![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_16/2012 vom 25. April 2012 | |
Regeste |
Art. 34 Abs. 1 BV; Modalitäten bei der Umsetzung eines Volksvorschlages (konstruktiven Referendums). | |
Sachverhalt | |
1 | |
D.
| 2 |
D.a Mit Beschluss vom 9. September 2010 revidierte der Grosse Rat des Kantons Bern das Datum des Inkrafttretens der Novelle des Gesetzes über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge ein erstes Mal und passte die in den Vorlagen enthaltenen Einführungsdaten wegen der erfolgten Zeitverzögerung so an, dass die Gesetzesänderung am ![]() | 3 |
D.b X. führt mit Eingabe vom 6. Januar 2012 an das Bundesgericht ausdrücklich Stimmrechtsbeschwerde gegen die Gesetzesnovelle vom 21. November 2011, mit der das Inkrafttreten der BSFG-Revision zum zweiten Mal, diesmal auf den 1. Januar 2013, verschoben wurde. Die erste Verschiebung auf den 1. Januar 2012 wurde nicht angefochten, und sie wird auch ausdrücklich nicht in Frage gestellt. Unabhängig davon wird aber sinngemäss geltend gemacht, der Grosse Rat sei an den Text des Volksvorschlags gebunden und dürfe diesen inhaltlich nicht abändern, da der Volksvorschlag gemäss der gesetzlichen Regelung als Ganzes in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs dem Entwurf der Grossratsvorlage gegenüberzustellen sei. Der Volksvorschlag sei von einer Einführung auf den 1. Januar 2011 ausgegangen und enthalte entsprechende Bestimmungen. Auch wenn die Verschiebung auf den 1. Januar 2012 von den Urhebern akzeptiert worden sei, wozu sie nicht verpflichtet gewesen wären, könnten sie sich nunmehr gegen eine erneute Änderung wehren. Der Beschwerdeführer zieht daraus die Folgerung, bei definitivem Obsiegen des Volksvorschlages sei die BSFG-Novelle (ECOTAX-Revision) rückwirkend eigentlich auf den 1. Januar 2011, jedenfalls aber auf den 1. Januar 2012 in Kraft zu setzen, was unproblematisch sei, da sie in jeder Hinsicht für die Steuerpflichtigen nur Erleichterungen bringe.
| 4 |
E. Am 8. Februar 2012 liess sich der Regierungsrat für den Grossen Rat zur Sache vernehmen. Er schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Im Wesentlichen macht er geltend, der Volksvorschlag sei nicht inhaltlich geändert worden, sondern habe nicht anders als die parlamentarische Vorlage im Hinblick auf die letztlich wie auch immer ausgestaltete Neuregelung und angesichts der Annuität der Motorfahrzeugsteuern technisch-rechtlich angepasst werden müssen. Das verletze die politischen Rechte der Urheber des Volksvorschlags nicht. (...)
| 5 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
| 6 |
(Auszug)
| 7 |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
2.1 Art. 34 Abs. 1 BV gewährleistet in allgemeiner Weise die politischen Rechte auf Ebene des Bundes, der Kantone und der Gemeinden. ![]() | 8 |
9 | |
10 | |
11 | |
2.5 Da der Volksvorschlag in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs zu ergehen hat und dergestalt der Grossratsvorlage gegenübergestellt wird (vgl. Art. 59a Abs. 2 GPR), sind inhaltliche Änderungen durch den Grossen Rat grundsätzlich ausgeschlossen (THOMAS SÄGESSER, Das ![]() | 12 |
Erwägung 3 | |
13 | |
3.2 Grundsätzlich fragt es sich, ob der Beschwerdeführer zurzeit überhaupt ein aktuelles praktisches Interesse an seiner Beschwerde hat. Genau genommen hängt das vom Ausgang der Parallelverfahren vor Bundesgericht (1C_418/2011 und BGE 138 I 171) sowie gegebenenfalls vom Ergebnis der eventuellen Wiederholung der Abstimmung ab. Das Interesse an der Beschwerde ist nämlich daran geknüpft, dass der Volksvorschlag auch obsiegt, was nur dann zutrifft, wenn die Wiederholung der Abstimmung wegfällt, d.h. die entsprechenden Beschwerden in diesem Sinne gutgeheissen werden und das ursprüngliche Abstimmungsresultat gültig ist, oder wenn in einer ![]() | 14 |
15 | |
3.4 Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen eigentlicher oder echter und unechter Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz bei der Anwendung neuen Rechts an ein Ereignis anknüpft, das sich vor dessen Inkrafttreten ereignet hat und das im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Norm abgeschlossen ist. Diese echte Rückwirkung ist nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Rückwirkung ausdrücklich in einem Gesetz vorgesehen ist oder sich daraus klar ergibt, in einem vernünftigen Rahmen zeitlich limitiert ist, nicht zu stossenden Ungleichheiten führt, einem schutzwürdigen öffentlichen Interesse dient und wohlerworbene Rechte respektiert. Bei der unechten Rückwirkung wird auf Verhältnisse abgestellt, die zwar unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern. Auch diese Rückwirkung gilt nur dann als verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn ihr nicht wohlerworbene Rechte entgegenstehen (BGE 126 V 134 E. 4a; ![]() | 16 |
17 | |
3.6 Im Übrigen ist nicht von der Hand zu weisen, dass es sich bei der angefochtenen Gesetzesnovelle lediglich um eine technische Anpassung handelt, die durch die Verzögerung bedingt ist, welche sich aus der Anfechtung des Ergebnisses der Volksabstimmung vom 13. Februar 2011 und den damit verbundenen prozessualen Folgen ergab. Die Verschiebung des Inkrafttretens der Gesetzesnovelle ist angesichts der Unsicherheit darüber, welche Regelung denn dereinst gelten wird, sinnvoll, wenn nicht sogar unausweichlich. Klaffen nämlich Inkrafttreten und zeitliche Geltung der neuen Regelung auseinander, ergeben sich daraus etliche Probleme. Die vom Beschwerdeführer verlangte Rückwirkung würde nicht nur gesetzestechnische Fragen aufwerfen, sondern brächte auch kaum überschaubare Schwierigkeiten bei der Umsetzung der gesetzlichen Regelung mit sich. Insbesondere setzt die Einführung der neuen Regelung eine gewisse Vorlaufzeit in technisch-administrativer Hinsicht voraus. Die bereits getätigten Steuerveranlagungen müssten geändert werden, was aufwendig wäre und das Risiko von Veranlagungsfehlern mit sich brächte. Für diejenigen ![]() | 18 |
19 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |