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23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Apothekerverband des Kantons Zürich sowie A., B. und C. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Staatsrechtliche Beschwerde) |
2P.131/2004 vom 9. März 2005 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 1 BV; Prinzip der Gewaltentrennung; Art. 88 OG; Art. 37 Abs. 3 KVG; § 17 des zürcherischen Gesetzes über das Gesundheitswesen; § 51 der zürcherischen Verordnung über den Verkehr mit Heilmitteln; Arzneimittelabgabe durch Ärzte (Selbstdispensation); Legitimation der Apotheker zur staatsrechtlichen Beschwerde (abstrakte Normenkontrolle). |
Trotz unter dem Gesichtswinkel der Rechtsgleichheit nicht unbedenklicher Mängel darf die gesetzliche Regelung weiterhin Geltung beanspruchen, solange der zuständige kantonale Gesetzgeber keine neue Ordnung beschlossen hat. Eine Änderung auf Verordnungsstufe, welche die Zulässigkeit der Selbstdispensation auch in den Städten Zürich und Winterthur herbeiführen will, verstösst gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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B. In einem Urteil vom 13. Juli 1973 (publ. in: ZBl 74/1973 S. 504 ff.) verneinte das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich das Vorliegen einer rechtsungleichen Behandlung durch den in § 17 GesG/ZH statuierten Ausschluss der in Zürich und Winterthur praktizierenden Ärzte von der Selbstdispensation. Hingegen gelangte das Verwaltungsgericht im genannten Urteil zum Schluss, das für die Ärzte in den Städten Zürich und Winterthur geltende Selbstdispensationsverbot verstosse gegen die Handels- und Gewerbefreiheit. Aufgrund einer Vereinbarung der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich mit dem Apothekerverein des Kantons Zürich wurden in der Folge aber nur wenige Selbstdispensationsbewilligungen für Ärzte in Zürich und Winterthur erteilt (vgl. ZBl 99/1998 S. 572-574).
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C.
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C.a Mit Entscheid vom 26. Februar 1998 (publ. in: ZBl 99/1998 S. 568 ff.) - betreffend das Gesuch eines HMO-Zentrums in Zürich um Erteilung der Bewilligung zur Medikamentenabgabe - bejahte das Verwaltungsgericht aufgrund der dahingehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung die grundsätzliche Vereinbarkeit von Einschränkungen der Selbstdispensation mit der Handels- und Gewerbefreiheit. In der Beschränkung des Verbotes auf die Städte Zürich und Winterthur erblickte das Gericht aber einen Verstoss gegen die Rechtsgleichheit. Der kantonale Gesetzgeber sei bei Erlass bzw. Weiterführung der in § 17 GesG/ZH enthaltenen Regelung davon ausgegangen, die Medikamentenabgabe sei zum Schutze der öffentlichen Gesundheit durchwegs den Apotheken vorzubehalten, wobei in Gebieten mit ungenügender Versorgung durch öffentliche Apotheken die Selbstdispensation trotz der damit ![]() | 4 |
C.b Der Inhaber einer in der Nähe des oben erwähnten HMO-Zentrums gelegenen Apotheke führte gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbotes sowie der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, auf welche das Bundesgericht mit Urteil 2P.195/1998 vom 15. Juni 1999 (publ. in: ZBl 101/2000 S. 533 ff.), von gewissen Verfahrensrügen abgesehen, mangels Legitimation des Beschwerdeführers nicht eintrat.
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D. Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich bewilligte in der Folge 87 Gesuche für die Medikamentenabgabe durch Ärzte in Zürich und Winterthur. Seit September 1998 sistierte sie die noch hängigen, zu hunderten eingegangenen Gesuche, dies zunächst bis zum Vorliegen des bundesgerichtlichen Entscheides vom 15. Juni 1999 bzw. bis zum Vorliegen der Begründung desselben, dann bis zu einem Volksentscheid über die Neuregelung der Selbstdispensation. Die dagegen beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich erhobenen Beschwerden blieben erfolglos.
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Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich hielt trotz dieses Ergebnisses die Sistierung der Gesuche um Selbstdispensation für Ärzte in Zürich und Winterthur aufrecht, wogegen eine Gesuchstellerin erfolglos an das Verwaltungsgericht und hernach an das Bundesgericht gelangte (Urteil 2P.225/2002 vom 26. Mai 2003).
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Eine zweite, vom Regierungsrat ausgearbeitete Gesetzesvorlage sah vor, dass Ärzte in Gemeinden ohne mindestens eine Apotheke mit durchgehender Öffnungszeit die Abgabeberechtigung erlangen konnten. Seitens der Ärzte wurde gegen diese vom Kantonsrat verabschiedete Gesetzesänderung das Referendum ergriffen. In der Volksabstimmung vom 30. November 2003 wurde auch diese Neuregelung mit einer Mehrheit von 59 % abgelehnt.
