![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
4. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. März 1997 i.S. R. D. gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 18 Abs. 1 der Verfassung vom 8. Juni 1986 des Kantons Solothurn (KV/SO); Anspruch auf richterliche Beurteilung im Kanton bei Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung? |
Art. 18 Abs. 1 KV/SO, wonach jeder "Anspruch auf Rechtsschutz" hat, garantiert nicht in allen Verwaltungsstreitsachen den Zugang zu einem Gericht (E. 2). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
D. R. gelangte hiergegen an den Regierungsrat des Kantons Solothurn. In verfahrensrechtlicher Hinsicht verlangte er gestützt auf Art. 18 der Kantonsverfassung (Verfassung vom 8. Juni 1986 des Kantons Solothurn, KV/SO; SR 131.221), dass der Fall durch ein solothurnisches Gericht beurteilt werde. Am 5. November 1996 wies der Regierungsrat die Beschwerde ab und verneinte einen Anspruch auf richterlichen Rechtsschutz: Gemäss § 50 Abs. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes vom 13. März 1977 sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen und Entscheide des Kantonsrats und des Regierungsrats grundsätzlich unzulässig. In Aufenthalts- und Niederlassungssachen schliesse § 50 Abs. 2 lit. c des Gerichtsorganisationsgesetzes die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausdrücklich aus. Der Anspruch auf Rechtsschutz gemäss Art. 18 KV/SO verpflichte nicht dazu, gegen die Verweigerung fremdenpolizeilicher Bewilligungen den Zugang zu einem Gericht vorzusehen.
| 2 |
Gegen diesen Entscheid hat D. R. staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er macht geltend, ihm sei das sich aus Art. 18 KV/SO ergebende verfassungsmässige Recht auf Beurteilung durch ein Gericht verweigert worden. Der Beschluss vom 5. November 1996 sei deshalb aufzuheben und die Angelegenheit zu neuer Beurteilung unter Wahrung der Verfahrensrechte an den Regierungsrat zurückzuweisen.
| 3 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus
| 4 |
folgenden Erwägungen: | |
1. Die Ehegatten D. R. wohnen nicht mehr zusammen, weshalb der Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung erloschen ist (Art. 17 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, ANAG; SR 142.20). Ohne einen solchen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen (Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG; BGE 122 II 385 E. 1a S. 388), und es fehlt dem Betroffenen in der Sache ein rechtlich geschütztes Interesse (Art. 88 OG), den entsprechenden Entscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbots (Art. 4 BV) anzufechten (BGE 121 I 267 E. 2 S. 269, mit Hinweis). Er kann jedoch die Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen, deren Missachtung ![]() | 5 |
6 | |
7 | |
aa) Unter den Begriff des Rechtsschutzes fällt in der schweizerischen Terminologie auch die verwaltungsinterne Rechtspflege, soweit sie nicht bloss Rechtsbehelf (beispielsweise Aufsichtsbeschwerde) ist, sondern als Rechtsmittel einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf geordnete Prüfung und Beurteilung des ins Recht gelegten Begehrens verschafft (vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 219; vgl. auch RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M. 1996, Rz. 25 ff.). Zu den Rechtsmitteln, welchen Rechtsschutzfunktion zukommt, gehört sowohl die Verwaltungsbeschwerde wie die Verwaltungsgerichtsbeschwerde (GYGI, a.a.O., S. 218; RHINOW/KOLLER/KISS, a.a.O., Rz. 1209 ff.). Nach KURT EICHENBERGER kann der schweizerische Rechtsschutz in Verwaltungssachen nur unter Einbezug der verwaltungsinternen Rechtspflege richtig verstanden werden (KURT EICHENBERGER, Die aargauische Verwaltungsgerichtsbarkeit im System der schweizerischen Verwaltungsrechtspflege, in Aargauische Rechtspflege im Gang der Zeit, Aarau 1969, S. 295). Auch der Autor, auf den sich der Beschwerdeführer beruft, spricht verschiedentlich von "richterlichem Rechtsschutz", wenn er den Zugang zu einem Gericht meint (so schon der Titel seines Werks). In bezug auf die Verfassung des Kantons Uri (SR 131.214), die in ihrem Art. 13 - gleichlautend wie die solothurnische - bestimmt, dass jeder "Anspruch auf Rechtsschutz" habe, räumt Kley-Struller ein, dass der Verfassungsrat an der damals noch fehlenden Verwaltungsgerichtsbarkeit nichts habe ändern wollen (Art. 6 EMRK als Rechtsschutzgarantie, S. 99 f. FN 4). Er anerkennt damit aber selber, dass der "Rechtsschutz" nicht bereits von der Sache her begriffsnotwendig ein richterlicher sein muss. Das Solothurner Gesetz vom 15. November 1970 über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen regelt neben der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch die verwaltungsinterne Rechtspflege. Es trifft somit offensichtlich weder für die schweizerische Literatur (vgl. auch CHRISTOPH ROHNER, Probleme des Rechtsschutzes, ZSR 107/1988 II 229; Rainer Schweizer, Auf dem Weg zu einem schweizerischen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht, ZBl 91/1990 S. 196) noch für den Sprachgebrauch des solothurnischen Gesetzgebers zu, dass Rechtsschutz Synonym für Gerichtsschutz wäre.
| 8 |
![]() | 9 |
cc) Etwas anderes ergibt sich - entgegen den Ausführungen von KLEY-STRULLER (Der richterliche Rechtsschutz, S. 101 FN 150) - auch nicht aus den Solothurner Verfassungsmaterialien. Wohl sah der Entwurf für eine neue Kantonsverfassung einen richterlichen Schutz aller Rechte und damit eine richterliche Rechtsschutzgarantie vor (Verhandlungen des Verfassungsrats des Kantons Solothurn 1981-1986, S. 513); nicht jedoch der verabschiedete Verfassungstext. Daraus, dass einmal von einem richterlichen Schutz aller Rechte die Rede war, kann nicht geschlossen werden, der schliesslich verwendete Begriff des "Rechtsschutzes" entspreche dieser Formulierung. Dem Protokoll des Verfassungsrats lassen sich für diese Behauptung keine Belege entnehmen. Im Gegenteil: In einer Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens hielt der Präsident des Verfassungsrats fest, für die Regierung und das ![]() | 10 |
dd) Es trifft schliesslich auch nicht zu, dass verwaltungsinterner Rechtsschutz nur theoretisch oder formal und jedenfalls nicht effektiv wäre, wie KLEY-STRULLER (Der richterliche Rechtsschutz, S. 101; Art. 6 EMRK als Rechtsschutzgarantie, S. 99) meint. Die Europäische Menschenrechtskonvention verlangt, dass für die Geltendmachung einer Konventionsverletzung eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz zur Verfügung steht (Art. 13 EMRK), was aber nicht gleichbedeutend ist mit gerichtlichem Rechtsschutz (FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., Kehl/Strassburg/Arlington 1996, N. 3 zu Art. 13, S. 428). Einen Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz sieht die Konvention für zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen sowie für strafrechtliche Anklagen (Art. 6 EMRK) und bei Freiheitsentzug (Art. 5 Ziff. 4 EMRK) vor. Diese differenzierte Ausgestaltung macht deutlich, dass auch der nichtgerichtliche Rechtsschutz für die Gewährleistung von Grundrechten effektiv sein kann. Es lässt sich deshalb nicht sagen, ein Rechtsmittel an eine kantonale Regierung sei lediglich formal und theoretisch.
| 11 |
![]() | 12 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |