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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Michelle Ammann, A. Tschentscher | |||
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14. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Amt für Volksschulen und Sport und Landammann des Kantons Schwyz (Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_971/2011 vom 13. April 2012 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 2, Art. 19, 62 Abs. 1-3 und Art. 197 Ziff. 2 BV; Art. 20 Abs. 1-3 BehiG; Sonderschulung von behinderten Kindern. |
Es besteht ein grundsätzlicher Vorrang der integrierten gegenüber der separierten Sonderschulung. Im vorliegenden Fall durfte die Vorinstanz willkürfrei zum Schluss gelangen, dass die integrierte Sonderschulung in der Regelschule mittels der Behinderung angepassten Massnahmen (Logopädie usw.) mindestens gleichwertig ist, wie eine separierte Sonderschulung in einer externen Institution (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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B. X. erhob dagegen Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Schwyz. Dieser wies die Beschwerde am 11. Juli 2011 ab und ordnete an, dass X. ab August 2011 die Sek 1 in C. zu besuchen habe. Er auferlegte X. bzw. seinen Eltern die Verfahrenskosten von Fr. 500.-.
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C. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Urteil vom 26. Oktober 2011 insofern teilweise gutgeheissen, als der Regierungsrat verpflichtet wurde, die Verfahrenskosten von Fr. 500.- zurückzuerstatten. Im Übrigen wurde die Beschwerde aber im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
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D. X., vertreten durch seine Eltern X.A. und X.B., lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben mit dem ![]() | 4 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ab, soweit es darauf eintritt.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
3.1 Für das Schulwesen sind die Kantone zuständig (Art. 62 Abs. 1 BV). Sie müssen aber einen ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht gewähren (Art. 19 und 62 Abs. 2 BV). Der Unterricht muss für den Einzelnen angemessen und geeignet sein und genügen, um die Schüler angemessen auf ein selbstverantwortliches Leben im modernen Alltag vorzubereiten (BGE 133 I 156 E. 3.1 S. 158 f.; BGE 129 I 35 E. 7.3 S. 38 f.). Behinderte haben schon aufgrund von Art. 19 BV einen Anspruch auf geeignete Sonderschulung (BGE 130 I 352 E. 3.3 S. 354). Mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs wurde zudem ein neuer Abs. 3 von Art. 62 BV aufgenommen (in der Fassung vom 24. November 2004, in Kraft seit 1. Januar 2008; AS 2007 5765), wonach die Kantone namentlich für eine ausreichende Sonderschulung aller behinderten Kinder und Jugendlichen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr sorgen. Diese Bestimmung steht im Zusammenhang damit, dass die Sonderschulung bis Ende 2007 wesentlich in der Verantwortung der eidgenössischen Invalidenversicherung lag (aArt. 19 IVG, aufgehoben per Ende 2007 [AS 2007 5808]; STÉPHANIE EMERY, Les mesures de formation scolaire spéciale des mineurs, en particulier sous l'angle de la loi fédérale du 6 octobre 2006 sur la réforme de la péréquation financière et de la répartition des tâches entre la Confédération et les cantons [RPT], in: La 5e révision de l'AI, Kahil-Wolff/Simonin [Hrsg.], 2009, S. 225 ff., 226 ff.), mit der Neuregelung des Finanzausgleichs jedoch den Kantonen übertragen wurde (vgl. Botschaft vom 14. November 2001 zur Neugestaltung des Finanzausgleichs [...], BBl 2002 2291 ff., 2467; Urteile 2C_913/2008 und 2C_105/2009 vom 18. September 2009, je E. 1.1, in: RtiD 2010 I S. 83, 176; PETER UEBERSAX, Der Anspruch Behinderter auf ausreichende Grund- und Sonderschulung, in: Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, Gabriela Riemer-Kafka [Hrsg.], 2011, S. 17 ff., 26 f.; EMERY, a.a.O., S. 241 ff.). Gemäss Art. 197 Ziff. 2 BV übernehmen die ![]() | 7 |
3.2 Im Rahmen dieser Grundsätze haben die Kantone einen erheblichen Gestaltungsspielraum (BGE 133 I 156 E. 3.1 S. 158 f.; BGE 130 I 352 E. 3.2 S. 354). Das gilt auch für die Sonderschulung. Der verfassungsrechtliche Anspruch umfasst nur ein angemessenes, erfahrungsgemäss ausreichendes Bildungsangebot an öffentlichen Schulen. Ein darüber hinausgehendes Mass an individueller Betreuung, das theoretisch immer möglich wäre, kann mit Rücksicht auf das staatliche Leistungsvermögen nicht gefordert werden (BGE 130 I 352 E. 3.3 S. 354 f.; BGE 129 I 12 E. 6.4 S. 20). Der verfassungsmässige Anspruch auf unentgeltlichen Grundschulunterricht ist nicht gleichbedeutend mit dem Anspruch auf die optimale bzw. geeignetste Schulung eines Kindes (Urteile 2C_446/2010 vom 16. September 2010 E. 5.2; 2P.216/2002 vom 5. Februar 2003 E. 5.4, in: ZBl 108/2007 S. 162; GIEZENDANNER, a.a.O., Rz. 41).
