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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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42. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. November 1996 i.S. Vinzenz von Tscharner gegen Einwohnergemeinde Muri und Verwaltungsgericht Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; Ansprüche aus öffentlichrechtlichem Vertrag. |
Kognition des Bundesgerichts (E. 3); |
Vorliegen einer vertraglichen Garantie der Gemeinde (E. 4)? |
Verletzung der allgemeinen Vertragspflicht zu loyalem Verhalten, insbesondere zur Abwendung von Schäden aller Art (E. 5)? |
Entschädigungsanspruch unmittelbar aus dem Vertrauensschutzprinzip gemäss Art. 4 BV? Soweit das Vertrauen in einem Vertragsverhältnis gründet, wird sein Schutz durch das Vertragsrecht gewährleistet; für einen direkten Rückgriff auf Art. 4 BV bleibt grundsätzlich kein Raum (E. 7c). Der Beschwerdeführer kann dagegen mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend machen, das kantonale Recht (einschliesslich der analog herangezogenen Bestimmungen des Bundeszivilrechts) oder dessen Handhabung trage den besonderen Verhältnissen des öffentlichrechtlichen Vertrags und dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz nicht hinreichend Rechnung (E. 7d). | |
Sachverhalt | |
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1978 beschloss das Gemeindeparlament von Muri, eine nördlich des Schlosses gelegene Fläche am Rain von der Bebauung freizuhalten sowie die schützenswerte Hecke auf dem "Lebhag-Streifen" zu erhalten. Es nahm zu diesem Zweck Verhandlungen mit Aloys von Tscharner auf, der auf einer vollen Entschädigung bestand. Nach zahlreichen Verhandlungen schloss Aloys von Tscharner am 10. November 1978 mit der Einwohnergemeinde Muri einen Kaufvorvertrag über den Verkauf der Rainliegenschaft sowie der Landflächen A und C für Fr. 760'200.-- ab. Der Abschluss des definitiven Kaufvertrags wurde u.a. von der Bedingung abhängig gemacht, dass die ebenfalls Aloys von Tscharner gehörenden, bisher als Grünfläche ausgewiesenen Landflächen B, D und E der Parzelle Nr. 425 im Rahmen der bevorstehenden Zonenplanänderung der Landhauszone zugewiesen würden, wobei die Landfläche D mit einem Bauverbot für nichtlandwirtschaftliche Bauten bis 31. Dezember 1987 als Dienstbarkeit zu belasten sei. Gleichentags unterzeichneten Aloys von Tscharner und die Einwohnergemeinde Muri eine "Erklärung" zur Ergänzung des Kaufvorvertrags. Danach ergibt sich der im Kaufvorvertrag vereinbarte Nettokaufpreis von ca. Fr. 760'200.-- aus dem Kaufpreis von Fr. 2'435'000.-- für die Landfläche C und die Liegenschaft Rain abzüglich Fr. 1'674'800.-- für die Aufwertung der Landflächen D und E infolge Einzonung.
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Nachdem die Zonenplanrevision von den Stimmbürgern Muris angenommen und von der Baudirektion des Kantons Bern genehmigt worden war, verkaufte Vinzenz von Tscharner als Rechtsnachfolger seines Vaters der Einwohnergemeinde Muri am 10. Mai 1982 in Erfüllung des Vorvertrages vom 10. November 1978 die im Rain gelegenen Parzellen. Als Kaufpreis wurden Fr. 810'020.-- festgesetzt ![]() | 3 |
Am 8. Juni 1986 nahmen die Stimmbürger Muris auf Empfehlung des Gemeindeparlaments die Initiative "Muri-Gümligen bleibt grün" an, welche die Auszonung von mindestens der Hälfte des mit Bausperrverträgen belegten Baulandes verlangte. Darüber hinaus legte die Baudirektion des Kantons Bern am 11. Juni 1986 in der Einwohnergemeinde Muri verschiedene Planungszonen zum Schutz des Kulturlandes auf, u.a. auch auf die zum Schlossgut Gümligen gehörende Parzelle Nr. 425 (einschliesslich Fläche D). In der Folge überarbeitete die Einwohnergemeinde Muri ihre Zonenordnung erneut: Die Bauzone wurde massiv reduziert und insgesamt 17,1 ha des Schlossgutgebiets, die bisher zum Baugebiet gehört hatten, der Landwirtschaftszone zugewiesen. Davon betroffen war auch die Fläche D, während die Landflächen B und E in der Bauzone verblieben. Die Zonenplanrevision wurde am 29. April 1990 von den Stimmbürgern beschlossen und am 9. November 1990 von der kantonalen Baudirektion genehmigt. Sämtliche Einsprachen und Rechtsmittel Vinzenz von Tscharners gegen die Zonenplanrevision blieben erfolglos; am 3. Februar 1994 wies das Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde ab, mit der sich Vinzenz von Tscharner gegen die Nichteinzonung der Fläche D gewandt hatte.
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Am 11. Juli 1994 erhob Vinzenz von Tscharner Klage beim Regierungsstatthalter des Amtsbezirks Bern mit dem Rechtsbegehren, die Einwohnergemeinde Muri sei zu verurteilen, ihm einen gerichtlich zu bestimmenden Betrag nebst 5% Zins zu bezahlen. Er stützte seine Forderungen auf die Verträge, die er und sein Vater in den Jahren 1978, 1979 und 1982 mit der Einwohnergemeinde Muri abgeschlossen hatten. Der Regierungsstatthalter beschränkte das Verfahren auf die Frage, ob dem Kläger aus dem Kaufvorvertrag und der Erklärung vom 10. November 1978, dem Kaufrechtsvertrag vom 17. August 1979 und dem Kaufvertrag vom 10. Mai 1982 dem Grundsatz nach ein Schadenersatzanspruch zustehe. Die Klage wurde mit Urteil vom 24. Mai 1995 in diesem Sinne gutgeheissen.
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Das Bundesgericht hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen und diese abgewiesen, soweit es darauf eintrat.
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Aus den Erwägungen: | |
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aa) Im vorliegenden Fall macht der Beschwerdeführer einen Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung bzw. nicht gehöriger Erfüllung der mit der Gemeinde Muri 1978-1982 geschlossenen öffentlichrechtlichen Verträge geltend. Er stützt sich somit auf Vereinbarungen, bei denen sich Gemeinwesen und Bürger als gleichberechtigte Vertragsparteien gegenüberstehen, und nicht auf eine einseitige, auf hoheitlicher Gewalt beruhende Verfügung der Gemeinde. Die Rechtsmittelentscheide des Regierungsstatthalters und des Verwaltungsgerichts ergingen im Klage- und im Appellationsverfahren und nicht im Beschwerdeverfahren, d.h. es handelt sich nicht um Beschwerdeentscheide im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VwVG, die einer Verfügung gleichgestellt sind.
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bb) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers gehören auch die von ihm angerufenen, sinngemäss anwendbaren Bestimmungen von OR und ZGB nicht zum öffentlichen Recht des Bundes im Sinne von Art. 5 VwVG: Die Verträge, auf die der Beschwerdeführer seine Ansprüche gründet, sind - davon gehen alle Beteiligten ![]() | 10 |
b) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wäre daher allenfalls gestützt auf Art. 34 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG; SR 700) zulässig, wenn der Beschwerdeführer einen Entschädigungsanspruch wegen materieller Enteignung im Zusammenhang mit der Zonenplanrevision 1990 (E. 1b/aa) oder der Revision von 1980 (E. 1b/bb) geltend machen würde.
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aa) Im kantonalen Verfahren hat der Beschwerdeführer ausschliesslich vertragliche Ansprüche erhoben und sich die Geltendmachung weiterer Ansprüche unter dem Titel der materiellen Enteignung ausdrücklich vorbehalten. Demzufolge beschränkte sich der Streitgegenstand sowohl vor dem Regierungsstatthalter als auch vor Verwaltungsgericht auf die Frage, ob dem Kläger ein Schadenersatzanspruch aus Vertrag zustehe; die Frage einer Entschädigung wegen materieller Enteignung - für die übrigens erstinstanzlich nicht der Regierungsstatthalter, sondern die Schätzungskommission zuständig gewesen wäre (vgl. Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 47 des Berner Gesetzes über die Enteignung vom 3. Oktober 1965) - wurde nicht behandelt und kann damit auch nicht Gegenstand der Beschwerde ans Bundesgericht sein.
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bb) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann auch nicht mit der Begründung zugelassen werden, es handle sich bei den Verträgen, auf die der Beschwerdeführer seine Ansprüche stützt, um Enteignungsverträge, d.h. um vertragliche Einigungen im Zusammenhang mit einer durch die Zonenplanrevision 1980 ausgelösten materiellen Enteignung:
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Die grundsätzliche Einigung zwischen den Parteien erfolgte bereits im Kaufvorvertrag vom 10. November 1978, d.h. vor der Zonenplanrevision. Auch wenn die Gemeinde mit dem Kauf raumplanerische Motive verfolgte, handelte es sich doch um einen Kaufvertrag (bzw. Kaufvorvertrag), d.h. die Gemeinde erwarb die Grundstücke zu freier Verfügung, so dass sich die Frage einer Entschädigung wegen einer Eigentumsbeschränkung i.S.v. Art. 34 ![]() | 14 |
c) Nach dem Gesagten ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde weder nach Art. 97 OG noch nach Art. 34 RPG zulässig. Es ist daher zu prüfen, ob die Beschwerde als staatsrechtliche Beschwerde an die Hand zu nehmen ist.
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aa) Der Entscheid des Verwaltungsgerichts stellt einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid dar, der Anfechtungsgegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde sein kann, auch wenn er vertragliche und somit nicht hoheitlich begründete Ansprüche zum Gegenstand hat (vgl. WALTER KÄLIN, Staatsrechtliche Beschwerde, 2. Auflage, S. 119).
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bb)-cc) (Prüfung weiterer Voraussetzungen der staatsrechtlichen Beschwerde)
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d) Im Ergebnis ist deshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als staatsrechtliche Beschwerde entgegenzunehmen, soweit sie den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG entspricht und die Aufhebung des angefochtenen Entscheids beantragt.
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a) Im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht, ob der angefochtene kantonale Entscheid verfassungsmässige Rechte des Beschwerdeführers verletzt (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Es kann daher die Anwendung einfachen kantonalen Rechts - zu dem auch das Recht des öffentlichrechtlichen Vertrags gehört (vgl. oben, E. 1a/bb) - nur unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel betrachten und insbesondere prüfen, ob die kantonalen Instanzen das Verbot willkürlicher Rechtsanwendung oder den Verfassungsgrundsatz von Treu und Glauben verletzt haben. Dabei ist zu beachten, ![]() | 20 |
b) Auch wenn sich verfassungsrechtliche Fragen stellen, können diese nur aufgrund einer rechtsgenügend begründeten Rüge geprüft werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; vgl. oben, E. 1c/bb). Diesem Erfordernis genügt die Beschwerdeschrift in weiten Teilen nicht (vgl. unten, E. 5c, 7d).
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c) Schliesslich sind der rechtskräftige Entscheid des Regierungsrats des Kantons Bern vom 16. Dezember 1992 und das Urteil des Bundesgerichts vom 3. Februar 1994 zu beachten; auf die darin entschiedenen Fragen kann im vorliegenden Verfahren nicht zurückgekommen werden.
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b) Das Verwaltungsgericht prüfte daher, ob die Gemeinde zumindest eine "Wertgarantie" über den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hinaus übernommen habe, d.h. ob sie sich verpflichtet habe, den Beschwerdeführer bei einer erneuten Änderung der Zonenordnung anderweitig zu entschädigen. Es gelangte zum Ergebnis, eine solche Wertgarantie lasse sich weder aus dem Wortlaut des Kaufvertrags vom 10. Mai 1982 noch aus den Umständen des Vertragsabschlusses ableiten: Das Verhalten der ![]() | 24 |
c) Der Beschwerdeführer hält diese Vertragsauslegung für tatsachenwidrig und willkürlich. Er weist darauf hin, dass die Einzonung der Fläche D zwar nicht im Kaufvertrag vom 10. Mai 1982, wohl aber im Vorvertrag und der ergänzenden Erklärung vom 10. November 1978 erwähnt wurde. Aloys von Tscharner habe von Anfang an klargemacht, dass er dem Geschäft nur gegen volle Entschädigung zustimmen werde; Ziel der geschlossenen Verträge sei es gewesen, ihm einen vollen Wertausgleich zu verschaffen.
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d) Die Gemeinde bestreitet in ihrer Vernehmlassung nicht, dass die Vertragsparteien damals einen vollen Wertausgleich anstrebten; sie ist jedoch der Auffassung, dieser Wertausgleich sei am 10. Mai 1982 erfolgt. Zwar seien beide Parteien damals davon ausgegangen, dass die mit den Neueinzonungen geschaffene Überbauungsmöglichkeit später realisiert werden könne; das ändere aber nichts an der Tatsache, dass die Gemeinde ihre Gegenleistung mängelfrei erbracht habe, ohne hierfür eine Wertgarantie für die Zukunft zu übernehmen. Mangels einer entsprechenden Zusage liege das Risiko, den mit den Einzonungen verbundenen Planungsgewinn aus von der Gemeinde nicht zu vertretenden Gründen dereinst nicht realisieren zu können, beim Beschwerdeführer.
