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1. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. J. gegen IV-Stelle Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_342/2008 vom 20. November 2008 | |
Regeste |
Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 61 lit. f ATSG; Art. 64 Abs. 2 BGG; Art. 8 Abs. 2 BGFA; Voraussetzungen zur Bestellung der für eine gemeinnützige Organisation tätigen Rechtsanwältin als unentgeltliche Rechtsbeiständin. |
- die Organisation muss einen gemeinnützigen Zweck verfolgen; |
- sie muss das Angebot der Rechtsverbeiständung ohne erheblichen Kostenersatz zur Verfügung stellen; |
- und die spezifische Interessenwahrung im sozialrechtlichen Bereich bezwecken (E. 7.4.1). | |
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Erwägung 7 | |
7.1 Gemäss Art. 61 ATSG (SR 830.1) bestimmt sich das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 3 VwVG (SR 172.021) nach kantonalem Recht, das gewissen bundesrechtlichen Anforderungen zu genügen hat. So sieht lit. f von Art. 61 ATSG vor, dass das Recht, sich verbeiständen zu lassen, gewährleistet sein muss (erster Satz). Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt (zweiter Satz). Gemäss Art. 64 Abs. 2 BGG bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin, wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat die bedürftige Partei in einem für sie nicht aussichtslosen Verfahren Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege; soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Die unentgeltliche Rechtspflege bezweckt, auch der bedürftigen Partei den Zugang zum Gericht und die Wahrung ihrer Parteirechte zu ermöglichen (BGE 131 I 350 E. 3.1 S. 355; BGE 120 Ia 14 E. 3d S. 16; STEFAN MEICHSSNER, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege [Art. 29 Abs. 3 BV], 2008, S. 5). Art. 29 Abs. 3 BV will nur sicherstellen, dass jedermann unabhängig von seinen finanziellen Verhältnissen nicht aussichtslose Streitsachen zur gerichtlichen Entscheidung bringen und sich dabei im Prozess, sofern es sachlich geboten ist, durch einen Anwalt vertreten lassen kann; der verfassungsmässige Anspruch soll der bedürftigen Partei die Mittel zur Prozessführung in die Hand geben und nicht etwa allgemein ihre finanzielle Situation verbessern helfen (BGE 122 I 203 E. 2e S. 207 f.).
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7.3 Die Frage der Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin stellt sich bei der hier gegebenen Sachlage insofern unter einem besonderen Gesichtswinkel, als die Organisation Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not - anders als etwa Gewerkschaften oder Rechtsschutzversicherungen - weitgehend kostenlos Rechtsbeistand gewährt, ohne vorgängig Mitgliederbeiträge verlangt oder Prämien erhoben zu haben. Allerdings sind die Einnahmen aus Prozessentschädigungen und amtlichen Honoraren Teil ihrer Finanzierung. Damit befinden sich die für die Organisation tätigen Rechtsvertreter in einer mit freischaffenden Anwältinnen und Anwälten vergleichbaren Lage. Sind die Rechtsuchenden bedürftig und können sie nicht für die Anwaltskosten aufkommen, so sind die Aufwände der Anwältinnen und Anwälte der Rechtsberatungsstelle nicht gedeckt, falls die unentgeltliche Verbeiständung vorenthalten wird, es sei denn, sie könnten auf freiwillige Zuwendungen Dritter zurückgreifen. Es kommt hinzu, dass eine gemeinnützige Organisation, welche einer bedürftigen Person im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung Rechtsbeistand leistet, ohne hiefür Beiträge, Prämien oder sonst eine Entschädigung zu verlangen, die verfassungsrechtliche Aufgabe des Staates übernimmt, den Mittellosen den Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz zu ermöglichen. Die Organisation steht anstelle des Staates gleichsam für die Bedürftigkeit ein. Dies vermag nichts daran zu ändern, dass es sich bei der Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung von Verfassungs wegen primär um eine staatliche Aufgabe handelt. Soweit die Organisation im Anwendungsbereich von Art. 29 Abs. 3 BV tätig wird, sind ihre Leistungen zum Rechtsanspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand ![]() | 3 |
Erwägung 7.4 | |
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