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Erwägung 4 | |
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4.2 Der Beschwerdeführer beanstandet mit Recht nicht, dass die Vorinstanz von einem grundsätzlichen Vorrang der integrierten ![]() | 11 |
4.3 Hingegen rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe sich über die einhelligen Empfehlungen der zuständigen Fachpersonen hinweggesetzt, welche alle zum Ergebnis kämen, dass einzig die separierte Sonderschulung zur Anwendung kommen könne. Der Schluss der Vorinstanz, die integrierte Schulung könne als gleichwertig mit der separierten bezeichnet werden, sei aktenwidrig, willkürlich und ![]() | 12 |
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4.6.1 Die Vorinstanz hat nicht verkannt, dass die Fachleute wie auch die lokalen Schulbehörden die separierte Schulung als besser ![]() | 16 |
4.6.2 Wie in anderen Bereichen staatlicher Leistung (vgl. für die Krankenversicherung BGE 137 V 295 E. 6 S. 302 ff.; BGE 136 V 395 E. 7.4-7.6 S. 407 ff.; für die Invalidenversicherung BGE 134 I 105 E. 3 und E. 6 S. 107 f, BGE 134 I 109 f. mit Hinweisen; für die Ergänzungsleistungen BGE 131 V 263 E. 5.2.1 S. 267) kann auch im Schulwesen das staatliche Leistungsangebot nicht ohne Rücksicht auf Kostenüberlegungen ausgestaltet werden (BGE 130 I 352 E. 3.3 S. 354 f.; BGE 129 I 12 E. 6.4 S. 20). Mit Rücksicht auf das begrenzte staatliche Leistungsvermögen haben sowohl behinderte als auch nichtbehinderte Kinder Anspruch auf ausreichenden, aber nicht auf idealen oder optimalen Unterricht (Art. 19, 62 Abs. 2 und 3 BV; vgl. E. 3.2 hiervor). Jedes Kind ist auf seine Weise einzigartig. Ein standardisierter Unterricht im Klassenverband kann nie jedem einzelnen Kind in idealer Weise gerecht werden. Um dies zu erreichen, wäre eine weitgehende Individualisierung des Unterrichts erforderlich, was aber erhebliche Kosten zur Folge hätte. Dabei stellt sich aus Rechtsgleichheitsgründen die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit. Da staatliche Mittel nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, ist eine möglichst rechtsgleiche Verteilung anzustreben; mit der Rechtsgleichheit wäre es nicht vereinbar, ohne sachlichen Grund den einen wesentlich mehr Leistungen zu erbringen als anderen (BGE 136 V 395 E. 7.7 S. 413 mit Hinweisen). Es ist zwar gerechtfertigt bzw. geboten, für behinderte Kinder einen höheren Schulungsaufwand zu betreiben als für nichtbehinderte, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen und eine elementare Chancengleichheit herzustellen (vgl. BGE 134 I 105 E. 5 S. 108; BGE 130 I 352 E. 3.2 S. 354; BGE 130 V 441 E. 6.2 S. 443 f.; BGE 129 I 35 E. 7.3 S. 39; Urteil 2C_864/2010 vom 24. März 2011 E. 4.4; AESCHLIMANN-ZIEGLER, a.a.O., S. 192; GIEZENDANNER, a.a.O., Rz. 41). Indes wäre es rechtsungleich, den Behinderten mehr als das für sie Erforderliche zu gewähren, wenn die Nichtbehinderten bloss das für sie Erforderliche erhalten (AESCHLIMANN-ZIEGLER, a.a.O., S. 177). Behinderten Kindern muss nicht ungeachtet von Kostenüberlegungen ein individuell optimiertes Schulangebot zur Verfügung gestellt werden, wenn gleichzeitig für ![]() | 17 |
4.6.3 Der Beschwerdeführer hat besondere, seiner Behinderung angepasste Leistungen (Logopädie, audiopädagogische Therapie) erhalten, die ihm nach der willkürfreien Feststellung der Vorinstanz bisher ermöglicht haben, dem Unterricht in der Regelschule zwar nicht in optimaler, aber in ausreichender Weise zu folgen (vgl. E. 4.5 hiervor). Er ist damit in Berücksichtigung seiner Behinderung rechtsgleich behandelt worden wie nichtbehinderte Kinder. Die Vorinstanz hat weder das kantonale Recht willkürlich angewendet noch den bundesrechtlichen Mindestanspruch des Beschwerdeführers verletzt.
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