BGE 123 I 87 - Bündner Notariatskommission | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
11. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. April 1997 i.S. B. gegen Notariatskommission Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Notariatsaufsicht. |
Die staatsrechtliche Beschwerde kann hier die Funktion einer gerichtlichen Beurteilung nicht übernehmen (E. 3). |
Anforderungen an ein "Gericht" im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Vorliegend nicht erfüllt (E. 4). |
Folgen der Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 5). | |
Sachverhalt | |
Dr. iur. B. erlangte 1989 das Bündner Notariatspatent und ist seither in Chur als Notar tätig. Mit Schreiben vom 18. März 1996 eröffnete ihm die Notariatskommission Graubünden, dass gegen ihn im Zusammenhang mit der Gründung zweier Gesellschaften der Verdacht der Verletzung von notariatsrechtlichen Amtspflichten bestehe und deshalb gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet werde. Nach verschiedenen Untersuchungshandlungen teilte die Notariatskommission am 25. Oktober 1996 B. mit, sie habe beschlossen, über alle Beurkundungsgeschäfte seit 15. Oktober 1991 eine Inspektion vorzunehmen. Diese Inspektion wurde durch das instruierende Mitglied der Notariatskommission, Notar Dr. Z., an mehreren Tagen im Laufe des Monats November 1996 durchgeführt. Am 27. November 1996 befragte Z. B. als Angeschuldigten. Im Anschluss an diese Einvernahme stellte B. mit Schreiben vom 2. Dezember 1996 mehrere Verfahrensanträge, unter anderem ein Ausstandsbegehren gegen die bisher an der Untersuchung mitwirkenden Mitglieder der Notariatskommission, gegen Notar H. und Notar Z., sowie eine Anzahl von Beweisanträgen.
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Mit Beschluss vom 20. Dezember 1996 wies die Notariatskommission die Ausstandsbegehren und Beweisanträge ab und entzog B. das Notariatspatent für die Dauer von zwei Jahren seit Publikation des Beschlusses im Kantonsamtsblatt.
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B. erhebt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Beschluss der Notariatskommission aufzuheben und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
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aus folgenden Erwägungen: | |
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a) Der - wenn auch befristete - disziplinarische Entzug der Bewilligung zur Ausübung eines freien Berufes stellt eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK dar (Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Le Compte et al vom 23. Juni 1981, Série A Nr. 43, § 48 f.; Albert und Le Compte vom 10. Februar 1983, Série A Nr. 58, § 28 f.; Diennet vom 26. September 1995, Série A Nr. 325-A, § 27; BGE 122 II 464 E. 3b S. 467; BGE 109 Ia 217 E. 4a S. 229; RUTH HERZOG, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Diss. Bern 1995, S. 48 f., 202). Das gilt auch für die Bewilligung zur Ausübung des Notariats, wenn dieses, wie im Kanton Graubünden, einen freien Beruf darstellt (nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts i.S. W. vom 22. November 1993, E. 2c). Der Beschwerdeführer kann sich daher auf die Garantien berufen, die Art. 6 Ziff. 1 EMRK für das Verfahren in zivilrechtlichen Streitigkeiten vorsieht.
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b) Nach der Praxis des Bundesgerichts muss die Rüge der Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bereits vor der letzten kantonalen Instanz vorgebracht werden, andernfalls ein Verzicht auf diese Rüge angenommen wird (BGE 120 Ia 19 E. 2c/aa S. 24, mit Hinweisen).
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c) Das gilt insbesondere für die Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips (BGE 122 V 47 E. 3a S. 55; BGE 121 I 30 E. 5f S. 37 f.; 121 II 219 E. 2a S. 221, mit Hinweis). Der Beschwerdeführer, dem bekannt sein musste, dass die Notariatskommission üblicherweise nicht öffentlich entscheidet, reichte am 2. Dezember 1996 eine ausführliche Stellungnahme mit mehreren Verfahrensanträgen ein, ohne jedoch einen Antrag auf eine öffentliche Verhandlung zu stellen. Unter diesen Umständen ist das Recht auf eine öffentliche Verhandlung verwirkt.
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d) Der Beschwerdeführer rügt ferner eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, indem keine unbeschränkte gerichtliche Prüfung des Entscheids der Notariatskommission möglich sei und das Verfahren vor der Kommission den Anforderungen an ein Zivilrechtsverfahren nicht entspreche. Auch die Rüge, der Anspruch auf gerichtliche Beurteilung sei verletzt, muss grundsätzlich bereits im kantonalen Verfahren vorgebracht werden, und zwar in denjenigen Fällen, in denen über die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK eine gefestigte Rechtsprechung besteht, selbst dann, wenn als letzte kantonale Instanz eine nichtrichterliche Behörde entscheidet und geltend gemacht wird, gegen deren Entscheid sollte eine richterliche Beurteilung möglich sein, die nach der massgebenden kantonalen Gesetzgebung noch nicht besteht (BGE 120 Ia 19 E. 2c/bb S. 25 f.; Urteil vom 8. August 1994 i.S. S., publiziert in RDAT 1995 I 45109, E. 2c/d). Vorliegend hat der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 2. Dezember 1996 an die Notariatskommission vorgebracht, das Verfahren verletze Art. 6 EMRK, indem keine Trennung von Untersuchung und Erkenntnis vorgenommen werde. Zwar hat er daraus nicht abgeleitet, dass der Entscheid der Notariatskommission einer Überprüfung durch eine gerichtliche Rechtsmittelinstanz unterliegen müsse, sondern nur den Ausstand des untersuchenden Mitglieds beantragt. Doch hat der Beschwerdeführer dadurch mit hinreichender Deutlichkeit bereits im Verfahren vor der Notariatskommission eine entsprechende Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK gerügt; die Kommission hat sich denn auch in ihrem Entscheid mit dem Vorbringen auseinandergesetzt. Die Rüge ist daher nicht verspätet.
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3. a) Über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen muss von einem Gericht entschieden werden, das die Anforderungen gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK erfüllt. Der Entscheid einer Verwaltungsbehörde, die selber diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist zulässig, wenn dagegen ein Rechtsmittel an ein Gericht zulässig ist, welches eine umfassende Kognition in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hat (BGE 118 Ia 473 E. 6a/c S. 481 ff.; Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Albert und Le Compte vom 10. Februar 1983, Série A Nr. 58, § 29, mit Hinweisen). Nicht verlangt wird eine Ermessenskontrolle durch ein Gericht (BGE 120 Ia 19 E. 4c S. 30; BGE 117 Ia 497 E. 2d/e S. 501 ff.; mit Hinweisen).
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b) Nach der Praxis des Bundesgerichts kann die staatsrechtliche Beschwerde die Funktion einer solchen gerichtlichen Überprüfung übernehmen, wenn der Sachverhalt nicht bestritten ist und wenn die sich aus der Verfassungskontrolle ergebende Beschränkung bei der Überprüfung der gesetzlichen Grundlage nicht zum Zuge kommt (BGE 122 I 360, nicht publizierte E. 3; BGE 120 Ia 19 E. 4c S. 30, mit Hinweisen). Vorliegend sind sowohl Sachverhaltsfragen als auch die Auslegung des kantonalen Notariatsrechts umstritten. Wenn auch grundsätzlich das Bundesgericht bei einer schweren Beeinträchtigung von Grundrechten, wie sie hier vorliegt, die Anwendung und Auslegung kantonalen Rechts frei überprüft (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. Bern 1994, S. 175 ff., mit Hinweisen), so kann es doch nicht Aufgabe des Bundesgerichts als Verfassungsgericht sein, im einzelnen die Anwendung des kantonalen Notariatsrechts, das sich zudem noch in teilweise nicht geschriebenen Standesregeln und -gebräuchen konkretisiert, frei zu überprüfen. Es ist daher davon auszugehen, dass vorliegend die staatsrechtliche Beschwerde die Funktion einer gerichtlichen Beurteilung nicht übernehmen kann.
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c) Die bündnerische Regelung, wonach der Entscheid der Notariatskammer nicht bei einer kantonalen gerichtlichen Instanz angefochten werden kann, verletzt somit Art. 6 Ziff. 1 EMRK, sofern das Verfahren vor der Notariatskammer selber den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht entspricht. Das ist im folgenden zu prüfen.
