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30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Politische Gemeinde Rheineck und Departement des Innern des Kantons St. Gallen (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) |
1D_8/2008 vom 7. Juli 2009 | |
Regeste |
Art. 7-9, 29 und 35 BV, Art. 92 und 115 BGG; Zuständigkeit zur Beurteilung von Einbürgerungsgesuchen, die von der kommunalen Bürgerversammlung zweimal ohne hinreichende Begründung abgewiesen wurden. |
Anwendbares Recht (E. 2). Regelung des Einbürgerungsverfahrens im kan tonalen Recht (E. 3.1 und 3.2). Der im Beschwerdeverfahren zulässige Antrag auf Beurteilung der Einbürgerungsgesuche durch die Beschwerdeinstanz ist keine Angelegenheit der Staatsaufsicht (E. 3.4). |
Bindung staatlicher Organe an die Grundrechte (E. 4.2). Tragweite der Ansprüche auf Begründung und auf Beurteilung innert angemessener Frist im Einbürgerungsverfahren (E. 4.3-4.5). | |
Sachverhalt | |
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Die meisten Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller hielten an ihrem Einbürgerungsgesuch fest. Sie wurden vom Einbürgerungsrat nochmals geprüft und wiederum positiv beurteilt. Dementsprechend beantragte der Einbürgerungsrat der Bürgerschaft an der Bürgerversammlung vom 19. März 2007, unter anderem den verbliebenen zehn Einbürgerungsvorlagen, welche ein zweites Mal zu beurteilen waren, zuzustimmen. Mehrere Personen nutzten an der Bürgerversammlung die Möglichkeit, die Einbürgerungen zu diskutieren. Dabei fiel die Diskussion nicht bei allen Vorlagen gleich ausführlich aus. Teilweise erfolgte überhaupt keine Wortmeldung. Die zehn Einbürgerungsgesuche wurden von der Bürgerversammlung wiederum abgelehnt.
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"1. Es seien die ablehnenden Einbürgerungsbeschlüsse der Bürgerversammlung Rheineck vom 19. März 2007 aufzuheben.
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2. Den Einbürgerungsgesuchen der Beschwerdeführer und Beschwerdeführerinnen sei zu entsprechen und es sei ihnen das Gemeindebürgerrecht von Rheineck zu erteilen."
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Zur Begründung der Beschwerde wurde insbesondere dargelegt, die Bürgerschaft habe mit ihrem Vorgehen am 19. März 2007 klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht gewillt sei, Einbürgerungsentscheide in Übereinstimmung mit der geltenden Rechtsprechung vorzunehmen. Es sei deshalb unwahrscheinlich, dass ein drittes Verfahren zu einem anderen Ergebnis führen werde. Zur Vermeidung eines prozessualen Leerlaufs sei es somit notwendig, dass das Departement in der Sache selbst entscheide.
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Das Departement hiess die Beschwerde n mit Entscheid vom 2. Juni 2008 teilweise gut und hob die ablehnenden Einbürgerungsbeschlüsse vom 19. März 2007 betreffend A., die Eheleute B. (mit Sohn E.), C. und D. (mit den Kindern F., G. und H.) auf. Es hielt fest, dass ein Teil der umstrittenen Einbürgerungsvorlagen diskussionslos abgelehnt worden sei. Eines der betroffenen Einbürgerungsgesuche sei trotz unterstützendem Votum und ein anderes gestützt auf die Religionszugehörigkeit abgewiesen worden. Eine weitere Absage sei nicht individuell begründet worden. Das Departement wies die Angelegenheit an die politische Gemeinde Rheineck zurück, damit der Einbürgerungsrat die Einbürgerungsvorlagen der Bürgerschaft an der nächsten Bürgerversammlung vorlegen könne, sofern die betroffenen Personen dannzumal die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllten (Dispositiv Ziff. 1a-g des Entscheids). Soweit die Beschwerdeführer die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts durch die Beschwerdeinstanz beantragt hatten, wies das Departement die Beschwerde ab (Dispositiv Ziff. 2 des Entscheids). Es wies die Gemeinde zudem darauf hin, dass bei einer erneut ungenügend begründeten Ablehnung der Vorlagen die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts aufsichtsrechtlich angeordnet werden könnte (Dispositiv Ziff. 3 des Entscheids).
