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10. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Labo Cosprophar AG gegen Allergan Inc. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_221/2007 / 4P.239/2006 vom 20. November 2007 |
Entscheid über vorsorgliche Massnahmen. |
Art. 29 Abs. 2 BV; Begründungsanforderungen an einen immaterialgüterrechtlichen Massnahmenentscheid wegen glaubhaft gemachter Verwechslungsgefahr. | |
Sachverhalt | |
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Die verfahrensleitende Zivilgerichtspräsidentin kam nach der Prüfung dieses Gesuchs zum Schluss, die Marke und das Erscheinungsbild der BOTOINA-Produkte liessen beim Letztabnehmer den Eindruck entstehen, dass zwischen der Marke BOTOINA und der Marke BOTOX eine Verbindung bestehe bzw. dass in den Produkten der Marke BOTOINA der Wirkstoff Botox enthalten sei, was unbestritten nicht der Fall sei. Damit sei aber zumindest eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben. Sie gab dem Gesuch in der Folge mit Verfügung vom 16./17. August 2006 (Rektifikat vom 1./4. ![]() | 2 |
"1. (...)
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2. Der Beklagten 1 [= Beschwerdeführerin] wird vorsorglich verboten unter Androhung der Überweisung der verantwortlichen Organe an den Strafrichter im Widerhandlungsfalle zur Bestrafung mit Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB:
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a) das Zeichen Botoina zur Kennzeichnung von Kosmetika zu gebrauchen;
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b) Kosmetika, die mit dem Zeichen Botoina gekennzeichnet sind, anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen und zu lagern;
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c) Das Zeichen Botoina im Zusammenhang mit dem Anbieten, Vertreiben und Inverkehrbringen von Kosmetika in der Werbung, auf Geschäftspapieren, im Internet, als Domainname oder sonst in irgendeiner Form im Geschäftsverkehr zu gebrauchen.
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3. Der Beklagten 1 wird vorsorglich verboten, kosmetische Präparate zur Entspannung der Ausdrucksfalten, insbesondere die unter der Bezeichnung Botoina vertriebenen Produkte, im Internet, in Prospekten, auf Schaufensterdisplays oder sonstigen Werbematerialien dominant mit einer Spritze zu bewerben.
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4. Die Klägerin [= Beschwerdegegnerin] hat innert einer Frist von 30 Tagen ab Zustellung eine Sicherheitsleistung von Fr. 400'000.- zu leisten.
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5. Die weiteren Rechtsbegehren werden abgewiesen.
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6. (...)."
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Dagegen gelangte die Beschwerdeführerin mit einer sogenannten "Verfahrensmangelbeschwerde" an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt und rügte eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch mangelnde Begründung der angefochtenen Verfügung. Das Appellationsgericht wies dieses Rechtsmittel am 31. Januar 2007 ab.
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Die Beschwerdeführerin erhob in der Folge Beschwerde in Zivilsachen sowie vorsorglich subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Sie beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts vom 31. Januar 2007 sowie die Ziffern 2 und 3 der Verfügung des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 16./17. September 2006 bzw. des Rektifikats vom 1./4. September 2006 seien aufzuheben; sodann sei das Gesuch um Erlass einer vorsorglichen Verfügung vom 17. Februar 2006 vollumfänglich abzuweisen, eventualiter die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
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Entscheide über vorsorgliche Massnahmen sind nur dann Endentscheide, wenn sie in einem eigenständigen Verfahren ergehen. Selbständig eröffnete Massnahmenentscheide, die vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen werden und nur für die Dauer des Hauptverfahrens bzw. unter der Bedingung, dass ein ![]() | 16 |
Gegenstand der angefochtenen Entscheide sind während des Hauptverfahrens erlassene vorsorgliche Massnahmen. Demnach handelt es sich bei diesen Entscheiden um Zwischenentscheide nach Art. 93 BGG. Es liegt auf der Hand und wurde auch in konstanter Praxis zur staatsrechtlichen Beschwerde bejaht, dass ein solcher Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 87 OG bewirken kann und daher vor Bundesgericht anfechtbar ist (vgl. BGE 116 Ia 446 ff.; BGE 114 II 368 E. 2a S. 369; BGE 108 II 69 E. 1 S. 71, je mit Hinweisen).
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Die Beschwerde in Zivilsachen steht somit gegen die angefochtenen Entscheide grundsätzlich offen. Damit erweist sich die vorsorglich erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde als unzulässig (Art. 113 BGG) und es ist darauf nicht einzutreten.
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4.1 Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt (BGE 124 I 49 E. 3a, BGE 124 I 241 E. 2, je mit Hinweisen). Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (vgl. BGE 133 III 439 E. 3.3; BGE 130 II 530 E. 4.3 S. 540; BGE 129 I 232 E. 3.2; BGE 126 I 97 E. 2b, je mit Hinweisen).
