BGE 133 I 100 | |||
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11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen TDC Switzerland AG, Baukommission der Gemeinde Lindau, Baurekurskommission III und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
1A.56/2006 / 1P.160/2006 vom 11. Januar 2007 | |
Regeste |
Art. 29 Abs. 2 BV; Anspruch auf rechtliches Gehör, Replikrecht. | |
Sachverhalt | |
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Dagegen führte die A. zusammen mit 151 Rekurrenten am 19. Januar 2004 Rekurs an die Baurekurskommission III. Diese wies den Rekurs am 23. März 2005 ab, soweit sie darauf eintrat.
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Gegen den Rekursentscheid erhob die A. zusammen mit 141 weiteren Beschwerdeführern Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Am 8. Februar 2006 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
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Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid haben die A. und die übrigen Beschwerdeführer am 16. März 2006 Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht erhoben. Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut. Auf die staatsrechtliche Beschwerde tritt es nicht ein.
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Aus den Erwägungen: | |
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4.1 Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren reichte die private Beschwerdegegnerin am 8. Juni 2005 eine umfangreiche Vernehmlassung sowie einen Bericht der Forschungsstiftung Mobilkommunikation vom 3. Februar 2004 zur TNO-Studie ein. Die Vernehmlassung wurde den Beschwerdeführern am 21. Juni 2005 zur Kenntnisnahme zugestellt; ein zweiter Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet. Am 16. Dezember 2005 beantragte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer, sich zu den Stellungnahmen und Akten der Gegenpartei äussern zu können. Ausserdem ersuchte er um Einsichtnahme in sämtliche Akten bzw. in all jene Akten, die ihm nicht bereits in einem früheren Verfahrensstadium zugestellt worden waren. Mit Präsidialverfügung vom 3. Januar 2006 wurde das Akteneinsichtsbegehren gutgeheissen; dagegen wurde kein zweiter Schriftenwechsel angeordnet, weil die Beschwerdeantwort der privaten Beschwerdegegnerin weder neue rechtliche Gesichtspunkte noch neue tatsächliche Behauptungen enthalte.
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4.2 Unter der Geltung von Art. 4 aBV ergab sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach ständiger Rechtsprechung keine generelle Pflicht zur Einräumung eines Replikrechts. Eine Vernehmlassung musste den Verfahrensbeteiligten nur dann zur Stellungnahme zugestellt werden, wenn darin neue und erhebliche Gesichtspunkte geltend gemacht wurden, zu denen die Beteiligten sich noch nicht hatten äussern können (BGE 111 Ia 2 E. 3 S. 3; BGE 114 Ia 307 E. 4b S. 314; BGE 119 V 317 E. 1 S. 323). Ungebetene Stellungnahmen wurden grundsätzlich aus dem Recht gewiesen.
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Unerheblich ist nach der Rechtsprechung des EGMR, ob eine Eingabe neue Tatsachen oder Argumente enthält und ob sie das Gericht tatsächlich zu beeinflussen vermag: Es sei Sache der Parteien zu beurteilen, ob ein Dokument einen Kommentar erfordere; das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Justiz gründe u.a. auf der Gewissheit, sich zu jedem Aktenstück äussern zu können (Urteil Nideröst Huber, a.a.O., Ziff. 27 und 29; vgl. aus jüngster Zeit die Urteile i.S. Ressegatti gegen Schweiz vom 13. Juli 2006, Ziff. 30-33 und Spang gegen Schweiz vom 11. Oktober 2005, Ziff. 32 f., Letzteres publ. in: Plädoyer 2005 6 S. 82).
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Wird dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit eingeräumt, zu den Bemerkungen des Beschwerdegegners Stellung zu nehmen, ist nach der Rechtsprechung des EGMR auch das Prinzip der Waffengleichheit verletzt, das Bestandteil des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren ist (Urteil Ressegatti, a.a.O., Ziff. 33).
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4.5 Nach Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung führte das Bundesgericht seine Rechtsprechung zum rechtlichen Gehör grundsätzlich fort. Betont wurde jedoch, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör ein wichtiger und deshalb eigens aufgeführter Teilaspekt des allgemeinen Grundsatzes des fairen Verfahrens von Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist (BGE 129 I 85 E. 4.1 S. 88).
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Aus dieser Erkenntnis wurde in verschiedenen nicht veröffentlichten Entscheiden gefolgert, dass der Rechtsprechung des EGMR zum fair trial auch bei der Auslegung von Art. 29 Abs. 2 BV Rechnung getragen werden muss.
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So wurde im Urteil 1P.730/2001 vom 31. Januar 2002 (E. 2.1) unter Berufung auf die Strassburger Rechtsprechung angenommen, dass der Angeschuldigte, der ein Ausstandsgesuch stellt, Anspruch auf Zustellung und auf Stellungnahme zu den Vernehmlassungen der Staatsanwaltschaft und des abgelehnten Richters habe, unabhängig davon, ob diese Eingaben neue und erhebliche Gesichtspunkte enthalten. Es genüge, wenn der Antrag auf Abweisung des Ausstandsgesuchs in den Vernehmlassungen gestellt und begründet werde (vgl. auch Urteile 1P.245/2006 vom 12. Juli 2006, E. 2.1, und 1P.337/2006 vom 4. September 2002, E. 2.2).
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Im nicht veröffentlichten Urteil 1P.798/2005 vom 8. Februar 2006 (E. 2), das ein Baubeschwerdeverfahren betrifft, bejahte das Bundesgericht gestützt auf Art. 29 Abs. 2 BV einen verfassungsmässigen Anspruch des Beschwerdeführers auf Stellungnahme zu einer substanziellen Beschwerdeantwort der Vorinstanz und der privaten Beschwerdegegner. Auch in diesem Entscheid prüfte das Bundesgericht nicht, ob die Vernehmlassungen der Vorinstanz und der Beschwerdegegner neue und erhebliche Gesichtspunkte enthielten, sondern liess es genügen, dass darin Ausführungen zum Sachverhalt und zur Rechtslage gemacht wurden, die nicht von vornherein ungeeignet waren, den Verfahrensausgang zu beeinflussen.
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Die meisten Gerichtsverfahren unterliegen heute bereits den Garantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, die nicht nur auf zivil- und strafrechtliche Verfahren im engeren Sinne, sondern auch auf zahlreiche Streitigkeiten im Bereich des Sozialversicherungs- und des Verwaltungsrechts anwendbar sind (vgl. z.B. MARK E. VILLIGER, Probleme der Anwendung von Art. 6 Abs. 1 EMRK auf verwaltungs- und sozialgerichtliche Verfahren, AJP 1995 S. 163-171; RUTH HERZOG, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Bern 1995; ANDREAS KLEY-STRULLER, Art. 6 EMRK als Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt: Die aktuelle Praxis der Konventionsorgane zur Anwendung des Art. 6 EMRK in der Verwaltungsrechtspflege: Analysen und Perspektiven, Zürich 1993). In allen diesen Verfahren sind die Gerichte nach der Rechtsprechung des EGMR verpflichtet, jede ihnen eingereichte Stellungnahme den Beteiligten zur Kenntnis zu bringen und diesen Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen. Es ist kein Grund ersichtlich, für die verbleibenden, nicht in den Schutzbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK fallenden Gerichtsverfahren das rechtliche Gehör restriktiver zu fassen.
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Stattdessen entschied das Verwaltungsgericht mit Präsidialverfügung vom 3. Januar 2006, dass kein zweiter Schriftenwechsel angeordnet werde. Damit wurde nicht nur die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels im engeren Sinne (mit Replik und Duplik) abgelehnt, sondern auch der Antrag der Beschwerdeführer vom 16. Dezember 2005 auf Stellungnahme zur Vernehmlassung der Gegenpartei und damit um Gewährung des rechtlichen Gehörs abgewiesen.
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Im vorliegenden Fall war den Beschwerdeführern allerdings die Beschwerdeantwort mit dem Vermerk zugestellt worden, es sei kein 2. Schriftenwechsel angeordnet worden. Insofern mussten sie davon ausgehen, dass eine ungebetene Stellungnahme ihrerseits unerwünscht sei (vgl. Urteil 1P.798/2005 vom 8. Februar 2006, E. 2.3).
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Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht auf die Eingabe der Beschwerdeführer vom 16. Dezember 2005 eingetreten und hat das darin mitenthaltene Gesuch um Akteneinsicht gutgeheissen. Das Verwaltungsgericht wollte mit der nachträglichen Aktenzustellung die von den Beschwerdeführern gerügte Verletzung des Akteneinsichtsrechts im Rekursverfahren heilen. Damit war das Verfahren im Dezember 2005 noch nicht entscheidungsreif: Das Verwaltungsgericht musste abwarten, bis die Akteneinsicht erfolgt war und musste auch mit einer Stellungnahme der Beschwerdeführer zu den neu eingesehenen Unterlagen rechnen.
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Unter diesen Umständen kann weder ein Verzicht auf das Recht zur Stellungnahme noch eine Verwirkung desselben angenommen werden.
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4.9 Die beschriebene Verletzung des rechtlichen Gehörs kann im bundesgerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - nicht nur Rechtsfragen streitig sind, sondern auch Sachverhaltsrügen erhoben werden, die das Bundesgericht nicht mit freier Kognition beurteilen kann (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG).
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