BGE 139 I 37 | |||
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4. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. und Y. gegen Migrationsamt und Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_195/2012 vom 2. Januar 2013 | |
Regeste |
Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 34 Visakodex (Verordnung [EG] Nr. 810/2009); Art. 5, 10 und 17 AuG; Art. 6 und 11 VZAE; Art. 2, 4, 15 i.V.m. 16 VEV; Weigerung der Migrationsbehörde, ein Familiennachzugsgesuch zu prüfen, bei Heirat im Rahmen eines Schengenvisums zu Besuchszwecken. | |
Sachverhalt | |
Y. (geb. 1974) stammt aus Algerien. Er hielt sich vom 14. Februar 2000 bis 6. Februar 2003 im Rahmen eines Asylverfahrens in der Schweiz auf. Am 10. März 2004 wurde ihm im Kanton Schwyz eine bis zum 17. Juni 2004 gültige Kurzaufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Heirat mit einer als Flüchtling anerkannten, hier aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erteilt. Seit März 2005 verfügt Y. über eine Aufenthaltsbewilligung. Am 20. Mai 2008 wurde den Eheleuten gestattet, getrennt zu leben; am 24. Januar 2011 ist die Ehe geschieden, die gemeinsame Tochter A. (geb. 2003) unter die Sorge der Mutter gestellt und dem Vater ein Besuchsrecht im üblichen Umfang zugesprochen worden.
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Am 15. Juli 2011 heiratete Y. seine Landsfrau X., die sich mit einem für 90 Tage gültigen Besuchervisum ("Schengenvisum") ab dem 11. Juni 2011 in der Schweiz aufhielt. Am 18. Juli 2011 ersuchte sie darum, ihr eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Gatten zu erteilen. Das Migrationsamt des Kantons Zürich wies sie hierauf aus dem Schengenraum weg: Entgegen dem ursprünglichen Aufenthaltszweck ("Visite familiale/amicale") strebe sie nun eine dauerhafte Anwesenheit an, weshalb die Einreisevoraussetzungen nicht mehr erfüllt seien; sie habe das Land bzw. den Schengenraum zu verlassen und den Ausgang des Bewilligungsverfahrens im Ausland abzuwarten. Ihr Gesuch werde erst nach der Ausreise bearbeitet. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich bestätigte diese Verfügung am 19. September 2011. Am 25. Januar 2012 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die gegen deren Entscheid gerichtete Beschwerde ab: Da X. die Behörden über den wahren Zweck ihres Aufenthalts getäuscht und mit falschen Angaben ein Visum erwirkt habe, sei ihre Einreise und ihr Aufenthalt rechtswidrig gewesen. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, dass die zuständige Behörde bei offensichtlich erfüllten Zulassungsvoraussetzungen befugt sei, den Aufenthalt während des Bewilligungsverfahrens provisorisch zu gestatten (Art. 17 Abs. 2 AuG [SR 142.20]). Im Übrigen erscheine der Entscheid der Sicherheitsdirektion auch bei einer Anwendung der entsprechenden Regelung nicht unhaltbar.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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2.2 Ist dies der Fall, kann bzw. muss die zuständige kantonale Behörde im Rahmen ihres verfassungskonform (und damit auch verhältnismässig; vgl. Art. 5 Abs. 2 BV) zu handhabenden Ermessens (vgl. Art. 96 AuG; SPESCHA, a.a.O., N. 1 zu Art. 96 AuG) den Aufenthalt während des Verfahrens gestatten, falls die Voraussetzungen eines gesetzlichen, verfassungs- oder konventionsrechtlichen Anspruchs auf die Bewilligung mit grosser Wahrscheinlichkeit gegeben erscheinen (Art. 17 Abs. 2 AuG; sog. "prozeduraler Aufenthalt"; vgl. SPESCHA/KERLAND/BOLZLI, Handbuch zum Migrationsrecht, 2010, S. 85 f.). Es ist darüber in einer summarischen Würdigung der Erfolgsaussichten (sog. "Hauptsachenprognose") zu entscheiden, wie dies bei der Anordnung vorsorglicher Massnahmen regelmässig der Fall ist (BGE 130 II 149 E. 2.2). Die Anforderungen können insbesondere dann als "offensichtlich" erfüllt gelten, wenn die eingereichten Unterlagen einen gesetzlichen oder völkerrechtlichen Anspruch auf die Erteilung einer Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung belegen, keine Widerrufsgründe vorliegen (Art. 62 AuG) und die betroffene Person ihren Mitwirkungspflichten nachkommt (Art. 6 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]; vgl. zu Art. 8 EMRK nicht