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Diese verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen an die Begründung gelten auch für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen. Daran ändert nichts, dass diese regelmässig aufgrund einer summarischen Beurteilung der Anspruchsgrundlage erfolgen und ihrem Zweck nach rasch erlassen werden müssen und dass damit nicht endgültig über materielle Gebrauchsrechte oder ![]() | 22 |
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4.2.3 Die Rüge ist begründet. Die Verfügung der Zivilgerichtspräsidentin vom 16./17. August 2006 enthält keinen einzigen Hinweis, ![]() | 26 |
Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, kann immer nur mit Bezug zu einem konkreten, angeblich beeinträchtigten immaterialgüterrechtlichen Anspruch des Massnahmegesuchstellers beurteilt werden, namentlich einem ihm zustehenden subjektiven Markenrecht oder einem Schutzanspruch, den ihm ein lauterkeitsrechtlich relevanter Marktauftritt verschafft. Es ist für die Nachvollziehbarkeit eines wegen Verwechslungsgefahr ausgesprochenen Verbots unabdingbar, dass in der Begründung die Anspruchsgrundlage - unter Angabe der einschlägigen Gesetzesbestimmungen - genannt wird, d.h. aus welchen Gründen der Massnahmerichter den Bestand von welchen unter mehreren angerufenen, in bestimmten Gesetzesbestimmungen gewährleisteten Schutzansprüchen und deren Verletzung als glaubhaft gemacht betrachtet hat. Nur so kann der vom Verbot Betroffene ein ausgesprochenes Verbot nachvollziehen und in einem allfälligen Rechtsmittelverfahren substantiiert bestreiten, ohne dass er auf Spekulationen darüber angewiesen ist, aus welchen Gründen der Richter gegen seine Anträge entschieden hat.
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Der in verschiedenen Bereichen des Immaterialgüterrechts vorkommende Begriff der Verwechslungsgefahr ist zwar für das gesamte Kennzeichenrecht ein einheitlicher (BGE 128 III 401 E. 5 S. 403). Es geht stets um die Beurteilung, ob ein Zeichen einem anderen derart ähnlich ist, dass die massgebenden Verkehrskreise Gefahr laufen, die gekennzeichneten Gegenstände zu verwechseln oder falsche Zusammenhänge zu vermuten (BGE 128 III 146 E. 2a; BGE 127 III 160 E. 2b/c). Die Umstände, die im Übrigen die Gefahr falscher Individualisierung oder falscher Assoziationen erheblich beeinflussen, unterscheiden sich jedoch je nach dem Rechtsschutz, der für die Kennzeichen beansprucht wird. So sind etwa für den lauterkeitsrechtlichen Kennzeichenschutz (Art. 3 lit. d UWG) - im Gegensatz zum markenrechtlichen Schutz - Registereinträge nicht wesentlich ![]() | 28 |
Die Zivilgerichtspräsidentin begründet ihre Verfügung vorwiegend mit der Gefahr der indirekten Verwechslung der Marke BOTOINA mit einer Marke BOTOX der Beschwerdegegnerin und der mit diesen Marken bezeichneten Produkte, wenn sie am Schluss ihrer Erwägungen zur Verwechslungsgefahr auch auf das "Erscheinungsbild" der Produkte Bezug nimmt. Sie konkretisiert jedoch die angeblich verletzten Markenrechte der Beschwerdegegnerin nicht, d.h. welche subjektiven Markenrechte der Beschwerdegegnerin nach welchen Rechtsnormen glaublich beeinträchtigt worden sein sollen. Ebenso wenig begründet sie die Gefahr der Verwechslung mit Bezug auf die Waren, für welche die angeblich verletzten Markenrechte beansprucht werden und für die der Verletzer sein Zeichen verwendet, was bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ein wesentliches Element darstellt. Dies wäre indes vorliegend namentlich deshalb wichtig, weil die Beschwerdeführerin den Bestand eines Markenrechts BOTOX in der Schweiz zur Bezeichnung von kosmetisch einsetzbaren Produkten bestreitet und auch die Zivilgerichtspräsidentin selber feststellt, dass die Marke BOTOX in der Schweiz zur Bezeichnung von kosmetisch einsetzbaren Produkten nicht zugelassen sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Zivilgerichtspräsidentin geprüft hätte, ob die in der Schweiz für neurologische und ophthalmologische Anwendungen zugelassene Marke BOTOX als berühmte Marke im Sinne von Art. 15 MSchG und damit über den Warengleichartigkeitsbereich hinaus gegen die Bezeichnung von kosmetisch einsetzbaren Produkten mit einem verwechselbaren Kennzeichen zu schützen ist, fehlen in der Begründung der angefochtenen Verfügung. Schliesslich wird aus der Begründung der Verfügung insgesamt auch nicht mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich, ob und inwiefern die Zivilgerichtspräsidentin eine lauterkeitsrechtlich relevante Verwechslungs- oder Irreführungsgefahr als glaubhaft gemacht erachtet haben könnte.
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4.2.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Verfügung der Zivilgerichtspräsidentin den verfassungsrechtlichen Anforderungen ![]() | 30 |
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