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e) Öffentlichrechtliche Verträge sind grundsätzlich gleich wie privatrechtliche nach den Regeln von Treu und Glauben (Vertrauensprinzip) auszulegen. Das bedeutet, dass einer Willensäusserung der Sinn zu geben ist, den ihr der Empfänger aufgrund der Umstände, die ihm im Zeitpunkt des Empfangs bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in guten Treuen beilegen durfte und beilegen musste. Bei der Auslegung öffentlichrechtlicher Verträge ist freilich besonders zu beachten, dass die Verwaltung beim Abschluss solcher Verträge dem öffentlichen Interesse Rechnung zu tragen hat. In Zweifelsfällen ist deshalb zu vermuten, dass sie keinen Vertrag abschliessen wollte, der mit den von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Interessen in Widerspruch steht, und dass sich der Vertragspartner hierüber Rechenschaft gab (BGE 93 I 506 E. 3 S. 511 mit Hinweisen; Entscheid vom 11. Juli 1988 in Sachen SBB, ZBl 90/1989 S. 83 ff. E. 3a). Indessen wäre es verfehlt, in allen Fällen ![]() | 27 |
f) Ziff. III. des Vorvertrages vom 10. November 1978 trägt die Überschrift "Vertragsbedingungen" und lautet:
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"Der Abschluss des endgültigen Kaufvertrages wird von folgenden Bedingungen abhängig gemacht:
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1. Einzonung
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Es ist beabsichtigt, den für die Gemeinde Muri b. Bern geltenden Zonenplan in nächster Zeit abzuändern und im Rahmen dieser Zonenplanänderung die im Situationsplan Nr. 6 eingezeichneten Landflächen B, D und E einzuzonen und der Zone WL (Landhauszone) zuzuordnen. Gleichzeitig ist die Landfläche D mit einem Bauverbot für nichtlandwirtschaftliche Bauten bis 31.12.1987 als Dienstbarkeit zu belasten. Die Annahme des in diesem Sinne revidierten Zonenplanes durch die Stimmbürger der Gemeinde Muri b. Bern sowie die Genehmigung durch die Baudirektion des Kantons Bern ist eine vorbehaltene Bedingung für den Abschluss des definitiven Kaufvertrages.
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2. Vermessung und Vermarchung der Vertragsobjekte
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[...]
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3. Erschliessung des Baulandes des Verkäufers
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[...]
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Sobald die vorstehenden Bedingungen erfüllt sind, verpflichten sich die Parteien gegenseitig, innert 30 Tagen unwiderruflich zum definitiven Vertragsschluss Hand zu bieten.
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Sollte die in Ziff. 1 und 3 hievor erwähnten Bedingungen nicht eintreten, fällt der vorstehende Kaufvorvertrag ohne weiteres dahin, und die Parteien treten über eine eventuelle teilweise Erfüllung des Vertrages in neue Verhandlungen."