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a) Ein Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist eine Behörde, die nach Gesetz und Recht in einem justizförmigen, fairen Verfahren begründete und bindende Entscheidungen über Streitfragen trifft (BGE 119 Ia 81 E. 3 S. 83; BGE 115 Ia 183 E. 4a S. 186; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl. Kehl 1996, Rz. 122 zu Art. 6; ARTHUR HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 127; MIEHSLER/VOGLER, IntKomm EMRK, Art. 6 Rz. 287; PETTITI/DÉCAUX/IMBERT, La Convention européenne des droits de l'homme, Paris 1995, S. 259 ff.; THOMAS SCHMUCKLI, Die Fairness in der Verwaltungsrechtspflege, Diss. Freiburg 1990, S. 63 ff.). Es braucht nicht in die ordentliche Gerichtsstruktur eines Staates eingegliedert zu sein, aber es muss organisch und personell, nach der Art seiner Ernennung, der Amtsdauer, dem Schutz vor äusseren Beeinflussungen und nach dem äusseren Erscheinungsbild unabhängig und unparteiisch sein, sowohl gegenüber anderen Behörden als auch gegenüber den Parteien (BGE 119 Ia 81 E. 3 S. 83 f., mit Hinweisen; Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Campbell und Fell vom 28. Juni 1984, Série A Nr. 80, § 78; ALFRED KÖLZ, Kommentar BV, N. 41 und 47 zu Art. 58; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 124 f. zu Art. 6; HAEFLIGER, a.a.O., S. 127, 136; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, Zürich 1993, S. 243 ff.). Dass Vertreter eines bestimmten Berufsstandes Mitglied sind, verletzt Art. 6 EMRK an sich nicht, jedenfalls soweit es sich dabei nicht um weisungsgebundene Funktionäre handelt (BGE 119 Ia 81 E. 3 S. 84, mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts vom 23. Dezember 1994 i.S. D., publiziert in RUDH 1996 S. 188, E. 3b; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 126 f. zu Art. 6; VILLIGER, a.a.O., S. 244, mit Hinweisen).
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b) Ob eine erstinstanzliche berufsständische Disziplinarbehörde als Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK betrachtet werden könne, liess der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den Urteilen Le Compte et al vom 23. Juni 1981, Série A Nr. 43, § 51, sowie Albert und Le Compte vom 10. Februar 1983, Série A Nr. 58, § 29 und 32, offen, da deren Entscheid an eine Appellationsinstanz innerhalb der Berufsorganisation und anschliessend an ein staatliches Gericht weitergezogen werden konnte. Ebenso wurde im Entscheid Diennet vom 26. September 1995 (Série A Nr. 325-A) eine französische Aufsichtsregelung über Ärzte konventionsrechtlich nicht beanstandet, in welcher der Entscheid der erstinstanzlichen berufsständischen Disziplinarbehörde an eine obere Instanz der Berufsorganisation und anschliessend an den Conseil d'Etat weitergezogen werden kann.
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c) Das Bundesgericht hat entschieden, dass eine kantonale Aufsichtskommission über die Gesundheitsberufe, welche vom Departementsvorsteher präsidiert wird und aus Beamten und Medizinalpersonen besteht, nicht als Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK betrachtet werden kann (Urteil vom 23. Dezember 1994 i.S. D., publiziert in RUDH 1996 S. 188, E. 3b). Offensichtlich nicht erfüllt sind die Anforderungen, wenn die Kantonsregierung als Aufsichtsbehörde über Notare entscheidet (nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 22. November 1993 i.S. W., E. 3b). Eine Disziplinarkammer des kantonalen Obergerichts, welche die Amtsführung der unteren Gerichte beaufsichtigt und Disziplinarstrafen ausfällen kann, wurde vom Bundesgericht als Verwaltungsbehörde und nicht als Gericht betrachtet (nicht publiziertes Urteil vom 17. Juli 1995 i.S. L., E. 2a). Keine gerichtliche Behörde ist sodann eine Prüfungskommission für Anwälte oder andere Berufe (so in den nicht publizierten Urteilen vom 10. November 1995 i.S. D., E. 2, und vom 29. November 1996 i.S. H., E. 2, stillschweigend vorausgesetzt).
