheid hat es jedoch nicht dargelegt, auf welche Sachverhaltsabklärungen es sich dabei genau gestützt hat. Sodann geht aus dem Urteil nicht zweifelsfrei hervor, ob sich die Aussage des Kantonsgerichtes auch auf Parzellen in einer anderen Bauzone als der Wohnzone W3 bezieht. Es steht somit nicht abschliessend fest, ob Vergleichspreise vorhanden sind, und es kann daher nicht überprüft werden, ob den Beschwerdeführern volle Entschädigung im Sinne von Art. 22ter Abs. 3 BV zugesprochen worden ist. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich daher insoweit als begründet.
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cc) Bedenken am Vorgehen der kantonalen Instanzen ergeben sich auch hinsichtlich der Art, wie sie die ihrer Ansicht nach hier sachgerechte Methode der Rückwärtsrechnung angewendet haben. Die vom Kantonsgericht geschützte Berechnung der Schätzungskommission lässt vermuten, dass die Kommission in die Rückwärtsrechnung Elemente der Lageklassenmethode hat einfliessen lassen, hat sie doch unter anderem bei der Bestimmung des Landwertes einen Lageklassefaktor veranschlagt, welcher der Rückwärtsrechnung an sich fremd ist. Die beiden Berechnungsmethoden, welche nur zu Kontrollzwecken oder allenfalls dann anzuwenden sind, wenn die statistische Methode zu keinem eindeutigen Resultat führt, sind jedoch auseinanderzuhalten (zu den beiden Methoden im einzelnen: WOLFGANG NAEGELI/KURT J. HUNGERBÜHLER, Handbuch des Liegenschaftsschätzers, 3. Aufl., Zürich 1988, S. 38 ff. und 43 ff.).
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c) Dass die Beschwerde im genannten Punkt begründet ist, gilt unbekümmert des Umstandes, dass das Kantonsgericht die von den Beschwerdeführern ins Feld geführten, auf die Parzelle Nr. 1715 bezogenen Handänderungswerte unberücksichtigt lassen durfte. Entgegen der Auffassung der ![]() | 20 |
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a) Das Kantonsgericht hat wie die Schätzungskommission unter Hinweis auf die Grundsätze zur Entschädigung von Vorgartenland einen solchen Abzug veranschlagt. Es war der Auffassung, die Teilenteignung habe nur eine kleine Werteinbusse zur Folge, da mit dem Quartierplan "St. Anton" eine erhöhte Ausnützung des Restgrundstückes zugestanden worden sei.
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Die Beschwerdeführer bestreiten die Berechtigung dieses Abzuges. Soweit sie zunächst geltend machen, die Enteignerin habe sich nicht auf eine solche Entschädigungsreduktion berufen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass der Bezirk Appenzell bisher eine Entschädigung für angemessen hielt, die mit Fr. 65.--/m2 wesentlich unter dem zugesprochenen Quadratmeterpreis liegt. Vor Kantonsgericht hat der Bezirk zudem die Berechnung der Entschädigung durch die Schätzungskommission mit dem umstrittenen Abzug ausdrücklich anerkannt (Schreiben an das Kantonsgericht vom 3. Februar 1995).
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b) Ob der enteignete Landstreifen - wie das Kantonsgericht meint - Vorgartenland darstellt, als welches ein mit einem Bauverbot belegter Landstreifen zwischen Strasse und Baulinie bezeichnet wird (BGE 105 Ib 327 E. 1c; Urteil des Bundesgerichtes vom 27. Februar 1974, E. 1d-f, in ZBl. ![]() | 24 |
aa) Die Beschwerdeführer machen geltend, die kantonale Baugesetzgebung sehe entgegen der Auffassung des Kantonsgerichtes nicht vor, dass die Ausnützungsziffer als Entschädigung für eine Teilenteignung erhöht und der Verkehrswert des zu entschädigenden Landes dementsprechend reduziert werden dürfe.
