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22. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Apothekerverein des Kantons Solothurn sowie A., B., C. und D. gegen Kantonsrat des Kantons Solothurn (Staatsrechtliche Beschwerde) |
2P.324/2003 vom 9. März 2005 | |
Regeste |
Art. 8 und 49 Abs. 1 BV; Art. 88 OG; Art. 37 Abs. 3 KVG; Art. 26 Abs. 1 und Art. 30 HMG; §§ 19-21 des solothurnischen Gesetzes vom 10. September 2003 über die Einführung des Bundesgesetzes über Arzneimittel und Medizinprodukte; Arzneimittelabgabe durch Ärzte (Selbstdispensation); Legitimation der Apotheker zur staatsrechtlichen Beschwerde (abstrakte Normenkontrolle). |
Aus den einschlägigen bundesrechtlichen Bestimmungen (Art. 37 Abs. 3 KVG sowie Art. 26 Abs. 1 und Art. 30 HMG) allein lässt sich keine legitimationsbegründende Schutznorm im Sinne von Art. 88 OG zugunsten der Apotheker ableiten, um eine kantonal-gesetzliche Regelung betreffend die Arzneimittelabgabe durch Ärzte anfechten zu können (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2.5). Fehlende Legitimation auch nach Massgabe der Grundsätze zur Anfechtung von Erlassen wegen rechtsungleicher Begünstigung Dritter (sog. AVLOCA-Praxis; E. 2.6). | |
Sachverhalt | |
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§ 19. Private Apotheken / a) Begriff
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1 Als private Apotheken gelten die Apotheken der selbstdispensierenden Ärzte und Ärztinnen, Zahnärzte und Zahnärztinnen, Tierärzte und Tierärztinnen. Dafür wird vom Departement eine separate Betriebsbewilligung ausgestellt.
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2 Keine separate Betriebsbewilligung ist notwendig, wenn nur die unmittelbare Anwendung von Medikamenten am Patienten oder an der Patientin sowie die Abgabe in Notfällen praktiziert wird.
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§ 20. b) Abgabebefugnis
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Die vom Departement erteilte Berufsausübungsbewilligung für Ärzte und Ärztinnen, Zahnärzte und Zahnärztinnen sowie Tierärzte und Tierärztinnen berechtigt zur Führung einer privaten Apotheke.
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Die selbstdispensierenden Medizinalpersonen haben die Patienten und Patientinnen darauf hinzuweisen, dass die Medikamente von ihrer Privatapotheke, von einer öffentlichen Apotheke freier Wahl oder von einer Versandapotheke bezogen werden können.
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Mit Eingabe vom 22. Dezember 2003 erheben der Apothekerverein des Kantons Solothurn, A., B. und C. (diese drei als [Mit-]Inhaber und verantwortliche Leiter einer Apotheke im Kanton Solothurn) sowie D. (in seiner Eigenschaft als Kunde einer Apotheke im selbigen Kanton) beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, § 19 Abs. 1 sowie die §§ 20 und 21 EG HMG/SO seien aufzuheben.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.1 Zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass auf dem Wege der abstrakten Normenkontrolle ist legitimiert (Art. 88 OG), wer durch die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar oder zumindest virtuell, d.h. mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder später einmal, in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen ist (BGE 130 I 26 E. 1.2.1 S. 29 f., BGE 130 I 82 E. 1.3 S. 85, je mit Hinweisen). Das Anrufen bloss tatsächlicher oder allgemeiner öffentlicher Interessen genügt zur Begründung der Legitimation nicht; auch zur Anfechtung von Erlassen ist ein drohender Eingriff in rechtlich geschützte eigene Interessen erforderlich (BGE 123 I 41 E. 5b S. 42 f.; BGE 122 I 44 E. 2b S. 45 f. mit weiteren Hinweisen).
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Im selben Rahmen kann auch ein als juristische Person konstituierter Verband die Interessen der Mehrheit oder einer Grosszahl seiner Mitglieder vertreten, soweit deren Wahrung zu seinen statutarischen Aufgaben gehört und die einzelnen Mitglieder ihrerseits beschwerdebefugt wären (sog. "egoistische Verbandsbeschwerde": BGE 130 I 26 E. 1.2.1 S. 30, BGE 130 I 82 E. 1.3 S. 85, 290 E. 1.3 S. 292, je mit Hinweisen).
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2.2 Die Beschwerdeführer rügen, die angefochtenen Bestimmungen, welche für die Medikamentenabgabe die Ärzte den Apothekern voraussetzungslos gleichstellten, nähmen die von Art. 37 Abs. 3 Satz 2 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die ![]() | 13 |
2.3 Die Geltendmachung einer Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) als verfassungsmässiges Individualrecht setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch die als bundesrechtswidrig beanstandete Vorschrift in seiner eigenen Rechtsstellung bzw. in rechtlich geschützten eigenen Interessen betroffen wird (BGE 126 I 81 E. 5a S. 91 mit Hinweisen). Diese Voraussetzung gilt auch im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (vgl. BGE 122 I 44 E. 3b/ee S. 48).