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Die Einzonung stellte somit keine vertragliche Gegenleistung der Gemeinde dar, sondern eine Bedingung für den Abschluss des Kaufvertrages, d.h. ein objektiv ungewisses zukünftiges Ereignis, von dem nach dem Parteiwillen die Verbindlichkeit des Vertrages abhängt (vgl. PETER GAUCH/WALTER R. SCHLUEP, Schweizerisches ![]() | 38 |
Eine Garantie der Gemeinde liesse sich daher allenfalls aus der Bauverbotsvereinbarung bis zum 31. Dezember 1987 ableiten, wenn diese als stillschweigende Zusicherung der Gemeinde zu verstehen wäre, der Beschwerdeführer könne noch eine gewisse Zeit nach diesem Termin von der Einzonung der Fläche D profitieren - sei es durch die Realisierung von Bauprojekten auf dieser Fläche, sei es durch ihren Verkauf zu Baulandpreisen - andernfalls sie schadenersatzpflichtig werde. Es ist unstreitig, dass sowohl die Gemeinde als auch der Beschwerdeführer bei Abschluss des Kaufvertrages und Errichtung der Dienstbarkeit davon ausgingen, der gerade erst geänderte Zonenplan der Gemeinde Muri werde über das Jahr 1987 hinaus Bestand haben. Eine andere Frage ist jedoch, ob sich dem Vertrag eine entsprechende Garantie entnehmen lässt, d.h. die Gemeinde sich verpflichten wollte, den Beschwerdeführer bei einer vorher notwendig werdenden Planänderung zu entschädigen. Im Vertragswortlaut gibt es wie gesagt keinerlei Anhaltspunkt für eine derartige Risikoübernahme des Gemeinwesens. Hinzu kommt, dass die Gemeindeverwaltung Muri in den Vertragsverhandlungen mit Aloys von Tscharner von Anfang an klargestellt hatte, dass sie nicht bereit und in der Lage sei, den gemeinsam auf Fr. 2'435'000.-- veranschlagten Wert der Grundstücke in bar zu entrichten. Es erscheint daher fraglich, ob der Beschwerdeführer die Mitwirkung der Gemeinde an der Dienstbarkeitserrichtung in guten Treuen dahin verstehen durfte, die ![]() | 39 |
Nach dem Gesagten kann die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es liege keine vertragliche Wertgarantie der Gemeinde vor, jedenfalls nicht als willkürlich betrachtet werden.
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Die Einwohnergemeinde Muri sei gemäss Art. 15 RPG verpflichtet gewesen, ihre Baugebietsabgrenzung grundlegend zu überarbeiten und dabei grossflächig Bauland umzuzonen. Die Fläche D sei Teil einer zusammenhängenden, nicht überbauten Fläche von 17,1 ha im Schlossgutgebiet gewesen; das Gebiet sei nicht erschlossen und für die landwirtschaftliche Nutzung geeignet gewesen. Auch alle übrigen vergleichbaren Flächen seien - mit wenigen, durch planerische Notwendigkeiten gerechtfertigten Ausnahmen - keiner Bauzone mehr zugewiesen worden. Zudem hätten planerische Gründe gegen eine Einzonung der Fläche D gesprochen: Diese hätte den Ortsbildschutz des Gebiets Schlosspark erheblich beeinträchtigt und den Siedlungsrand weiter aufgelöst. Die Landfläche D befinde sich in einer peripheren Lage zum übrigen Baugebiet; die Überbauung würde dem Landwirtschaftsbetrieb eine Hektare bestes Kulturland wegnehmen und die Arbeitsabläufe vom Betriebszentrum aus erschweren; schliesslich sei das Terrain auch durch Immissionen aus dem Landwirtschaftsbetrieb belastet. Aus allen diesen Gründen habe die Gemeinde hinsichtlich der Zuordnung des Parzellenteils D keine Wahl zwischen der Zuweisung zum Baugebiet und der Freihaltung gehabt, sondern habe das Terrain dem Nichtbaugebiet zuweisen müssen.
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c) Soweit der Beschwerdeführer der Auffassung ist, die kantonalen Instanzen hätten die Belassung der Fläche D in der Bauzone aufgrund seiner vertraglichen Vereinbarungen mit der Gemeinde genehmigen müssen, ist auf die rechtskräftigen Entscheide des Regierungsrats und des Bundesgerichts vom 16. Dezember 1992 und vom 3. Februar 1994 zu verweisen, wonach dem Beschwerdeführer weder aus Vertrag noch aus Treu und Glauben ein Anspruch auf Einzonung des Parzellenteils D zustand. Es ist fraglich, ob die übrigen vom Beschwerdeführer vorgebrachten - sehr allgemein gehaltenen - Argumente den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügen; jedenfalls vermögen sie die sorgfältigen und überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Notwendigkeit, die Fläche D der Nichtbauzone zuzuteilen, nicht in Frage zu stellen.
