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1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Herzog-Feusi gegen Gemeinde Freienbach, Korporation Pfäffikon und Feusi-Thür (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_273/2012 vom 7. November 2012 | |
Regeste |
Art. 34 BV; Stimmrechtsbeschwerde zur Umsetzung einer Planungsinitiative und zu den entsprechenden Erläuterungen des Gemeinderates zuhanden der Gemeindeversammlung. |
Vereinbarkeit von Abstimmungserläuterungen mit der Garantie der politischen Rechte (E. 6). | |
Sachverhalt | |
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A.b Im Jahre 1994 kaufte die Korporation Pfäffikon die zum Steinfabrikareal gehörenden Grundstücke KTN 581, 3235 und 3236 mit einer Fläche von insgesamt 63'402 m2. Sie räumte Ulrich Feusi-Thür ein Kaufsrecht als Baurechtsnehmer auf der Parzelle KTN 581 ein.
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"Das heute zur Hafenzone gehörende Gebiet des ehemaligen Steinfabrik-Areals in Päffikon sei in eine neu zu schaffende Zone für öffentliche Parkanlagen umzuzonen."
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Mit Entscheid VGE 895/05 vom 26. Januar 2006 schützte das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz einen Entscheid des Gemeinderats Freienbach, mit dem dieser die Initiative als zulässig erklärt hatte. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Prüfung der Vereinbarkeit einer Initiative mit übergeordnetem Recht erfolge nur grobmaschig und führe nur dann zur Ungültigerklärung, wenn der Inhalt eindeutig unzulässig sei. Gerade bei Initiativen, die das Planungsrecht beträfen, bestünden bei deren Umsetzung zahlreiche Kontrollmöglichkeiten und -pflichten, weshalb solche Initiativen nur bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit als ungültig zu erklären seien. Insbesondere sei die Frage einer allfälligen Beeinträchtigung der Eigentumsgarantie erst im planungs- und baurechtlichen Einsprache- und Beschwerdeverfahren zu prüfen. In der Folge nahmen die Stimmberechtigten der Gemeinde Freienbach die Initiative an der Abstimmung vom 26. November 2006 an.
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B.
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B.a Am 2. November 2007 legte der Gemeinderat Freienbach einen Teilzonenplan "Steinfabrik-Areal" sowie eine Änderung des Baureglements öffentlich auf, wonach praktisch das gesamte Steinfabrikareal im Eigentum der Korporation Pfäffikon (Parzellen KTN 581, 3235 und 3236) mit einer Gesamtfläche von rund 60'000 m2 einer neu zu schaffenden Zone für öffentliche Parkanlagen zugewiesen werden sollte.
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B.b Eine gegen diese Zonenplanänderung unter anderem von der Korporation Pfäffikon sowie von Ulrich Feusi-Thür eingereichte Einsprache hiess der Gemeinderat Freienbach mit Entscheid vom 5. bzw. 25. Juni 2008 teilweise gut und wies das Steinfabrikareal teilweise der Hafenzone und teilweise der Zone für öffentliche Parkanlagen zu. Mit diesem Einspracheentscheid reduzierte der Gemeinderat die in die Zone für öffentliche Parkanlagen umgezonte Fläche um rund 2/3 auf etwa 18'758 m2. Eine solche von 40'383 m2 verblieb in der Hafenzone.
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B.c Rechtsmittel gegen den Einspracheentscheid blieben weitgehend erfolglos.
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B.c.b Von Ulrich Feusi-Thür und der Korporation Pfäffikon eingereichte Beschwerden wies der Regierungsrat des Kantons Schwyz ab, stellte jedoch fest, dass der Gemeinderat Freienbach das Auflage- und Einspracheverfahren nach Rechtskraft des Einspracheentscheids wiederholen müsse. Dagegen erhobene Beschwerden wies das Verwaltungsgericht am 22. Dezember 2009 ab (VGE III 2009 150 und 156).
