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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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13. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. März 1999 i.S. S. gegen Haftrichter des Bezirksgerichtes Pfäffikon ZH (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV, Art. 5 Ziff. 4 EMRK, Art. 9 Ziff. 4 UNO-Pakt II. |
Die Aufhebung des angefochtenen Haftbestätigungsentscheides in Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs führt nicht zur Haftentlassung, was allein in den Erwägungen des Bundesgerichtsentscheides festzuhalten ist; über die Haftentlassung oder Haftbestätigung haben die kantonalen Behörden neu zu befinden (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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a) Art. 5 Ziff. 2 EMRK und Art. 9 Ziff. 2 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) gewährleisten das Grundrecht des Angeschuldigten, schon bei seiner Festnahme über die Gründe seiner Verhaftung informiert und diesbezüglich angehört zu werden. Art. 5 Ziff. 3 EMRK und Art. 9 Ziff. 3 UNO-Pakt II schreiben sodann eine Vorführung des Angeschuldigten vor die haftanordnende Behörde vor. Aus dem von Art. 4 BV und Art. 5 Ziff. 4 EMRK garantierten rechtlichen Gehör folgt schliesslich noch der Anspruch des Inhaftierten, vor Erlass eines richterlichen Haftprüfungs- bzw. Haftverlängerungsentscheides schriftlich oder mündlich Stellung nehmen zu können. Nach der übereinstimmenden Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Bundesgerichtes hat der Angeschuldigte im Haftprüfungsverfahren das Recht, zu jeder Vernehmlassung der Strafverfolgungsbehörde zu replizieren, und zwar unbekümmert darum, ob die Behörde neue Tatsachen vorbringt oder nicht (BGE 120 IV 342 E. 2d S. 345; BGE 116 Ia 295 E. 4a S. 300; BGE 115 Ia 293 E. 4b S. 301; BGE 114 Ia 84 E. 3 S. 87 f., 281 E. 4c S. 285; EGMR vom 21. Oktober 1986 i.S. Sanchez-Reisse c. CH, Série A, vol. 107, Ziff. 51; s. auch EGMR vom 18. Februar 1997 i.S. Nideröst-Huber c. CH, Rec. 1997-I, S. 101 = VPB 61 [1997] Nr. 108, Ziff. 24 ff.; vgl. ANDREAS DONATSCH, in: Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996/98, § 61 N. 17; MARC FORSTER, Rechtsschutz bei strafprozessualer Haft, SJZ 94 [1998] 2 ff./35 ff., 39 f.). Art. 5 Ziff. 4 EMRK verlangt demgegenüber nicht, dass im Haftprüfungsverfahren eine mündliche Verhandlung vor dem Haftrichter stattfinden müsste. Eine Vorführung vor die haftanordnende Behörde hat (gestützt auf Art. 5 Ziff. 3 EMRK) lediglich bei der Haftanordnung zu erfolgen. Das kantonale Strafprozessrecht kann jedoch über diese grundrechtlichen Minimalansprüche hinausgehen und eine richterliche Anhörung zusätzlich auch für das Haftprüfungs- und Haftverlängerungsverfahren gewährleisten (Urteil des Bundesgerichtes vom 6. Oktober 1988 = EuGRZ 1989 S. 286 f. mit Hinweisen auf den zitierten EGMR i.S. Sanchez-Reisse c. CH; vgl. DONATSCH, a.a.O., § 61 N. 12, 14; § 64 N. 30; § 65 N. 21; FORSTER, a.a.O., S. 39).
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c) Es ist nach dem Gesagten zwischen dem fundamentalen Anspruch des Inhaftierten auf rechtliches Gehör (§ 61 Abs. 1 Satz 1 StPO/ZH) und dem vom zürcherischen Verfahrensrecht vorgesehenen zusätzlichen (fakultativen) Anspruch auf persönliche Anhörung durch den Haftrichter (§ 61 Abs. 1 Satz 3 StPO/ZH) zu differenzieren (vgl. DONATSCH, a.a.O., § 61 N. 13, 16 f.; FORSTER, a.a.O., S. 39; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1997, Rz. 712a, 714a).
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aa) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer am 10. Februar 1999 auf einem amtlichen Formular, welches dem Haftverlängerungsantrag der Bezirksanwaltschaft vom gleichen Datum angefügt wurde, «auf eine Anhörung durch den Haftrichter» ausdrücklich verzichtet. Dem Haftverlängerungsantrag vom 10. Februar 1999 (08.15 Uhr) konnte entnommen werden, dass der Beschwerdeführer durch Rechtsanwalt Dr. Valentin Landmann amtlich verteidigt war. Gleichentags wurde der Haftverlängerungsantrag dem Haftrichter und dem Verteidiger überbracht. Unmittelbar danach, ebenfalls noch am 10. Februar 1999, erging der angefochtene haftrichterliche Entscheid. Eine Vernehmlassung des Beschwerdeführers oder seines Verteidigers zum Haftverlängerungsantrag wurde nicht eingeholt. Ebenso wenig wurden der Beschwerdeführer oder sein Verteidiger angefragt, ob der Verzicht auf «eine Anhörung durch den Haftrichter» als Verzicht auf jegliche Stellungnahme zum Haftverlängerungsantrag (im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 1 StPO/ZH) zu verstehen ![]() | 6 |
bb) Gemäss den vorliegenden Akten erging der angefochtene haftrichterliche Entscheid vor dem Eintreffen der schriftlichen Vernehmlassung des Inhaftierten vom 11. Februar 1999. Die damit übereinstimmende Darstellung des Beschwerdeführers wird von den kantonalen Behörden nicht bestritten. Es fragt sich, ob deren Vorgehen mit dem Anspruch des Inhaftierten auf rechtliches Gehör vereinbar ist.
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d) Gerade weil es sich beim Haftrichter im einstufigen zürcherischen System um die einzige richterliche Haftprüfungsinstanz handelt, darf an die Gewährung des rechtlichen Gehörs kein tiefer Massstab angelegt werden (Bundesgerichtsurteil vom 7. Oktober 1992 i.S. R. B., E. 3b = EuGRZ 1992 S. 554 ff.; vgl. FORSTER, a.a.O., S. 40). Zu berücksichtigen ist auch, dass es bei Untersuchungshaft um einen schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Freiheit geht. Die fragliche Erklärung des Beschwerdeführers vom 10. Februar 1999 («ich verzichte ausdrücklich auf eine Anhörung durch den Haftrichter») kann jedenfalls nicht als klarer und unmissverständlicher Verzicht auf jegliche (insbesondere auch schriftliche) Stellungnahme des anwaltlich vertretenen Inhaftierten zum Haftverlängerungsantrag des Untersuchungsbeamten interpretiert werden. Im angefochtenen Entscheid wird denn auch ausdrücklich ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der Erklärung vom 10. Februar 1999 - lediglich - «auf die mündliche Anhörung durch den Haftrichter» verzichtet. Im Übrigen wurde die Erklärung vom 10. Februar 1999 auf einem vorgedruckten Formular der Bezirksanwaltschaft abgegeben, und die sprachliche Formulierung («eine Anhörung durch den Haftrichter») wurde von den kantonalen Behörden gewählt. Ausserdem war ihnen bekannt, dass die Rechte des Beschwerdeführers durch einen Verteidiger gewahrt wurden. Falls der Haftrichter die Erklärung als Verzicht auf jegliche Stellungnahme zum Haftverlängerungsantrag (im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 1 StPO/ZH) interpretieren wollte, hätte er daher zumindest den Beschwerdeführer bzw. dessen Verteidiger anfragen müssen, ob tatsächlich ein Verzicht in diesem Sinne vorliege. Dies um so mehr, als § 61 Abs. 1 Satz 1 StPO/ZH ausdrücklich bestimmt, dass der Haftrichter «dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger ![]() | 8 |
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