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E. Der Regierungsrat des Kantons Zürich beschloss in der Folge am 10. März 2004 eine Änderung von § 51 der Verordnung über den Verkehr mit Heilmitteln, wonach Ärzte nunmehr im ganzen Kantonsgebiet, d.h. auch in den Städten Zürich und Winterthur, mit Bewilligung der Gesundheitsdirektion eine Privatapotheke führen können. Die geänderte Bestimmung lautet wie folgt:
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§ 51
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Zur Führung einer ärztlichen Privatapotheke ist eine Bewilligung der Direktion des Gesundheitswesens erforderlich. Die Bewilligung wird praxisberechtigten Ärztinnen und Ärzten sowie ambulanten gemeinnützigen Institutionen nach § 9 der Ärzteverordnung erteilt.
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Die zur Abgabe von Medikamenten berechtigten Ärztinnen, Ärzte und ambulanten gemeinnützigen Institute sind verpflichtet, in ihren Praxisräumen an gut sichtbarer Stelle den Hinweis anzubringen, dass die Medikamente auch gegen Rezept in der Apotheke bezogen werden können.
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F. Der Apothekerverband des Kantons Zürich sowie drei Inhaber von in Zürich, Winterthur und Fehraltdorf gelegenen Apotheken führen gegen diesen Beschluss des Regierungsrates am 19. Mai 2004 staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, die Verordnungsänderung aufzuheben. Sie rügen eine Verletzung der Gewaltenteilung, der derogatorischen Kraft des Bundesrechts sowie der Rechtsgleichheit und des Vertrauensschutzes.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 10. März 2004 betreffend Änderung von § 51 der Verordnung vom 28. Dezember 1978 über den Verkehr mit Heilmitteln auf.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.1 Im Vordergrund stehen die Rügen der Verletzung der Gewaltenteilung sowie der derogatorischen Kraft des Bundesrechts. Für beide Rügen bedarf es, auch im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle, wo an sich eine virtuelle Betroffenheit genügt, eines Eingriffes in rechtlich geschützte Interessen (BGE 127 I 60 E. 2a S. 63 und E. 4 S. 68 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer muss durch die als bundesrechtswidrig oder kompetenzwidrig beanstandete Norm in seiner eigenen Rechtsstellung oder in rechtlich geschützten eigenen Interessen betroffen sein.
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2.2 Die angefochtene Verordnungsvorschrift richtet sich nicht an Apotheker, sondern an die im Kanton tätigen Ärzte. Die Beschwerdeführer (bzw. der für sie mitrekurrierende Apothekerverband) sind insoweit nicht in der eigenen Rechtsstellung betroffen. Sie können sich, da zwischen den Berufsgruppen der Apotheker und der Ärzte (solange diesen der Handverkauf verwehrt bleibt) gemäss Rechtsprechung keine direkte Konkurrenz besteht, gegenüber der behaupteten unzulässigen Begünstigung der Ärzte auch ![]() | 19 |
Seitens der Beschwerdeführer wird geltend gemacht, dass die den Ärzten durch die angefochtene Verordnungsänderung eingeräumte erweiterte Selbstdispensationsbefugnis in durch Normen des Bundesrechtes geschützte Interessen der Apotheker eingreife. In seinem (eingangs zitierten) Urteil vom 15. Juni 1999, welches ebenfalls die hier streitige Frage der Zulässigkeit der Selbstdispensation in den Städten Zürich und Winterthur betraf, hat das Bundesgericht der Vorschrift von Art. 37 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) den Charakter einer den Interessen der Apotheker dienenden (selbständigen) Schutznorm abgesprochen. Im gleichen Sinne entschied es im Urteil vom 22. Dezember 2003 betreffend den Kanton Schwyz. Von dieser Rechtsprechung grundsätzlich abzuweichen besteht kein Anlass.
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2.3.1 In BGE 119 Ia 433 E. 2c S. 437 f. hat das Bundesgericht einer Gesetzesvorschrift des Kantons Schaffhausen, welche die Bewilligung der Selbstdispensation durch Ärzte nur zuliess, soweit dies "für die ärztliche Betreuung der Bevölkerung notwendig ist", den Charakter einer Schutznorm zugunsten der Apotheker zuerkannt. Die Bestimmung wolle die genügende Medikamentenversorgung der Bevölkerung sichern, indem sie Apotheken unter gewissen Voraussetzungen vor der Konkurrenz durch selbstdispensierende Ärzte schütze. Dieser Konkurrenzschutz sei zwar nicht das eigentliche Ziel der Norm, sondern nur ein Mittel zur Erreichung des ![]() | 22 |
Das Bundesgericht nahm bei der Beurteilung der staatsrechtlichen Beschwerde gegen das Urteil des zürcherischen Verwaltungsgerichts vom 26. Februar 1998, worin dieses § 17 des kantonalen Gesundheitsgesetzes die Gefolgschaft verweigerte und allen kantonalen Ärzten einen (bis zu einer gesetzlichen Neuordnung befristeten) Anspruch auf Zulassung der Selbstdispensation zuerkannte, auf die erwähnte Rechtsprechung zur Schaffhauser Regelung Bezug. Es erblickte aber einen wesentlichen Unterschied der in § 17 des zürcherischen Gesundheitsgesetzes enthaltenen Vorschrift darin, dass diese Bestimmung, indem sie die Selbstdispensation in einem Kantonsteil generell zulasse und im andern Kantonsteil (Zürich/ Winterthur) generell verbiete, nicht spezifisch darauf ausgelegt sei, den Weiterbestand des vorhandenen Apothekennetzes zu schützen oder den Ausbau desselben zu fördern. Der aus § 17 GesG/ZH für die Apotheken (in Zürich und Winterthur) resultierende Vorteil sei hier, anders als nach der Ordnung des Kantons Schaffhausen, eine blosse (ungewollte) faktische Reflexwirkung, die als solche kein rechtlich geschütztes Interesse zu begründen vermöge (zit. Urteil 2P.195/1998 vom 15. Juni 1999, publ. in: ZBl 101/2000 S. 533 ff., E. 3d/aa).
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2.3.2 Es fragt sich, wieweit an dieser Betrachtungsweise festgehalten werden kann. § 17 GesG/ZH ist zwar nicht direkt auf die Erhaltung oder den Ausbau des bestehenden Apothekennetzes ausgerichtet, indem er die Zulassung der Selbstdispensation nach einer räumlichen Zweiteilung des Kantonsgebietes entweder generell zulässt oder generell verbietet, ohne auf die jeweils vorhandenen Versorgungsmöglichkeiten durch die bestehenden Apotheken bzw. auf die tatsächliche Bedürfnislage abzustellen. Das Gesetz nimmt aber in klarer Weise eine Aufgabenteilung vor, indem es für das Gebiet der beiden grossen Städte die Medikamentenversorgung ausschliesslich den Apotheken vorbehält. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang Art. 37 Abs. 3 KVG, wonach die Kantone bei der Zulassung der Selbstdispensation die Zugangsmöglichkeiten zu öffentlichen Apotheken zu berücksichtigen haben. Zwar erscheint diese bundesrechtliche Vorschrift, wie das Bundesgericht in seinem ![]() | 24 |
Festzuhalten ist jedoch - wie vorausgeschickt (oben E. 2.2 in fine) - an der bisherigen Rechtsprechung insoweit, als Art. 37 Abs. 3 KVG nicht als Schutznorm gegenüber Anordnungen des kantonalen Gesetzgebers angerufen werden kann. Die im Urteil 2P.287/2002 vom 22. Dezember 2002 betreffend den Kanton Schwyz sowie in dem mit heutigem Datum ergangenen Entscheid betreffend den Kanton Solothurn (BGE 131 I 198) erfolgte Beurteilung der Legitimationsfrage wird durch die geänderte Einschätzung der Tragweite von § 17 des zürcherischen Gesundheitsgesetzes nicht in Frage gestellt.
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2.4 Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten einzutreten. Die Beschwerdeführer 2 und 3 sind als Inhaber von in Zürich bzw. Winterthur gelegenen Apotheken durch die angefochtene Verordnungsänderung in ihren rechtlich geschützten Interessen direkt betroffen; die Beschwerdeführerin 4, welche eine ausserhalb der beiden Städte gelegene Apotheke betreibt und eines Tages auf Stadtgebiet eine Apotheke eröffnen könnte, ist zumindest virtuell betroffen (sofern man nicht schon im Wegfall der ![]() | 26 |
Erwägung 3 | |
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3.2 Es ist zuzugeben, dass die in § 17 GesG/ZH bezüglich des räumlichen Geltungsbereiches des Selbstdispensationsverbotes getroffene Unterscheidung sehr pauschal erscheint. Die vorgenommene räumliche Abgrenzung vermag insofern nicht zu befriedigen, als heute auch andere grosse Gemeinden im Kanton ein relativ dichtes Netz von Apotheken aufweisen und damit bezüglich der Medikamentenversorgung durch öffentliche Apotheken in gewissen Gebieten ausserhalb von Zürich und Winterthur ähnliche Verhältnisse wie in den genannten Städten bestehen können. Eine feinere räumliche Abgrenzung - falls überhaupt an einer abstrakten ![]() ![]() | 28 |
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