publ. E. 1.2.4). Allein aus Vorkehren wie der Einleitung ehe- und familienrechtlicher Verfahren, der Einschulung von Kindern, dem Liegenschaftserwerb, der Wohnungsmiete, dem Abschluss eines Arbeitsvertrags oder der Geschäftsbegründung oder -beteiligung können grundsätzlich keine Ansprüche im Bewilligungsverfahren abgeleitet werden (Art. 6 Abs. 2 VZAE). Die Behörden müssen diese Aspekte allerdings in ihre summarische Würdigung mit einbeziehen; dies gilt insbesondere dann, wenn bereits ein schützenswertes Familienleben nach Art. 8 EMRK besteht, in das mit Art. 17 Abs. 1 AuG eingegriffen wird (vgl. SPESCHA, a.a.O., N. 3 zu Art. 17 AuG; EGLI/MEYER, a.a.O., N. 13 zu Art. 17 AuG). Die Anwendung des Grundsatzes, dass der Bewilligungsentscheid im Ausland abzuwarten ist, muss grundrechtskonform erfolgen; unverhältnismässige, schikanöse Ausreiseverpflichtungen und Verfahrensverzögerungen sind im Interesse aller Beteiligten unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots (vgl. Art. 29 Abs. 1 BV) primär dadurch zu vermeiden, dass rasch erstinstanzlich in der Sache entschieden wird (vgl. SPESCHA, a.a.O., N. 2 zu Art. 17 AuG).
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Erwägung 3 | |
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Erwägung 3.2 | |
3.2.1 Die Einreise von Ausländerinnen und Ausländern gilt unter anderem dann als rechtmässig im Sinne von Art. 17 Abs. 1 AuG, wenn die Vorschriften über den Besitz von Ausweisschriften, das Visum und die Grenzkontrolle eingehalten wurden und kein Einreiseverbot besteht (vgl. Art. 5 Abs. 1 AuG i.V.m. Art. 2 der Verordnung vom 22. Oktober 2008 über die Einreise und die Visumerteilung [VEV; SR 142.204; Fassung vom 14. September 2012; in Kraft seit 1. Oktober 2012; AS 2012 4891] bzw. Art. 24 VEV [Fassung vom 22. Oktober 2008]). Die Beschwerdeführerin ist mit einem Schengenvisum für einen Aufenthalt von höchstens drei Monaten innerhalb einer Periode von 6 Monaten eingereist (Art. 4 Abs. 1 VEV [Fassung vom 14. September 2012] i.V.m. Art. 17 Abs. 3 VEV [Fassung vom 12. März 2010] bzw. aArt. 4 VEV). Nach Art. 18 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ; ABl. L 239 vom 22. September 2000 S. 19 ff. in der Fassung gemäss der Verordnung [EG] Nr. 1091/2001, ABl. L 150 vom 6. Juni 2001 S. 4 f.) sind Visa für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten Dauer nationale Visa, "die von einem der Mitgliedstaaten gemäss seinen Rechtsvorschriften erteilt werden". Die allgemeinen Einreisevoraussetzungen für längerfristige Aufenthalte im Schengenraum werden weder in Art. 5 des Schengener Grenzkodexes (Verordnung [EG] Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen [SGK; ABl. L 105 vom 13. April 2006 S. 1 ff.]) noch im übrigen Schengenrecht geregelt. Sie richten sich weiterhin nach den innerstaatlichen Bestimmungen (vgl. EGLI/MEYER, a.a.O., N. 12 zu Art. 5 AuG). Das Schengenvisum wird für bestimmte Zwecke erteilt (Reise aus beruflichen Gründen, Reise zu Studien- oder sonstigen Ausbildungszwecken, Reisen zu touristischen oder privaten Zwecken usw.), wobei diese vom Betroffenen zu belegen sind (vgl. Art. 14 Abs. 1, Art. 21 und 32 der Verordnung [EG] Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [Visakodex; ABl. L 243 vom 15. September 2009 S. 1 ff.]; Anhang I des Schengener Grenzkodexes; vgl. auch EGLI/MEYER, a.a.O., N. 11 ff. zu Art. 6 AuG). Entscheidend ist die Absicht des Drittstaatsangehörigen. Plant er vor der Einreise im Resultat einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten im Schengenraum, gilt das nationale Recht (EGLI/MEYER, a.a.O., N. 19 ff. und Fn. 38 zu Art. 6 AuG mit zahlreichen Hinweisen). Das Schengenrecht schreibt den Vertragsstaaten nicht vor, dass der Aufenthaltszweck bei Schengenvisa explizit festgelegt werden muss, lässt aber entsprechende nationale Vorschriften zu. Die Zulässigkeit des "Zweckwechsels" richtet sich nach den nationalen Regeln, soweit der Wechsel als "erheblich" gelten muss, was etwa der Fall ist, wenn sich der neue Aufenthaltszweck als bewilligungspflichtig erweist. Der Gesuchsteller hat an sich sämtliche vorhersehbaren oder gar beabsichtigten Zweckwechsel im Visumsverfahren offenzulegen (EGLI/MEYER, a.a.O., N. 30 zu Art. 6 AuG).