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C. Im Februar 2010 legte der Gemeinderat den abgeänderten Teilzonenplan öffentlich auf. Einsprachen unter anderem der Korporation Pfäffikon und von Ulrich Feusi-Thür wies er am 27. Mai 2010 ab. Dagegen führten die Korporation Pfäffikon und Ulrich Feusi-Thür Beschwerde beim Regierungsrat, der die Beschwerden als Sprungbeschwerden dem Verwaltungsgericht überwies. Am 6. Juli 2011 trat dieses darauf nicht ein (VGE III 2010 119 und 120). Mit Urteilen vom 28. September 2011 wies das Bundesgericht zwei von der Korporation Pfäffikon und von Ulrich Feusi-Thür dagegen eingereichte Beschwerden ab (Urteile 1C_403/2011 und 1C_383/2011). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerden seien verfrüht. Das Verwaltungsgericht habe dargelegt, dass die strittige Zonenplanänderung noch nicht genehmigt worden sei und die Sache erst nach der erforderlichen regierungsrätlichen Genehmigung dem Verwaltungsgericht und im Anschluss daran allenfalls dem Bundesgericht zur Prüfung unterbreitet werden könne. Dieses Vorgehen sei mit Bundesrecht und mit der in BGE 135 II 22 publizierten Rechtsprechung vereinbar.
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D.
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D.a In der Folge traktandierte der Gemeinderat Freienbach die Teilrevision des Zonenplans ("Teilzonenplanung Steinfabrik-Areal") für die Gemeindeversammlung vom 9. Dezember 2011 und stellte die entsprechende Einladung mit Botschaft den Haushalten zu.
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"1.1 Die Umzonungs-Vorladung des Gemeinderats Freienbach zu Handen der Gemeindeversammlung vom 9. Dezember 2011 (...) sei als ungültig, resp. unzulässig festzustellen.
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1.2 Der Gemeinderat sei anzuweisen, die Anträge meiner Einsprachen vom 3.12.2007 und 15.3.2010 rechtsgenüglich zu behandeln.
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1.3 Der Gemeinderat sei anzuweisen, eine dem Initiativ-Auftrag "Umzonung Steinfabrik-Areal" vom 26.11.2006 entsprechende Vorlage zur Abstimmung zu bringen.
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2. Eventualiter sei die Abstimmung zu Traktandum 4 der Gemeindeversammlung vom Freitag, 9.12.2001, Teilzonenplan Steinfabrik-Areal, zu sistieren, resp. das Ergebnis bei Gutheissung des gemeinderätlichen Antrags durch die Gemeindeversammlung zu kassieren, damit die Stimmbürger an der Urne über eine der Initiative entsprechende Abstimmungsvorlage entscheiden können."
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D.c Mit Schreiben vom 29. November 2011 teilte der Gemeinderat Freienbach dem Verwaltungsgericht mit, dass in der Vorlage an die Gemeindeversammlung zur Teilrevision des Zonenplans betreffend das Steinfabrikareal nicht der gesamte Anhang des Baureglements abgedruckt worden sei und damit ein formeller Mangel vorliege, weshalb das Geschäft abtraktandiert und an der Gemeindeversammlung vom 9. Dezember 2011 nicht behandelt werde. Eine entsprechende Mitteilung wurde auch auf der Homepage der Gemeinde aufgeschaltet.
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(...)
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D.e Am 18. April 2012 fällte das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, den folgenden Entscheid (VGE III 2011 181):
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"1. Die Beschwerde wird - soweit im Sinne der Erwägungen darauf eingetreten werden kann und soweit sie nicht als gegenstandslos abzuschreiben ist - abgewiesen."
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(...)