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Die angefochtenen Bestimmungen des kantonalen Gesetzes über die Einführung des Bundesgesetzes über Arzneimittel und Medizinprodukte (§ 19 Abs. 1 sowie §§ 20 und 21 EG HMG/SO) betreffen die "privaten Apotheken" der Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte; sie beziehen sich - im Unterschied zu den §§ 16-18 EG HMG/SO - gerade nicht auf die Tätigkeit der Apotheker. Die Beschwerdeführer 1-4 sind insoweit durch die von ihnen beanstandeten Normen nicht in ihrer eigenen Rechtsstellung betroffen. Nichts anderes gilt beim Beschwerdeführer 5 als gelegentlichem Kunden einer Apotheke.
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2.4 Die Beschwerdeführer erblicken in Art. 37 Abs. 3 KVG eine legitimationsbegründende bundesrechtliche Schutznorm zugunsten der Apotheker. Sodann erachten sie ihre Beschwerdelegitimation nach den Grundsätzen der sog. AVLOCA-Praxis des Bundesgerichts zur Anfechtung drittbegünstigender Erlasse als gegeben: Die von ihnen gerügte Privilegierung der selbstdispensierenden Ärzte führe, weil die angefochtenen kantonalen Bestimmungen gerade keinen Unterschied zwischen Ärzten und Apothekern machen würden, zwar nicht zu einer Rechtsungleichheit; sie sei jedoch deshalb verfassungswidrig, weil der Kanton Solothurn die vom Bundesgesetzgeber in Art. 37 Abs. 3 KVG sowie in Art. 26 Abs. 1 und Art. 30 HMG vorgeschriebene Beschränkung der Selbstdispensation missachte und unzulässigerweise die Ärzteschaft den ![]() | 16 |
2.5 Gemäss Art. 37 Abs. 3 KVG bestimmen die Kantone, unter welchen Voraussetzungen Ärzte mit einer kantonalen Bewilligung zur Führung einer Apotheke den zugelassenen Apothekern gleichgestellt sind; die Kantone berücksichtigen dabei insbesondere die Zugangsmöglichkeiten der Patienten zu einer Apotheke. Das Bundesgericht hat sich in einem Entscheid betreffend die vom kantonalen Apothekerverein und einzelnen Apothekern angefochtene Selbstdispensationsregelung des Kantons Schwyz (Urteil 2P.287/ 2002 vom 22. Dezember 2003) letztmals eingehender mit der Frage befasst, ob Art. 37 Abs. 3 KVG der Stellenwert einer legitimationsbegründenden Schutznorm für die Apotheker zukomme. Dabei ist es zum Schluss gekommen, dass diese in der parlamentarischen Beratung äusserst umstrittene, in ihrer geltenden Fassung aus der Einigungskonferenz der Räte hervorgegangene Bestimmung zu unbestimmt sei, um als Schutznorm im Sinne von Art. 88 OG angerufen werden zu können (E. 2.3 des zit. Urteils, unter Hinweis auf das Urteil 2P.195/1998 vom 15. Juni 1999, publ. in: ZBl 101/2000 S. 533 ff., E. 3d/bb). Es besteht kein Anlass, von dieser Einschätzung abzuweichen. Aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung ergibt sich, dass die Schaffung einer Rechtsetzungskompetenz zur Regelung der Selbstdispensation auf Stufe Bundes(verordnungs)recht, wie sie in der Botschaft zum Krankenversicherungsgesetz noch vorgeschlagen wurde (vgl. BBl 1992 I 165), im Parlament nicht mehrheitsfähig war. Die kantonale Zuständigkeit wurde daher beibehalten, wobei der zweite Satz von Art. 37 Abs. 3 KVG einen Kompromissvorschlag darstellte, dessen konkrete Tragweite im Ergebnis jedoch unklar blieb. In ihrer grundsätzlichen Stossrichtung bezweckt die Norm, eine den lokalen Gegebenheiten angepasste, optimale und zugleich für das obligatorische Krankenversicherungssystem wirtschaftlich tragbare Versorgung der Patienten mit Medikamenten sicherzustellen. Dabei wird die Funktion der öffentlichen Apotheken als wesentlicher Absatzkanal für Arzneimittel im Sinne einer Richtungsweisung an ![]() | 17 |
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer sind die genannten Legitimationsvoraussetzungen in der vorliegenden Konstellation nicht gegeben. Zum einen gebricht es am grundlegenden Erfordernis einer Drittbegünstigung, gestattet doch die beanstandete kantonale Regelung den solothurnischen Ärzten nichts, was den ![]() | 19 |
Abgesehen von einer fehlenden Drittbegünstigung besteht zum andern im Verhältnis zwischen Ärzten und Apothekern auch keine nach der AVLOCA-Rechtsprechung erforderliche vergleichbare Lage: Dass die selbstdispensierenden Ärzte durch den Medikamentenverkauf an ihre Patienten Leistungen erbringen, die zur Haupttätigkeit der Apotheker gehören, und insofern eine teilweise Überschneidung der Tätigkeitsbereiche vorliegt, ändert nichts. Anders ![]() | 20 |
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