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C. In ihrer Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen beantragten A., die Eheleute B. (mit Sohn E.), C. und D. (mit den ![]() | 8 |
Mit Urteil vom 14. Oktober 2008 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde gegen Ziff. 2 des Entscheids des Departements des Innern vom 2. Juni 2008 nicht ein. Es begründete seinen Entscheid damit, dass der Verzicht auf die sofortige aufsichtsrechtliche Erteilung des Bürgerrechts nicht als Verfügung gelte, wenn die Rechtsmittelinstanz die Gesuche zur Behandlung an das gesetzlich zuständige Organ überweise. Die vorliegende Verweigerung der aufsichtsrechtlichen Erteilung des Bürgerrechts sei ein Entscheid im Rahmen der Staatsaufsicht. Dagegen sei die Beschwerde gestützt auf Art. 59bis Abs. 2 lit. a Ziff. 1 des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 16. Mai 1965 (sGS 951.1; im Folgenden: VRP/SG) nicht zulässig, bevor die am 1. Januar 2009 ablaufende Übergangsfrist gemäss Art. 130 Abs. 3 BGG verstrichen sei. Erst ab diesem Datum hätten die Kantone die Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV zu beachten und den Rechtsschutz durch ein oberes kantonales Gericht zu gewährleisten (Art. 86 Abs. 2 BGG).
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D. Mit Verfassungsbeschwerde vom 20. November 2008 beantragen A., die Eheleute B. (mit Sohn E.), C. und D. (mit den Kindern F., G. und H.) im Wesentlichen, der Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und ihnen sei das Bürgerrecht der Gemeinde Rheineck zu erteilen. Eventuell sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung bzw. zur materiellen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Beschwerdeführer berufen sich auf die Menschenwürde (Art. 7 BV), das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV), die Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV), das Willkürverbot (Art. 9 BV) sowie die Bindung der staatlichen Organe an die Grundrechte (Art. 35 Abs. 2 BV). Zudem machen sie Rechtsverzögerung (Art. 29 Abs. 1 BV) und eine Verletzung der Art. 8 und 13 EMRK geltend. Sie bringen vor, sie hätten nach zwei verfassungswidrigen Beschlüssen der Bürgerversammlung und mehreren zu ihren Gunsten lautenden Beschwerdeentscheiden des Departements und des Verwaltungsgerichts einen Anspruch auf die Herstellung des rechtmässigen Zustands durch die Rechtsmittelinstanz. Eine nochmalige Rückweisung der Sache an die Gemeindebehörden missachte die Pflicht der ![]() | 11 |
(Auszug)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut aus folgenden
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Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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Die in Art. 115 lit. a BGG genannte Voraussetzung ist offensichtlich erfüllt. Das nach Art. 115 lit. b BGG erforderliche rechtlich ![]() | 17 |
Als Parteien im kantonalen Verfahren können die Beschwerdeführer zudem die Verletzung bundesverfassungsrechtlicher Verfahrensgarantien rügen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 199; BGE 132 I 167 E. 2.1 S. 168). Dies trifft auf die Rügen der Rechtsverzögerung (Art. 29 Abs. 1 BV) und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV zu. Den Anspruch auf Begründung bei Verweigerung der Einbürgerung (vgl. BGE 134 I 56 E. 2 S. 58; BGE 130 I 140 E. 4.2 S. 147) hat der Gesetzgeber mit der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Revision des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0) nun auch ausdrücklich ins Bundesgesetzesrecht aufgenommen (Art. 15b BüG; AS 2008 5911).
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Umstritten ist einzig, ob die Beschwerdeführer nach zwei Entscheiden der Bürgerversammlung, welche sich wegen Verletzung der Begründungspflicht als verfassungswidrig erwiesen, Anspruch auf eine umfassende verfassungskonforme Beurteilung ihrer Einbürgerungsgesuche durch eine Rechtsmittelinstanz haben. Die angerufenen speziellen Verfassungsrechte sowie die in Art. 29 BV verankerten Verfahrensgarantien verleihen den Beschwerdeführern als Träger dieser verfassungsmässigen Rechte im Einbürgerungsverfahren ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids. Ihre Beschwerde ist somit unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdeberechtigung zulässig. Dies bedeutet nicht, dass die Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung hätten.