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E. Mit (...) Eingabe vom 18. Mai 2012 an das Bundesgericht stellt Irene Herzog-Feusi die folgenden Hauptanträge:
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"1. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz III 2011 181 vom 18.4.2011, Ziff. 1-3, sei aufzuheben. Die gerügten Rechtsverletzungen seien festzustellen und meine Beschwerdeanträge (ausgenommen Antrag 2) aus dem Verfahren III 2011 181 sowie mein nachgereichter Antrag vom 1.12.2011 betr. Verweigerung der Beiladung seien gutzuheissen.
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(...) In der Sache wird im Wesentlichen vorgetragen, erstens missachte die Vorlage des Gemeinderats die im Entscheid über die Initiative getroffenen Beschlüsse des Stimmvolks und zweitens informierten die Abstimmungsunterlagen die Stimmberechtigten unkorrekt bzw. in nicht neutraler Weise.
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F. Die Gemeinde Freienbach, die Korporation Pfäffikon sowie Ulrich Feusi-Thür schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. (...) Das Verwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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G. In Replik und Duplik halten die Verfahrensbeteiligten im Wesentlichen an ihren Standpunkten fest. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen ab, soweit es darauf eintritt.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 5 | |
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5.3 Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Gültigkeit der Initiative selbst oder der Abstimmung darüber. Entsprechende Verfahren haben bereits stattgefunden und endeten teilweise vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Mit Urteil vom 26. Januar 2006 (VGE 895/05, in: EGV-SZ 2006 B 7.1 S. 144) bestätigte das Verwaltungsgericht den Entscheid des Gemeinderates, mit dem dieser die Initiative auf Umzonung des Steinfabrikareals für zulässig erklärt hatte. Das ![]() | 35 |
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5.5 Zu beachten ist sodann, dass nach der schwyzerischen Gemeindeordnung der Beschluss der Gemeindeversammlung noch der Urnenabstimmung unterliegen kann (vgl. §§ 10 ff. GOG). Im Unterschied zu anderen Geschäften (vgl. etwa das Urteil des Bundesgerichts 1C_373/2010 vom 21. Februar 2011 E. 5.1 und 5.2, in: ZBl 112/2011 ![]() | 37 |
5.6 Die Umsetzung einer Planungsinitiative ist vergleichbar mit der Umsetzung einer als allgemeine Anregung angenommenen unformulierten Verfassungs- oder Gesetzesinitiative. Die Initianten können unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der politischen Rechte geltend machen, der dem Volk zur Abstimmung vorgelegte Umsetzungsentscheid entspreche nicht dem Inhalt der Initiative, verwässere diesen oder gebe ihn kaum mehr wieder (vgl. BGE 115 Ia 148 E. 1a und b S. 152 f.). Aus Art. 34 Abs. 1 BV geht hervor, dass die Behörden, welche den in einer nicht formulierten und damit nicht inhaltlich fest vorgegebenen Initiative angenommenen Regelungsgehalt umsetzen, eine Regelung auszuarbeiten und zu verabschieden haben, die den in der Initiative zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen entspricht (vgl. BGE 115 Ia 148 E. 4 S. 154 f.; Urteil des Bundesgerichts 1P.150/2003 vom 5. Dezember 2003, in: RtiD 2004 I S. 159 sowie in: SJ 2004 I S. 227). Dabei darf der Gegenstand des Begehrens nicht verlassen werden, was hier keine Probleme stellt, und ist der Sinn der Initiative einzuhalten, was im vorliegenden Fall strittig ist; innerhalb des entsprechenden Rahmens steht dem Umsetzungsorgan jedoch eine gewisse, wenn auch auf das mit der Initiative verfolgte Anliegen beschränkte Gestaltungskompetenz zu (vgl. ETIENNE GRISEL, Initiative et rérérendum populaires, 3. Aufl. 2004, Rz. 599 ff.; HANGARTNER/KLEY, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2000, Rz. 2054; BÉNÉDICTE TORNAY, La démocratie directe saisie par le juge, 2008, S. 128 f.; PIERRE TSCHANNEN, Stimmrecht und politische Verständigung, 1995, Rz. 142). Bei der Umsetzung der Initiative ist insbesondere auf grösstmögliche Vereinbarkeit des Umsetzungsaktes mit dem höherrangigen Recht zu achten, ohne dass allerdings die Einhaltung desselben in jedem Einzelfall bereits zu prüfen ist. Bei einer unformulierten ![]() | 38 |