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Diese Kritik ist im Lichte des Grundsatzes zu beurteilen, wonach dem Enteigneten volle Entschädigung geschuldet ist (Art. 22ter Abs. 3 BV). Dieser soll bei einer Enteignung keinen Verlust erleiden, aber auch keinen Gewinn erzielen; wirtschaftlich ist der Enteignete gleich zu stellen wie ohne Landabtretung (Urteil des Bundesgerichtes vom 27. Februar 1974, E. 1e, in ZBl. 76/1975 S. 99; BGE 93 I 554 E. 3). Bei einer Teilenteignung, wie sie hier zur Diskussion steht, kann die Festsetzung des Bodenwertes zudem nicht losgelöst von der Frage erfolgen, ob das Restgrundstück durch die Abtretung einen Minderwert erfahren habe (Art. 10 Abs. 1 lit. b des kantonalen Gesetzes über die Enteignung [kEntG]) oder ob dem Enteigneten weitere nach Art. 10 Abs. 1 lit. c kEntG zu entschädigende Nachteile entstanden seien (BGE 105 Ib 327 E. 1c).
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bb) Das Kantonsgericht ist wie gesagt davon ausgegangen, dass den Beschwerdeführern trotz der Teilenteignung insofern kein Nachteil entstanden sei, als der ursprüngliche wirtschaftliche Wert der Liegenschaft durch eine Erhöhung der Ausnützungsziffer der Restparzelle wieder hergestellt worden sei. Ohne dies ausdrücklich zu erklären, hat es die Erhöhung der Ausnützungsziffer als Sachleistung betrachtet, welche neben der finanziellen Abgeltung die Interessen der Enteigneten im Sinne von Art. 9 Abs. 3 und 4 kEntG ausreichend wahre (zur Leistung von Naturalersatz: PETER WIEDERKEHR, Die Expropriationsentschädigung, Diss. Zürich 1966, S. 179 ff., insbesondere auch S. 186 f.).
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cc) Diese Betrachtungsweise verletzt die Eigentumsgarantie nicht. Die Planungsgeschichte des Gebietes "St. Anton" seit Erlass des nur teilweise realisierten Quartierplans "Kaustrasse-Rinkenbach" im Jahre 1967/68 zeigt, dass trotz der Mitte der achtziger Jahre erfolgten Umklassierung der St. Antonstrasse von einer Erschliessungs- in eine Bezirksstrasse und dem neuen, räumlich auf eine Parzelle reduzierten Quartierplan "St. Anton" immer noch ein Zusammenhang zwischen dem Strassenbau und der Überbauung des angrenzenden Gebietes im Sinne eines bei umfangreichen Quartierplänen ![]() | 28 |
dd) Der dargestellte planerische Gesamtzusammenhang lässt sich anhand der Entwicklung der Ausnützungsmöglichkeiten der Parzelle Nr. 1715 belegen, die primär durch die Ausnützungsziffer (AZ) bestimmt werden und von welcher gemäss Art. 32 Abs. 2 des Baugesetzes vom 28. April 1985 (BauG) und Art. 38 der Verordnung zum Baugesetz vom 17. März 1986 (Bauverordnung, BauV) in Quartierplänen unter gewissen Voraussetzungen abgewichen werden kann. Auszugehen ist von der möglichen Ausnützung vor Erlass der Strassenpläne im Jahre 1986. Bei der damals geltenden Ausnützungsziffer (AZ) von 0,60 und der ursprünglichen Parzellengrösse von 6'622 m2 betrug die nutzbare Geschossfläche im Sinne von Art. 37 Abs. 1 und 2 BauV rund 3'974 m2.
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Der im März/April 1986 erlassene Strassenbauplan sah eine Abtretung von ca. 1'080 m2 Land vor. Bei einer AZ von 0,60 und einer reduzierten Grundstücksfläche von 5'542 m2 verminderte sich die nutzbare Geschossfläche auf 3'324 m2. Im April 1992 wurde die abzutretende Fläche definitiv auf 1'044 m2 festgelegt; bei der verbleibenden Grundstücksfläche von 5'578 ergibt sich eine nutzbare Geschossfläche von 3'347 m2. Die alsdann am 9. Juni 1992 von der Standeskommission genehmigte ursprüngliche Fassung des Quartierplanes "St. Anton" sah drei Baubereiche mit je 1'108 m2, total somit (wie nach Erlass des Strassenbauplanes) 3'324 m2 Bruttogeschossfläche vor; gerundet entspricht dies bei einer (reduzierten) Grundstücksfläche von 5'578 m2 der damals gesetzlich zulässigen AZ von 0,60.
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ee) Gegen die vorstehende Argumentation könnte eingewendet werden, Schuldner der Enteignungsentschädigung sei der Bezirk Appenzell, während die Quartierplanung bzw. die Ausnützung der Parzelle Nr. 1715 durch Anordnungen eines anderen Gemeinwesens, der Feuerschaugemeinde Appenzell, geregelt werde und daher im Enteignungsverfahren unbeachtlich sei. Eine solche, allein auf formalrechtlichen Unterscheidungen beruhende Betrachtung wird den planerischen Gegebenheiten, die durch sachlich zusammenhängende Hoheitsakte des Bezirkes und der Feuerschaugemeinde Appenzell geprägt sind, nicht gerecht. Überdies würde man der besonderen Struktur des Gemeindewesens in Appenzell ein Gewicht beimessen, das ihr im vorliegenden Fall nicht zukommt (zum Gemeindewesen im Kanton Appenzell I.Rh.: RICCARDO JAGMETTI, Die Stellung der Gemeinden, ZSR 91/1972 II S. 258 f. und 270). So ist zu beachten, dass im allgemeinen der Bezirk sowohl für die Ortsplanung als auch für das örtliche Strassenwesen zuständig ist (Art. 2 Abs. 3 BauG und Art. 38 ff. des Gesetzes über das Strassenwesen vom 24. April 1960 [StrG]). Nur in der Gemeinde Appenzell ist aus historischen Gründen die Ortsplanung der Feuerschaugemeinde als besonderem Gemeinwesen mit sachlich begrenzter Zuständigkeit übertragen (Art. 2 Abs. 4 BauG). Im Lichte von Art. 3 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700), wonach Wohn- und Arbeitsgebiete ![]() | 32 |
c) Es ergibt sich aus diesen Erwägungen, dass die Reduktion der Enteignungsentschädigung nicht gegen die Eigentumsgarantie verstösst. Es fragt sich somit, ob gleiches auch hinsichtlich der Höhe dieses Abzuges gilt. Dazu führte das Kantonsgericht aus, der enteignete Landstreifen sei insofern minderwertiger Boden, als dessen Beanspruchung für den Strassenbau nicht zu einer Beschränkung der baulichen Nutzung der Restparzelle geführt habe. Nach einem Entscheid des Zürcher Obergerichtes sei in der Regel bei einer Enteignung von Vorgartenland die Hälfte des Baulandpreises zu vergüten, während im Kanton St. Gallen Abzüge von 20-30% des Verkehrswertes gemacht würden. Hier rechtfertige sich mit Blick auf das wirtschaftliche Gesamtergebnis ein Abzug von 50%.
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Die Kritik der Beschwerdeführer an dieser Begründung ist wegen der nicht im Zusammenhang zitierten Zürcher Praxis, die auf ein Urteil aus dem Jahre 1910 zurückgeht, verständlich (vgl. den im angefochtenes Urteil enthaltenen Nachweis auf die ältere zürcherische Praxis in einem Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichtes in: MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. II, 6. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1986, S. 919). Dennoch ist der angefochtene Entscheid hinsichtlich der Höhe des Abzuges verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Bei noch nicht überbautem Bauland, dessen gesamthafte Ausnützung durch eine Teilenteignung nicht reduziert wird, kann das Mass des unter dem Titel "Vorgartenland" vorzunehmenden Abzuges vom zu entschädigenden Verkehrswert selten präzise bestimmt werden; vielmehr ist das Ausmass der Herabsetzung nach pflichtgemässem Ermessen festzulegen (in diesem Sinne BGE 105 Ib 327 E. 1c; 93 I 554 E. 3 sowie WIEDERKEHR, a.a.O., S. 72). Wird dieser den kantonalen Behörden zustehende Spielraum respektiert, so lässt sich der fragliche Abzug von 50% nicht nur mit Rücksicht auf alle genannten Umstände, sondern auch damit rechtfertigen, dass die Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert geltend machen, die Teilenteignung habe für sie spezifische nicht abgegoltene Nachteile zur Folge (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. c kEntG).
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