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d) Allerdings könnte man sich fragen, ob die Prämisse des Verwaltungsgerichts richtig ist, wonach die Gemeinde nur haftet, wenn ihr eine Handlungsalternative verblieb, d.h. wenn sie die Fläche D ohne Verstoss gegen höherrangiges Recht in der Bauzone hätte belassen können. In der Literatur wird ein Schadenersatzanspruch gegen den sich vertragswidrig verhaltenden Staat auch dann für möglich gehalten, wenn ein Erfüllungsanspruch an übergeordneten Interessen des Gemeinwesens scheitert, d.h. auch bei amtspflichtgemässem Verhalten (vgl. JOST GROSS, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, Bern 1995, S. 140 f.; BEATRICE WEBER-DÜRLER, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, Basel 1983, S. 227, allerdings unter Beschränkung auf den Vertrauensschaden). Die Frage braucht jedoch im vorliegenden Fall nicht beantwortet zu werden: Zum einen fehlt es an einer entsprechenden Rüge des Beschwerdeführers; zum anderen hat das Verwaltungsgericht jegliche Zusicherung oder Garantie des Gemeinwesens hinsichtlich der zeitlichen Beständigkeit der Einzonung des Parzellenteils D willkürfrei verneint (vgl. oben, ![]() | 45 |
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a) Soweit die Rechtsprechung einen Anspruch auf Ersatz eines Vertrauensschadens direkt aus Art. 4 BV ableitet, knüpft dieser regelmässig an Regelungen, Entscheide oder Zusicherungen an, auf die das Gemeinwesen aus einem überwiegenden öffentlichen Interesse zulässigerweise zurückkommt; dabei kann es sich rechtfertigen, gewisse durch den Betroffenen gestützt auf das vertrauensbegründende Verhalten vorgenommene Aufwendungen zu entschädigen (Bundesgerichtsurteil vom 30. Mai 1995 i.S. " Theatergenossenschaft Chur" publ. in ZBl 97/1996 91, E. 4a/aa). Handelt es sich bei der vom Bürger angerufenen Vertrauensgrundlage dagegen um einen öffentlichrechtlichen Vertrag, ist der Vertrauensschutz grundsätzlich durch die Bindung der Verwaltung an den Vertrag gewährleistet; nach herrschender Meinung begründet dieser wohlerworbene Rechte, die grundsätzlich gesetzesbeständig sind und nur auf dem Wege der Enteignung, d.h. gegen volle Entschädigung, an veränderte rechtliche Verhältnisse angepasst werden können (BGE 103 Ia 31 E. 2c S. 35 mit Hinweisen; RENÉ RHINOW, Wohlerworbene und vertragliche Rechte im öffentlichen Recht, ZBl 80/1979 S. 17; GEORG HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Zürich 1990, Rz. 909 S. 198; a.A. BEATRICE WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 226 f., wonach eine Interessenabwägung vorzunehmen und bei überwiegendem öffentlichen Interesse eine Vertragsaufhebung gegen Ersatz des Vertrauensschadens zulässig sei).
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b) Sofern das kantonale Recht keine besonderen Bestimmungen enthält, kommen im Falle von Vertragsverletzungen die Regeln des Obligationenrechts als Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze zur Anwendung (BGE 105 Ia 207 E. 2c S. 211 f.). Diese sehen - je ![]() | 49 |
c) Nach dem Gesagten ist der Vertrauensschutz beim öffentlichrechtlichen Vertrag grundsätzlich durch das Vertragsrecht gewährleistet. Dabei sind der Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Art. 2 ZGB und die daraus abgeleiteten Prinzipien von Bedeutung. Das Vertragsrecht sieht bei Vertragsverletzungen eine abschliessende Regelung vor. Soweit das Vertrauen in einem Vertragsverhältnis gründet, bleibt somit für einen direkten Rückgriff auf Art. 4 BV kein Raum. Dass vorliegend ausservertragliche Zusicherungen als Vertrauensgrundlage in Betracht fielen, ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht; er hat lediglich vertragliche Ansprüche erhoben bzw. die Versagung solcher Ansprüche in seiner staatsrechtlichen Beschwerde kritisiert. Unter diesen Umständen ist ein Entschädigungsanspruch aus Art. 4 BV nicht weiter zu prüfen.
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d) Allerdings müssen die kantonalen Bestimmungen über den öffentlichrechtlichen Vertrag dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzprinzip genügen und den besonderen Verhältnissen des öffentlichrechtlichen Vertrags Rechnung tragen, in denen eine Vertragspartei Träger hoheitlicher Gewalt und dem Gemeinwohl verpflichtet ist (JOST GROSS, a.a.O., S. 139 ff., 336 f.; vgl. auch oben, E. 5d). Der Beschwerdeführer kann daher mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend machen, das kantonale Recht (einschliesslich der analog herangezogenen zivilrechtlichen Bestimmungen) oder dessen Handhabung trage dieser besonderen Situation und zugleich dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz nicht hinreichend Rechnung.
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