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5.7.2 Dem Gemeinderat kann die Bereitschaft im Sinne der Initiative nicht abgesprochen werden, in einer ersten Phase eine Umzonung des ![]() | 41 |
5.7.3 Die Beschränkung des umzuzonenden Gebiets auf rund einen Drittel wird mit Blick auf die Eigentumsgarantie gemäss Art. 26 BV der Grundeigentümerin und des Baurechtsnehmers einerseits mit dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz und andererseits mit den Kostenfolgen für die Gemeinde aufgrund der wahrscheinlichen Entschädigungspflicht infolge Enteignung begründet. Nach Art. 36 Abs. 2 und 3 BV müssen Einschränkungen von Grundrechten und damit auch der Eigentumsgarantie durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Gemäss Art. 26 Abs. 2 BV sind Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, voll zu entschädigen. Zweifellos besteht ein namhaftes öffentliches Interesse an der Schaffung einer Parkanlage am See. Es erscheint aber fraglich, ohne dass dies hier bereits abschliessend zu beurteilen ist (vgl. E. 5.3), ob das öffentliche Interesse die Beschränkung des Grundeigentums auf dem gesamten Steinfabrikareal zu rechtfertigen vermag. Einerseits besteht schon ein Streifen mit öffentlichem Durchgang am Seeufer und andererseits verfügt die Gemeinde Freienbach bereits über mehrere andere öffentliche Anlagen, die den Freizeitaktivitäten, unter anderem auch entlang des Sees, der Bevölkerung dienen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann es nicht die Aufgabe der Gemeinde sein, für die ganze Region eine Parkanlage zur Verfügung zu ![]() | 42 |
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5.7.5 Rechtfertigt sich demnach eine gewisse Reduktion der umzuzonenden Fläche, so ist damit über das Ausmass dieser Beschränkung noch nichts ausgesagt. Immerhin erweist sich die fragliche Reduktion auf einen Drittel des Gebiets als erheblich, und es liesse sich fragen, ob eine solche um beispielsweise die Hälfte nicht auch genügen würde. Es liegt jedoch auf der Hand, dass den Gemeindebehörden insoweit gerade mit Blick auf die Gewährung der politischen Rechte ein gewisser Ermessensspielraum zukommen muss. Aus dem Initiativ- und Stimmrecht lässt sich nicht eine genaue Prozentgrösse ableiten, bei welcher der Volkswille bei der Planungsinitiative noch gerade eingehalten wäre. Vielmehr muss es um Grössenordnungen gehen. Die räumliche Beschränkung auf einen Drittel mag in diesem Sinne eher minimalistisch erscheinen und sich am unteren Rand ![]() | 44 |
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Erwägung 6 | |
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6.2 Die in Art. 34 Abs. 2 BV als Grundrecht verankerte Abstimmungsfreiheit gibt den Stimmberechtigten Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Es soll garantiert werden, dass jeder Stimmberechtigte seinen Entscheid gestützt auf einen möglichst freien und umfassenden Prozess der Meinungsbildung treffen und entsprechend mit seiner Stimme zum Ausdruck bringen kann. Die Abstimmungsfreiheit gewährleistet die für den demokratischen Prozess und die Legitimität direktdemokratischer Entscheidungen erforderliche Offenheit der ![]() | 48 |
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6.5 Insgesamt erweisen sich die gemeinderätlichen Erläuterungen in der Botschaft zur "Beschlussfassung über die Teilzonenplanung Steinfabrik-Areal" für die Gemeindeversammlung vom 9. Dezember 2011, ![]() | 51 |
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