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Den Anforderungen an ein unabhängiges und unparteiisches Gericht entsprechen demgegenüber ein Schiedsgericht, welches aus einem Vorsitzenden und je einem Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter besteht (BGE 119 Ia 81 E. 4a S. 85 f.), sowie Schiedskommissionen wie die Eidgenössische Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten (nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 24. März 1995 i.S. S., E. 2a/bb-cc). In BGE 120 Ia 184 E. 2e S. 188 wurde es als zulässig betrachtet, dass ein und dieselbe Behörde über die Eröffnung eines Strafverfahrens und über die Anordnung von Disziplinarmassnahmen entscheidet.
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d) Die Bündner Notariatskommission beruht auf der vom Grossen Rat erlassenen Notariatsverordnung vom 1. Dezember 1993 (NV). Sie besteht aus drei Mitgliedern und drei Stellvertretern und wird von Kantonsgericht und Verwaltungsgericht gemeinsam auf eine Amtsdauer von vier Jahren gewählt (Art. 4 Abs. 1 NV). Die Mitglieder und Stellvertreter müssen in der Regel Inhaber des Fähigkeitsausweises für Notare sein (Art. 4 Abs. 3 NV). Der Kommission muss mindestens ein praktizierender Notar und in der Regel ein Mitglied des Kantons- oder des Verwaltungsgerichts angehören (Art. 4 Abs. 2 NV). Die Notariatskommission hat namentlich folgende Aufgaben:
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- Inspektionen über die Amtsführung der Kreisnotare und der patentierten Notare (Art. 5 NV),
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- Erteilung des Notariatspatents (Art. 9 NV),
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- Entscheid über die Zulassung zur Notariatsprüfung und über das Ergebnis der Prüfung (Art. 15 und 17 NV),
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- Anordnung von Disziplinarmassnahmen gegen Notare (Art. 44 NV),
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- Entzug des Notariatspatents bei Wegfall der Voraussetzungen (Art. 12 Abs. 1 Ziff. 3 NV),
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- Beurteilung von Beschwerden gegen die Amtsführung von Notaren (Art. 46 NV).
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e) Die Notariatskommission ist somit organisatorisch und personell aufgrund ihrer Wahlart, Amtsdauer und sonstigen Stellung von nicht-gerichtlichen Behörden unabhängig. Hingegen ergeben sich aus ihrer Aufgabe und Funktion Zweifel hinsichtlich der gerichtlichen Natur.
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Das Wesen eines gerichtlichen Verfahrens ist die Streitentscheidung zwischen verschiedenen Parteien. Diese Konstellation, die für die streitige Zivilgerichtsbarkeit im herkömmlichen Sinne typisch ist, ergibt sich in der Verwaltungsgerichtsbarkeit - soweit diese über "zivilrechtliche" Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK urteilt - aus einer Gegenüberstellung zwischen der Verwaltung, die eine Verfügung erlassen hat, und demjenigen, der diese anficht. Die Verwaltung und der von der Verfügung Betroffene stehen sich hier als Parteien gegenüber, während das unabhängige Gericht zwischen ihnen entscheidet. Dabei nimmt typischerweise die Verwaltung das öffentliche Interesse wahr, während der Beschwerdeführer seine Privatinteressen verteidigt. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde gerade eingeführt und wird in "zivilrechtlichen" Angelegenheiten von Art. 6 EMRK gefordert, um dem Bürger eine unabhängige Beurteilung zwischen dem von der Verwaltung geltend gemachten öffentlichen Interesse und dem Privatinteresse zu ermöglichen.
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Demgegenüber hat die Bündner Notariatskommission generelle und umfassende Aufsichtsbefugnisse; sie entscheidet über die Berufszulassung der Notare, prüft von Amtes wegen deren allgemeine Berufsausübung, führt Inspektionen durch und beschliesst allenfalls die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, das sie selber durchführt und mit einem Disziplinarentscheid abschliesst. Eine Behörde mit solchen Aufgaben und Befugnissen ähnelt funktionell eher einer Verwaltungsbehörde als einer gerichtlichen Instanz. Sie wahrt in einem umfassenden Sinn das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemässen Ausübung des Notariats. Wenn sie gegenüber einem Notar eine Inspektion durchführt und ihn allenfalls disziplinarisch bestraft, nimmt sie selber das öffentliche Interesse wahr. Sie steht insoweit dem Notar, der die Rechtmässigkeit dieser Aufgabenwahrnehmung bestreitet, als Gegenpartei und nicht als "rechter Mittler" gegenüber.