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3. Die Beschwerdeführer machen geltend, ihre Eingabe sei zu Unrecht als Angelegenheit der Staatsaufsicht eingestuft worden, anstatt als ordentliche Beschwerde behandelt zu werden. Diese Beanstandung ist im Rahmen der Verfassungsbeschwerde gegen den verwaltungsgerichtlichen Nichteintretensentscheid zulässig (vgl. BGE 123 II 402 E. 1b/bb S. 406; BGE 119 Ia 237 E. 3 S. 238; je mit Hinweisen; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. 1998, S. 168 Rz. 461; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 332).
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3.1 Im Kanton St. Gallen beschliessen die Stimmberechtigten der politischen Gemeinde über die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts auf Antrag des Einbürgerungsrats (Art. 104 Abs. 1 KV/SG [SR 131.225]). Besteht ein Gemeindeparlament, fasst dieses Beschluss (Art. 104 Abs. 1 Satz 2 KV/SG). Das Verfahren wird im kantonalen Gesetzesrecht geregelt (Art. 104 Abs. 3 KV/SG). Die gesetzliche Regelung über den Erwerb des Kantons- und Gemeindebürgerrechts ist im kantonalen Bürgerrechtsgesetz vom 5. Dezember 1955 (sGS 121.1) enthalten. Die Rechtsmittelordnung ergibt sich im Wesentlichen aus dem kantonalen Gemeindegesetz vom 23. August 1979 (sGS 151.2; ![]() | 24 |
Nach Art. 243 Abs. 1 GG können Stimmberechtigte und andere Personen, die an der Änderung oder Aufhebung des Beschlusses ein eigenes schutzwürdiges Interesse dartun, Beschlüsse der Bürgerschaft wegen Rechtswidrigkeit beim zuständigen Departement anfechten. Das Departement kann nach Art. 243 Abs. 3 GG auf Abstimmungsbeschwerde hin den Beschluss der Bürgerschaft aufheben (lit. a) oder angemessene Massnahmen treffen, wobei Art. 238 GG sachgemäss angewendet wird (lit. b). Gemäss Art. 238 GG trifft das zuständige Departement angemessene Massnahmen zur Wiederherstellung oder Sicherung der gesetzlichen Ordnung. Dabei kann es insbesondere anstelle eines Gemeindeorgans handeln, Ersatzvornahmen anordnen und Reglemente erlassen (Art. 238 Abs. 2 lit. a-c GG). Der Rechtsschutz in Verwaltungsstreitsachen richtet sich nach den Vorschriften des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (Art. 242 GG).
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3.2 Der Entscheid des Departements vom 2. Juni 2008 erging aufgrund einer Abstimmungsbeschwerde der nicht eingebürgerten Gesuchsteller in Anwendung der Art. 243 und 238 GG. Diese Bestimmungen befinden sich im Gemeindegesetz im neunten Teil betreffend die "Staatsaufsicht", welcher in die Abschnitte "I. Im Allgemeinen" (Art. 228-237 GG), "II. Zwangsmassnahmen" (Art. 238-240 GG) und "III. Rechtspflege" (Art. 241-247 GG) aufgeteilt ist. Das bedeutet bei der dargelegten Regelung des Rechtsschutzes in Gemeindeangelegenheiten nicht, dass jede Massnahme, die in sinngemässer Anwendung von Art. 238 GG ergriffen wird, eine nur beschränkt justiziable Massnahme der Staatsaufsicht darstellt. Zu unterscheiden ist, ob das Departement auf Anzeige hin entscheidet (Art. 241 GG) oder ob es im Rahmen einer Verwaltungsstreitsache tätig wird (Art. 242 GG). Die Anzeige ist nur mit beschränkten Parteirechten und -pflichten verbunden und führt in der Regel nicht zum Erlass einer anfechtbaren Verfügung (Art. 241 GG; vgl. CAVELTI/VÖGELI, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2003, S. 610 f.; BGE 121 I 87 E. 1a S. 90). Im Beschwerdeverfahren gegen einen negativen Einbürgerungsentscheid stehen einer Partei hingegen die Verfahrensrechte des Verwaltungsrechtspflegegesetzes und der Bundesverfassung zu (vgl. Art. 242 f. GG; BGE 132 I 167 E. 2.1 S. 168 mit Hinweisen). Hierzu gehört im Unterschied zur aufsichtsrechtlichen Anzeige insbesondere auch der Anspruch auf einen Entscheid (Art. 63 VRP/SG).