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3.2.2 Nach Art. 2 Abs. 3 VEV müssen Ausländer für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten neben den Voraussetzungen gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a (Reisedokument), d (keine SIS-Ausschreibung) und e (keine Gefahr für die öffentliche Ordnung) SGK, sofern erforderlich, über ein nationales Visum nach Art. 5 (Fassung vom 14. September 2012) bzw. aArt. 4 Ziff. 2 VEV verfügen (Art. 2 Abs. 3 lit. a VEV) sowie die ausländerrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen für den beabsichtigten Aufenthaltszweck erfüllen (Art. 2 Abs. 3 lit. b VEV). Für Einreisen im Hinblick auf Aufenthalte von mehr als drei Monaten in der Schweiz wird generell ein nationales Visum benötigt (vgl. Art. 10 AuG; Art. 5 Abs. 1 VEV [Fassung vom 14. September 2012] bzw. aArt. 4 Abs. 3 VEV [Vorbehalten aArt. 5 und 6 VEV]). Der bis zum 1. Oktober 2012 gültige Art. 15 Abs. 1 VEV nannte die zulässigen Aufenthaltszwecke im Rahmen der Visumsausstellung; heute gelten diese gemäss den einschlägigen Weisungen des Bundesamts bzw. des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten (vgl. BFM, Kommentar zur Anpassung der Verordnung über die Einreise und die Visumserteilung [VEV], S. 7). Die Auslandsvertretung durfte bisher das Visum nur mit Ermächtigung der zuständigen, insbesondere auch kantonalen Behörden erteilen, wenn der Aufenthalt mehr als drei Monate dauern sollte oder unabhängig von der Aufenthaltsdauer ein nicht in Absatz 1 genannter Aufenthaltszweck angeführt wurde (aArt. 15 Abs. 3 lit. a und b i.V.m. Art. 27 Abs. 1 VEV). Im neuen Recht hat der Bundesrat die Kompetenz zur Visumserteilung nunmehr dem BFM, dem EDA und den Kantonen vorbehalten (BFM, a.a.O., S. 8 zu Art. 28 VEV). Die Ausländerin oder der Ausländer ist an den im Visum festgelegten Aufenthaltszweck gebunden (Art. 16 VEV). Das Visum kann widerrufen werden, wenn die Einreisevoraussetzungen nach Art. 2 VEV nicht mehr erfüllt sind bzw. sich nachträglich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Visumserteilung nicht erfüllt waren, insbesondere unwahre Angaben gemacht oder falsche oder verfälschte Belege eingereicht wurden, um das Visum zu erschleichen, bzw. begründete Zweifel an der Identität der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers oder am angegebenen Aufenthaltszweck bestehen (aArt. 19 Abs. 1 lit. a und b i.V.m. aArt. 12 Abs. 2 lit. b und c VEV; Weisungen des BFM als Ergänzung Visahandbuch I vom 3. September 2012, Teil VII Ziff. 8 S. 109; vgl. auch Art. 34 Visakodex und Anhang V Teil A Ziff. 2 lit. b SGK: "Das Visum wird annulliert, wenn es ernsthafte Gründe zu der Annahme gibt, dass das Visum in betrügerischer Weise erlangt wurde."). Die entsprechende Regelung findet sich seit dem 1. Oktober 2012 in Art. 15 VEV (Fassung vom 14. September 2012): Danach wird ein Visum annulliert, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für seine Erteilung zum Ausstellungszeitpunkt nicht erfüllt waren, insbesondere wenn es ernsthafte Gründe zur Annahme gibt, dass das Visum durch "arglistige Täuschung" erlangt worden ist, oder sich ergibt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung nicht mehr erfüllt sind (BFM, a.a.O., S. 7 zu Art. 15 VEV).
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Erwägung 3.3 | |
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Erwägung 3.4 | |
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3.4.2 Mit der Heirat hat sich zwar der Aufenthaltszweck geändert, sodass nunmehr eine Bewilligung für die weitere Anwesenheit erforderlich erscheint, doch haben die Beschwerdeführer einen Anspruch darauf, dass ihr entsprechendes Gesuch behandelt wird, nachdem die Einreise ursprünglich mit einem gültigen Visum erfolgt ist. Die Beschwerdeführerin hat in der Schweiz während des bewilligungslosen Aufenthalts heiraten und hernach um eine Bewilligung nachsuchen dürfen. Die Regelung von Art. 17 Abs. 2 AuG gilt deshalb auch in ihrem Fall. Zwar hat das Bundesgericht in BGE 131 IV 174 ff., worauf die Vorinstanz Bezug nimmt, entschieden, dass der bewilligungsfreie Aufenthalt in der Schweiz als Tourist mit der Aufnahme einer nicht gemeldeten bzw. bewilligten Erwerbstätigkeit rechtswidrig wird, sofern nicht die besonderen Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens zur Anwendung gelangen, doch fehlte bei dieser Problematik (Erwerbstätigkeit) im Gegensatz zur vorliegenden ein entsprechender grundrechtlicher Bezug (Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV) und wurde dort gerade nicht - wie hier - nach einer rechtmässigen Einreise und während eines (zumindest) vorläufig rechtmässigen Aufenthalts ein Bewilligungsverfahren eingeleitet.
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3.4.4 Warum dies im vorliegenden Zusammenhang (Heirat während des bewilligungsfreien Aufenthalts) anders sein soll, ist nicht ersichtlich: Ziel von Art. 17 Abs. 2 AuG ist es, die grundsätzliche Ausreisepflicht nach Art. 17 Abs. 1 AuG zu mildern, wenn sie keinen Sinn macht, weil vermutlich die Bewilligung zu erteilen sein wird. Die Sistierung des Bewilligungsverfahrens ist unzulässig, da in diesem Fall gar nicht geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen von Abs. 2 gegeben erscheinen. Es bildet - wie die Beschwerdeführer zu Recht geltend machen - eine formelle Rechtsverweigerung (vgl. hierzu BGE 103 V 190 E. 3; RHINOW UND ANDERE, Öffentliches Prozessrecht, 2. Aufl. 2010, N. 277 und 282) bzw. eine sachlich ungerechtfertigte Rechtsverzögerung, Art. 17 Abs. 2 AuG in einer solchen Situation nicht anzuwenden bzw. das Bewilligungsverfahren bis zur Ausreise zu sistieren. Art. 10 AuG und Art. 11 VZAE sehen losgelöst von der visumsrechtlichen Problematik ausdrücklich vor, dass Ausländerinnen und Ausländer, deren Visum für einen Aufenthalt bis zu drei Monaten ausgestellt wurde, 14 Tage vor dem Ablauf des Visums bei der kantonalen Ausländerbehörde eine Verlängerung beantragen müssen, wenn die Ausreise nicht fristgerecht erfolgen kann oder "wenn ein anderer Aufenthaltszweck angestrebt wird". Die zuständige Migrationsbehörde ist somit verpflichtet, das Bewilligungsverfahren zu eröffnen und das Gesuch zu prüfen. Ergeht kein positiver erstinstanzlicher Entscheid während des bewilligungsfrei zulässigen Aufenthalts, worauf - eine Rechtsverzögerung vorbehalten - kein verfahrensrechtlicher Anspruch besteht, hat die betroffene Person das Land zu verlassen und den definitiven Bewilligungsentscheid im Ausland abzuwarten, es sei denn, die Zulassungs- bzw. Bewilligungsvoraussetzungen könnten im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AuG als erfüllt gelten, womit die Verpflichtung, während des Bewilligungsverfahrens auszureisen, einen prozessualen Leerlauf bilden würde.