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Zwar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, die Tatsache, dass eine Behörde nebst disziplinarischen auch allgemeine Untersuchungsaufgaben wahrnehme, schliesse nicht notwendigerweise die Qualifikation als Gericht aus. So wurde im Urteil Campbell und Fell vom 28. Juni 1984 (Série A Nr. 80, § 81) ein Board of visitors, welches die Gefängnisse beaufsichtigt und Disziplinarstrafen verhängen kann, als unabhängiges Gericht betrachtet; dabei war jedoch ausschlaggebend, dass diese Behörde eine Mittlerstelle zwischen den Gefängnisinsassen und dem Personal darstellte. Im Entscheid H. vom 30. November 1987 (Série A Nr. 127-B, § 50) hielt der Gerichtshof dafür, dass der belgische Conseil de l'Ordre des avocats, der ähnlich wie die bündnerische Notariatskommission Verwaltungs-, Aufsichts- und Disziplinarkompetenzen kumuliert, nicht allein deswegen nicht als Gericht betrachtet werden kann; im konkreten Fall ging es aber nicht um eine vom Ordre von Amtes wegen verhängte Disziplinarstrafe (die nach der belgischen Regelung bei einer zweiten Instanz innerhalb der Berufsorganisation hätte angefochten werden können), sondern um ein vom Gesuchsteller eingereichtes Gesuch um Wiederzulassung zum Anwaltsberuf.
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f) Vorliegend kommt hinzu, dass ein Mitglied der Notariatskommission selber die Untersuchung leitet, der Kommission Antrag stellt und anschliessend an der Entscheidfällung mitwirkt. Im Bereich des Strafrechts ist es nach gefestigter Praxis unzulässig, wenn ein Untersuchungsrichter an der Beurteilung mitwirkt (BGE 112 Ia 290 und seitherige Praxis, s. BGE 117 Ia 157 E. 2b S. 161). Der Grund für diese Rechtsprechung liegt darin, dass diejenige Person, welche die Untersuchung geführt hat, nicht mehr mit der erforderlichen Unbefangenheit dem Streitgegenstand und dem Angeschuldigten gegenübersteht; auch wenn subjektiv der Untersuchungsrichter die notwendige Unabhängigkeit weiterhin aufbringt, ist eine solche Behördenorganisation geeignet, objektiv Misstrauen hinsichtlich der Unbefangenheit zu begründen (BGE 120 Ia 184 E. 2b S. 187; BGE 117 Ia 157 E. 3c S. 165; BGE 115 Ia 217 E. 4c S. 219; BGE 114 Ia 50 E. 3b S. 55). Die im Strafrecht entwickelten Grundsätze sind freilich nicht unbesehen auf zivilrechtliche Streitigkeiten übertragbar. So ist es im Zivilprozess allgemein üblich und konventionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass - auch bereits vor erster Instanz - das instruierende Gerichtsmitglied an der Entscheidfällung mitwirkt. Dabei ist aber die Prozesslage anders als im vorliegenden Fall: im Zivilprozess tritt das Gericht von Anfang an als Schlichter zwischen zwei Parteien auf, von denen die eine die andere einklagt; in einer Lage wie der vorliegenden, in welcher die Notariatskommission selber das Verfahren in die Wege leitet, gleicht jedoch die Tätigkeit des untersuchenden Mitglieds eher derjenigen eines Untersuchungsrichters im Strafverfahren. Zwar ist es im Lichte von Art. 4 BV nicht zu beanstanden, wenn das die Untersuchung führende Mitglied einer Disziplinarbehörde auch am Entscheid teilnimmt (nicht publiziertes Urteil vom 17. Juli 1995 i.S. L., E. 2c/cc), doch ist diese Praxis nicht anwendbar, soweit die strengeren Anforderungen von Art. 6 EMRK zum Tragen kommen.