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3.4 Das Verwaltungsgericht anerkennt im angefochtenen Urteil den Verfügungscharakter des Departementsentscheids insoweit, als damit die Abstimmungsbeschwerde gutgeheissen und die Einbürgerungsgesuche zur neuen Entscheidung an die Gemeindebehörde zurückgewiesen werden (Dispositiv Ziff. 1a bis 1g des Departementsentscheids). In Bezug auf die umstrittene Dispositiv Ziff. 2 des Departementsentscheids, mit welcher der Antrag der Beschwerdeführer, das Departement solle die Einbürgerungen anstelle der Bürgerschaft ![]() | 28 |
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4.1 Die Beschwerdeführer beantragen, bei Gutheissung der Beschwerde sei ihnen das Bürgerrecht der Gemeinde Rheineck unmittelbar im bundesgerichtlichen Verfahren zu erteilen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eine Erteilung ![]() | 30 |
4.2 Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist nach Art. 35 Abs. 2 BV an die Grundrechte gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen. Dadurch verpflichtete Grundrechtsadressaten sind zunächst die Gemeinwesen von Bund, Kantonen und Gemeinden mit allen ihren Verfassungsorganen (inkl. Stimmberechtigte; vgl. BGE 130 I 140 E. 4 S. 146 f.; BGE 129 I 232 E. 3.4.2 S. 240, BGE 129 I 217 E. 2.2.1 S. 225). Weiter richtet sich Art. 35 Abs. 2 BV an die Aufsichts- und Rechtsmittelinstanzen, welche verfassungswidrige Entscheide unter gewissen Umständen nicht bloss aufzuheben, sondern den Grundrechtsschutz dadurch zu verwirklichen haben, dass sie angemessene Ersatzregelungen schaffen (RAINER J. SCHWEIZER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 18 und 25 zu Art. 35 BV; BERNHARD RÜTSCHE, Rechtsfolgen von Grundrechtsverletzungen, 2002, S. 350; vgl. BGE 130 I 140 E. 4.1 S. 146; s. auch Art. 107 Abs. 2 BGG; BGE 133 I 270 E. 1.1 S. 273). Dieser Grundsatz führte im Rahmen der Praxis zur früheren staatsrechtlichen Beschwerde zu Ausnahmen von der grundsätzlich kassatorischen Natur dieses Rechtsmittels (BGE 132 I 21 E. 1 S. 22 mit Hinweisen; WALTER KÄLIN, a.a.O., S. 400 ff.).
