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7. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Konservatorium und Direktion für Erziehung, Kultur und Sport des Kantons Freiburg (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_120/2010 vom 16. Dezember 2010 | |
Regeste |
Widerruf einer ursprünglich fehlerhaften Verfügung; Art. 9 BV. |
Voraussetzungen des Widerrufs: |
- Gegenüberstehen des Interesses an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts und desjenigen des Vertrauensschutzes - dieses allerdings nur dann, wenn seine Voraussetzungen überhaupt erfüllt sind (E. 2.2 und 2.3); |
- Prüfung der Voraussetzungen des Vertrauensschutzes (E. 2.5); |
- Interessengewichtung und -abwägung (E. 2.6). | |
Sachverhalt | |
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B. Der Direktor des Konservatoriums beantragte Ende November 2008 bei der für die Ausstellung der Diplome zuständigen Direktion für Erziehung, Kultur und Sport des Kantons Freiburg (nachfolgend: EKSD), X. kein Diplom auszustellen, da der Klaviervortrag nicht öffentlich erfolgt sei. In der Folge verweigerte diese am 2. März 2009 die Ausstellung des Diploms. Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde war erfolglos.
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C. Vor Bundesgericht beantragt X., das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, I. Verwaltungsgerichtshof, vom 1. Dezember 2009 aufzuheben und die EKSD anzuweisen, dem Beschwerdeführer das Lehrdiplom innert einer Frist von 10 Tagen seit Eröffnung des Entscheides des Bundesgerichts auszustellen. Er macht im Wesentlichen eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach Art. 9 BV geltend. (...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
2.1 Die EKSD hat dem Beschwerdeführer das Diplom nach Art. 44 der Verordnung vom 5. April 2005 über die Prüfungen am Konservatorium (SGF 481.4.12; nachfolgend: PrVK) in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung) nicht erteilt (sekundäre Verfügung); in der Sache geht es allerdings nicht um das Diplom als solches, sondern um die dem Diplom zugrundeliegende Abschlussprüfung (primäre Verfügung). Da diese mit einem schweren Mangel behaftet sei, betrachtete sich die EKSD als berechtigt, den Prüfungsentscheid zu ![]() | 6 |
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2.3 Die PrVK und auch das Gesetz vom 23. Mai 1991 über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; SGF 150.1) enthalten weder Bestimmungen über den Widerruf von Prüfungsentscheiden noch über solche von Diplomen noch über den Widerruf in allgemeiner Weise. Es ist deshalb (vgl. BGE 127 II 306 E. 7a S. 313 f.) nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorzugehen, wonach eine materiell unrichtige Verfügung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen werden kann. Danach stehen sich das Interesse an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts (E. 2.4) und dasjenige am Vertrauensschutz gegenüber - dieses allerdings nur dann, wenn seine Voraussetzungen überhaupt erfüllt sind (E. 2.5). Die beiden Interessen sind anschliessend gegeneinander abzuwägen (E. 2.6). Eine Verfügung kann somit grundsätzlich nicht widerrufen werden, wenn das Interesse am Vertrauensschutz demjenigen an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts vorgeht: Dies trifft in der Regel dann zu, wenn durch die Verwaltungsverfügung ein subjektives Recht begründet worden oder die Verfügung in einem Verfahren ergangen ist, in dem die sich gegenüberstehenden Interessen allseitig zu prüfen und gegeneinander abzuwägen waren, oder wenn der Private von einer ihm ![]() | 8 |
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Die Abschlussprüfung, welche der Beschwerdeführer bestanden hat, erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit und widersprach somit den rechtlichen Vorgaben. Die Verfügung vom 13. Oktober 2008 ist demnach ursprünglich fehlerhaft. Nachfolgend ist nunmehr zu prüfen, inwiefern sich der Beschwerdeführer auf den Vertrauensschutz berufen kann.
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Erwägung 2.5 | |
2.5.1 Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens u.a. - wie im vorliegenden Fall - in eine Verfügung (WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 181; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 632; ![]() | 11 |
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Die zu beachtende Sorgfaltspflicht hat sich hier nach den Kenntnissen und Fähigkeiten eines Musikschülers und nicht eines Juristen zu richten (vgl. dazu BGE 132 II 21 E. 6 S. 35 ff.; BGE 129 II 361 E. 7.2 i.f. S. 382; WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 94 ff., 158). Ein Konsultieren der Verordnung kann deshalb nicht verlangt werden. Schüler dürfen sich auf die Aussagen der Prüfungsexperten und der -kommission grundsätzlich verlassen. Immerhin wäre naheliegend, aus der nicht bestandenen Prüfung abzuleiten, die zu wiederholende Prüfung habe ebenfalls vor Publikum zu erfolgen.
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Allerdings wurden die Schüler verschiedentlich nicht verordnungskonform geprüft: So ist der Direktor entgegen Art. 37 Abs. 1 und 2 PrVK seit Jahren nicht mehr Mitglied und Präsident der Prüfungskommission. Zudem waren mehrere Prüfungsverfahren anders abgelaufen als vorgeschrieben, und die Prüfungskommission war oftmals nicht den Vorgaben der Verordnung gemäss zusammengesetzt gewesen. Es musste daher für den Beschwerdeführer nicht aussergewöhnlich erscheinen und im Rahmen des Zulässigen liegen, als die Prüfungskommission ihm den Vorschlag unterbreitete, die Prüfung unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu wiederholen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist auch das Verhalten der Prüfungskommission zu berücksichtigen (vgl. BGE 132 II 21 E. 6.2 i.i. S. 36). Es wäre primär an ihr gewesen, die Verordnung zu konsultieren (vgl. ![]() | 14 |
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2.6.1 Die Abschlussprüfung ist nicht vor Publikum erfolgt und steht somit im Widerspruch zu den rechtlichen Vorgaben. Um das Gewicht des Interesses an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts zu bestimmen, ist indes die Prüfung in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Wie ausgeführt (oben E. 2.4) bildet die Abschlussprüfung lediglich den Abschluss der gesamten vierjährigen Ausbildung; für das Lehrdiplom (Studiengang I; Art. 36 lit. a PrVK) werden neben den Voraussetzungen, welche alle Studiengänge betreffen (Art. 39 und 40 PrVK), vor allem der Abschluss verschiedener Praktika und die Annahme einer Pädagogikdiplomarbeit verlangt. Die Abschlussprüfung muss zwar nach Art. 46 PrVK vor Publikum ![]() | 17 |
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2.6.3 Das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer rechtmässigen Prüfung vor Publikum ist entsprechend den Ausführungen gering, ![]() | 19 |
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