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g) Schliesslich ist zu beachten, dass die Mitglieder der Notariatskommission in der Regel Inhaber des Notariatspatents und mindestens teilweise frei praktizierende Notare sind (Art. 4 NV). Sie sind damit zwar einerseits fachkundig, um die sich in einem Disziplinarverfahren stellenden notariatsrechtlichen Fragen zu beurteilen; andererseits sind sie aber auch zumindest potentielle Konkurrenten des zu Disziplinierenden, was geeignet ist, den Anschein der Voreingenommenheit zu begründen (ROBERT ZIMMERMANN, Les sanctions disciplinaires et administratives au regard de l'article 6 CEDH, RDAF 1994 S. 335-377, 355 f.). Solche berufsständisch zusammengesetzte Entscheidungsgremien sind konventionsrechtlich unbedenklich, wenn gegen ihren Entscheid ein Rechtsmittel an eine gerichtliche Instanz möglich ist (vgl. vorne E. 4b). Auch ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein berufsständisch oder paritätisch zusammengesetztes Organ selber als unabhängiges und unparteiisches Gericht betrachtet werden kann, wenn es funktionell, organisatorisch und verfahrensmässig die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt (vorne E. 4a/c). Vorliegend führt jedoch das Zusammenwirken der bisher genannten Faktoren dazu, dass die Notariatskommission nicht als unabhängiges Gericht betrachtet werden kann.
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h) Aus diesen Gründen ergibt sich, dass das Disziplinarverfahren vor der Notariatskommission den Anforderungen an ein Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht genügt (vgl. ZIMMERMANN, a.a.O., S. 349). Daran würde sich auch nichts ändern, wenn das die Untersuchung führende Mitglied der Kommission bei der Beschlussfassung in den Ausstand träte. Da gegen den Entscheid der Notariatskommission kein Rechtsmittel an ein Gericht möglich ist, welches seinerseits diesen Anforderungen entspricht, erweist sich die bündnerische Regelung somit als konventionswidrig.
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5. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher insoweit begründet, als eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK gerügt wird. Der Beschwerdeführer hat die Aufhebung des Beschlusses der Notariatskommission beantragt. Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich rein kassatorisch; davon werden jedoch Ausnahmen gemacht, wenn die blosse Aufhebung des angefochtenen Entscheides nicht geeignet ist, die verfassungsmässige Lage wieder herzustellen (KÄLIN, a.a.O., S. 400 ff.). Der angefochtene Entscheid ist nicht deswegen konventionswidrig, weil das Verfahren vor der Notariatskommission an sich unzulässig wäre, sondern allein deshalb, weil gegen deren Entscheid kein Rechtsmittel an ein Gericht besteht, welches die Anforderungen gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK erfüllt. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich nicht, den Beschluss der Notariatskommission einfach aufzuheben. Das ginge einerseits weiter, als zur Herstellung der verfassungsmässigen Lage erforderlich ist, wäre andererseits aber auch nicht genügend, um diese herzustellen. Vielmehr ist stattdessen der Kanton Graubünden anzuweisen, dem Beschwerdeführer eine gerichtliche Beschwerdeinstanz im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zur Verfügung zu stellen (vgl. BGE 120 Ia 19 E. 5 S. 31). Da eine solche Instanz im geltenden bündnerischen Recht bisher nicht vorgesehen ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 lit. c des Verwaltungsgerichtsgesetzes, in der Fassung vom 25. Juni 1995, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK oder Art. 98a OG nur gegen Entscheide der Regierung oder kantonaler Departemente, nicht aber der Notariatskommission, vorgesehen ist), kann das Bundesgericht die Angelegenheit nicht selber an die zuständige Instanz überweisen. An sich obliegt es dem kantonalen Gesetzgeber, eine solche Instanz festzulegen. Da aber Art. 6 Ziff. 1 EMRK unmittelbar anwendbar ist, hat der Kanton nötigenfalls auf dem Wege der Verordnungsgebung eine solche Instanz zu bezeichnen, an die alsdann die Angelegenheit zu überweisen sein wird (BGE 121 II 219 E. 2c S. 222; BGE 120 Ia 209 E. 6d S. 215; BGE 119 Ia 88 E. 7 S. 98). Da der angefochtene Entscheid, solange er nicht bei einer gerichtlichen Instanz angefochten werden kann, auf einer insoweit konventionswidrigen Lage beruht, kann er bis zu einer gegenteiligen Anordnung des zuständigen kantonalen Gerichts (sei es als Sachurteil, sei es als vorsorgliche Massnahme) keine Wirkungen entfalten.
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