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4.3.2 Die Bürgerversammlung hat es nach den unbestrittenen Ausführungen im Entscheid des Departements des Innern vom 2. Juni 2008 erneut versäumt, ihre Beschlüsse an der zweiten Versammlung vom 19. März 2007 in Bezug auf die Beschwerdeführer unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen zu fassen und zu begründen. Während die Beschlüsse der Versammlung vom März 2005 bereits wegen Missachtung des Anspruchs der Gesuchsteller auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) aufgehoben werden mussten, litten die Entscheide vom März 2007 erneut an Gehörsverletzungen und teilweise an unzulässiger Begründung der Nichteinbürgerung. Einer der beim Departement angefochtenen kommunalen Nichteinbürgerungsentscheide verstiess zudem gegen das in Art. 8 Abs. 2 BV verankerte Diskriminierungsverbot. Dies führte zur Aufhebung der Nichteinbürgerungsentscheide durch das Departement, verbunden mit ![]() | 34 |
4.4 Diese Ausführungen sind im Lichte des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist und des Verbots der Rechtsverzögerung (Art. 29 Abs. 1 BV) zu würdigen. Danach sind die Gemeinden verpflichtet, die bei ihnen hängigen Einbürgerungsverfahren ohne unnötige Verzögerungen zum Abschluss zu bringen (vgl. BGE 130 I 174 E. 2.2 S. 177 f., BGE 130 I 269 E. 2.3 S. 272 f., 312 E. 5.1 S. 331; je mit Hinweisen; s. auch BGE 135 II 127 E. 3.4 S. 134). Die Angemessenheit einer Verfahrensdauer beurteilt sich nach der Art des Verfahrens und den konkreten Umständen einer Angelegenheit (wie Umfang und Komplexität der aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen, Bedeutung des Verfahrens für die Beteiligten etc.; vgl. Übersicht bei GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, a.a.O., N. 12 zu Art. 29 BV). Bei der Beurteilung, ob die Dauer eines Einbürgerungsverfahrens als angemessen gelten kann, ist zu berücksichtigen, dass die eidgenössische Einbürgerungsbewilligung, die Voraussetzung für die Einbürgerung auf Kantons- und Gemeindeebene bildet, auf drei Jahre befristet ist (Art. 13 Abs. 3 BüG; BGE 130 I 140 E. 4.2 S. 147). Mit dieser Befristung hat der Gesetzgeber dem Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist gemäss Art. 29 Abs. 1 BV entsprochen. Die in Art. 13 Abs. 3 BüG enthaltene Verlängerungsmöglichkeit soll nur ausnahmsweise angewendet werden, ansonsten die Befristung ihres Sinns entleert würde. Selbst wenn ein triftiger Grund für eine Fristverlängerung vorliegt, so ist von der Verlängerungsmöglichkeit im Lichte von Art. 29 Abs. 1 BV zurückhaltend Gebrauch zu machen. Das Einbürgerungsverfahren darf insgesamt eine angemessene Dauer nicht überschreiten.
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4.5 Art. 29 Abs. 1 BV verpflichtet die Gemeinden und die Rechtsmittelinstanzen somit in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu einer ![]() | 36 |
Die Einbürgerungsgesuche, die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegen, wurden in den Jahren 2003 und 2004 eingereicht. Seither haben die Beschwerdeführer das kommunale Einbürgerungsverfahren mit anschliessendem kantonalem Rechtsmittelverfahren bereits zweimal durchlaufen. Die Gesuche wurden vom zuständigen kommunalen Einbürgerungsrat beide Male positiv beurteilt, dann aber von der Bürgerversammlung ohne verfassungskonforme Begründung abgelehnt. Das Departement des Innern hat mit der wiederholten Rückweisung der Sache an die Gemeinde verkannt, dass eine solche Rückweisung zu neuer Entscheidung sinnvoll sein kann, wenn eine Verwaltungsbehörde angesprochen wird, während das gleiche Verfahren eine selbstbewusste Versammlung schweizerischer Stimmberechtigter nur zum Widerstand provoziert. In solchen Fällen soll das Departement als für Bürgerrechtsfragen zuständige Instanz auf Beschwerde hin anstelle der Gemeinde direkt in der Sache entscheiden und auf eine Rückweisung verzichten. Dies entspricht offenbar auch seiner Absicht in zukünftigen Fällen (YVO HANGARTNER, Grundsatzfragen der Einbürgerung nach Ermessen, ZBl 110/2009 S. 311). Das Departement wird eine allfällige Veränderung der individuellen Verhältnisse in Bezug auf die Einbürgerungsvoraussetzungen unter Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der betroffenen Personen und der Gemeinde prüfen müssen, bevor es über die Einbürgerungen entscheidet. In diesem Sinne ist die Sache in Anwendung von Art. 107 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 117 BGG an das Departement des Innern zur neuen Beurteilung zurückzuweisen.
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5. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde teilweise gutzuheissen und die Ziff. 1 und 5 des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2008 sowie Ziff. 2 des Entscheids des Departement des Innern vom 2. Juni 2008 aufzuheben sind. Die Sache wird an das Departement des Innern zu neuer Beurteilung zurückgewiesen. (...)
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