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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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41. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. November 1996 i.S. R. S. und C. S. gegen Regierungsrat des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Unentgeltliche Rechtspflege bzw. Verbeiständung im Verfahren der Verwaltungsbeschwerde. | |
Sachverhalt | |
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B.- Dagegen führte O. S., Vater der Kinder, am 31. Januar 1996 Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Luzern und beantragte die unentgeltliche Rechtspflege für dieses Verfahren. In ihrer Vernehmlassung vom 17. April 1996 ersuchten R. S. und C. S. um Abweisung der Beschwerde und reichten ihrerseits ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ein.
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Am 9. Juli 1996 wies der Regierungsrat des Kantons Luzern die Beschwerde ab und bestätigte die vom Justizdepartement bewilligte Namensänderung. Überdies gewährte der Rat O. S. die unentgeltliche Rechtspflege und bestellte ihm einen Rechtsbeistand, welchem er zu Lasten des Staates eine Vergütung ausrichtete. R. S. und C. S. sprach er eine Parteientschädigung zu Lasten von O. S. zu und wies ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung sinngemäss ab.
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C.- R. S. und C. S. haben am 11. September 1996 staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragen, den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Luzern vom 9. Juli 1996 aufzuheben, soweit ihnen die unentgeltliche Rechtspflege verweigert worden ist, und ihnen diese zu erteilen. Auch für das Verfahren vor Bundesgericht ersuchen sie um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ergibt sich, soweit das kantonale Recht keine weitergehenden Ansprüche gewährt, als Minimalgarantie direkt aus Art. 4 BV (BGE 121 I 60 E. 2a mit Hinweisen). Dies gilt insbesondere auch für das Verfahren der Verwaltungsbeschwerde (BGE 112 Ia 14 E. 3c). Art. 4 BV verschafft einer bedürftigen Partei in einem für sie nicht aussichtslosen Verfahren Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und auf Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, sofern sie eines solchen zur gehörigen Wahrung ihrer Interessen bedarf (BGE 119 Ia 251 E. 3; BGE 119 Ia 264 E. 3a mit Hinweisen; BGE 120 Ia 14 E. 3a; BGE 120 Ia 179 E. 3a).
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c) Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wie er sich unmittelbar aus Art. 4 BV ergibt, garantiert dem Bedürftigen indessen keine definitive Übernahme der Kosten durch den Staat. Gelangt die bedürftige Partei im Laufe des Verfahrens oder aufgrund des Prozessausgangs in den Besitz ausreichender Mittel, kann ihr die unentgeltliche Rechtspflege verweigert oder wieder entzogen werden. Auf Grund der Rechtswohltat ausbezahlte Beträge können ferner selbst nach Erledigung des Prozesses zurückverlangt werden, wenn sich die wirtschaftliche Situation des Begünstigten ausreichend verbessert hat (BGE 122 I 5 E. 4a mit Hinweisen). Art. 4 BV schliesst sodann nicht aus, dass die Partei, welcher die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden ist, im Falle des Unterliegens zur Bezahlung einer Parteientschädigung an die obsiegende Partei ![]() | 8 |
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Darauf kommt es jedoch vorliegend nicht an. Hier stellt sich vielmehr die Frage, ob aufgrund des verfassungsrechtlichen Minimalanspruchs von Art. 4 BV die Anwaltskosten derjenigen Partei, bei der die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege erfüllt sind, vom Staat übernommen werden müssen, sofern und soweit die zugesprochene Parteientschädigung sich nicht als einbringlich erweist. Dies ist zu bejahen.
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b) Wird der bedürftigen Partei ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt, übernimmt dieser eine staatliche Aufgabe und tritt zum Staat in ein Rechtsverhältnis, aufgrund dessen er einen öffentlichrechtlichen Anspruch auf Entschädigung im Rahmen der anwendbaren kantonalen Vorschriften hat (BGE 122 I 1 E. 3a; BGE 117 Ia 22 E. 4a mit Hinweisen). Der amtlich bestellte Rechtsbeistand darf sich von der verbeiständeten Partei nicht entschädigen lassen und ist insbesondere auch nicht befugt, sich eine zusätzliche Entschädigung zu derjenigen auszahlen zu lassen, welche er vom Staat erhält; eine Bezahlung durch die verbeiständete ![]() | 11 |
Sofern die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung gegeben sind, hat der Staat ab Einreichung des Gesuchs die Kosten der Verbeiständung zu übernehmen (BGE 122 I 203 E. 2). Er darf den Anspruch nicht erst auf den Zeitpunkt beziehen, in welchem dem Anwalt das öffentlichrechtliche Mandat verliehen wird (BGE 120 Ia 14 E. 3d). Die unentgeltliche Verbeiständung entfaltet dabei bereits Wirkung auf die Bemühungen des Anwalts für die gleichzeitig mit dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege eingereichte Rechtsschrift (BGE 120 Ia 14 E. 3f). Daher kann die unentgeltliche Verbeiständung in einem solchen Fall selbst dann, wenn keine weiteren Prozesshandlungen mehr erforderlich sind, nicht mit der Begründung abgelehnt werden, es bedürfe der Bestellung eines unentgeltlichen Vertreters nicht mehr, weil die Arbeit des Anwalts bereits geleistet sei.
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c) Nach dem unter E. 3b Gesagten kann das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung bei Obsiegen folgerichtig nur dann abgewiesen werden, wenn eine Parteientschädigung zugesprochen wird, die sich ihrerseits als einbringlich erweist. Nur wenn der Prozessgegner seiner Verpflichtung tatsächlich nachkommt, ist sichergestellt, dass die bedürftige Partei nicht durch eigene Anwaltskosten belastet wird. Ohne Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung bliebe der Anwalt nämlich befugt, sich durch die von ihm verbeiständete Partei bezahlt zu machen. Die Zusprechung einer Parteientschädigung, welche aufgrund der finanziellen Lage der verpflichteten Gegenpartei nicht erhältlich gemacht werden kann, entbindet deshalb die zuständige Behörde nicht davon, über das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung zu entscheiden.
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d) Art. 4 BV verlangt demnach im Ergebnis, dass der Anwalt einer unentgeltlich verbeiständeten Partei vom Staat entschädigt wird, wenn bei Obsiegen die kostenpflichtige Gegenpartei nicht mit Erfolg belangt werden kann. Entsprechend darf ein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung nicht schon deshalb abgewiesen werden, weil eine Parteientschädigung zu Lasten des Prozessgegners zugesprochen wird. Wie über das Gesuch zu entscheiden ist, hängt vielmehr davon ab, ob die Parteientschädigung vom Prozessgegner - allenfalls auf dem Wege der Zwangsvollstreckung - eingebracht werden ![]() | 14 |
e) Der Regierungsrat hat das Gesuch der Beschwerdeführer um unentgeltliche Verbeiständung sinngemäss abgewiesen, obwohl die Einbringlichkeit der zugesprochenen Parteientschädigung mehr als fraglich erscheint. Nicht nur ist dem Prozessgegner seinerseits die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden, was bereits als unsicher erscheinen lässt, dass die Parteientschädigung erhältlich gemacht werden kann. Hinzu kommt, dass der entschädigungspflichtige Prozessgegner der Beschwerdeführer offenbar eine mehrjährige Freiheitsstrafe zu verbüssen hat. Unter diesen Umständen hätte das Gesuch der Beschwerdeführer um unentgeltliche Verbeiständung aufgrund der zugesprochenen Parteientschädigung nicht abgewiesen werden dürfen.
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