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Erwägung 3.5 | |
3.5.1 Zwar ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 EMRK grundsätzlich kein verfahrensrechtliches Aufenthaltsrecht bis zum Bewilligungsentscheid; wurde die Ehe jedoch geschlossen, wird sie gelebt und ist - wie hier - (inzwischen) bereits ein Kind geboren, muss die Handhabung von Art. 17 AuG als Ganzes im Einzelfall im Rahmen der Interessenabwägung doch den Vorgaben von Art. 8 Ziff. 2 EMRK bzw. Art. 13 in Verbindung mit Art. 36 BV Rechnung tragen. Die Einwanderungskontrolle ist ein legitimes öffentliches Interesse, um den Anspruch auf Schutz des Familienlebens einzuschränken; aus Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV ergibt sich weder ein Recht auf Einreise oder Aufenthalt in einem bestimmten Staat noch auf Wahl des für das Familienleben am geeignetsten erscheinenden Orts (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 mit Hinweisen; bezüglich der Rechtsprechung des EGMR: Nichtzulassungsentscheid Biraga gegen Schweden vom 3. April 2012 [Nr. 1722/10] § 49 ff. und die Urteile Geleri gegen Rumänien vom 15. Februar 2011 [Nr. 33118/05] § 25 ff.; Omoregie u.Mitb. gegen Norwegen vom 31. Juli 2008 [Nr. 265/07] § 54; O'Donoghue u. Mitb. gegen Vereinigtes Königreich vom 14. Dezember 2010 [Nr. 34848/07] § 87 bzw. Hode und Abdi gegen Vereinigtes Königreich vom 6. November 2012 [Nr. 22341/09] § 43). Das entsprechende öffentliche Interesse muss jedoch jeweils gegen das private abgewogen werden, die Beziehung auch bis zum möglichst rasch zu treffenden Bewilligungsentscheid leben zu können. Bestehen keine anderen öffentlichen Interessen an der Rückkehr (Indizien für Scheinehe, Straffälligkeit, bestehende Sozialhilfeabhängigkeit usw.), ist bei absehbarer bzw. wahrscheinlicher Bewilligungsmöglichkeit vorrangig das Bewilligungsverfahren durch die Migrationsbehörde abzuschliessen (grundsätzliche Priorität des Bewilligungsverfahrens bei nachträglicher Änderung des visumsrechtlichen Aufenthaltszwecks).
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3.5.2 Dies ist letztlich auch Ausfluss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Recht auf Eheschluss und zum Anspruch auf Einreise bzw. auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Ehevorbereitung (vgl. BGE 138 I 41 ff.; BGE 137 I 351 ff.): Danach sind die Migrationsbehörden in Konkretisierung des Gesetzeszwecks von Art. 98 Abs. 4 ZGB und in sachgerechter Beachtung von Art. 8 EMRK gehalten, zur Vermeidung einer Verletzung von Art. 12 EMRK bzw. vom analog ausgelegten Art. 14 BV eine vorübergehende (Kurz-)Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, wenn keine Hinweise dafür bestehen, dass die ausländische Person rechtsmissbräuchlich handelt (Scheinehe, missbräuchliche Anrufung der Familiennachzugsbestimmungen usw.) und "klar" erscheint, dass sie nach der Heirat rechtmässig mit dem hier über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügenden Ehepartner wird leben dürfen (vgl. BGE 138 I 41 ff.; BGE 137 I 351 ff.). Diese Praxis gilt auch für abgewiesene - und damit an sich illegal anwesende - Asylbewerber, die erst mittels Heirat den ausländerrechtlichen Bewilligungsanspruch erwerben, da ihnen bei einer ernstlich gewollten Ehe und offensichtlich erfüllten Bewilligungserfordernissen nicht zugemutet werden kann, in ihre Heimat zurückzukehren und von dort aus um eine Einreisebewilligung zwecks Heirat zu ersuchen (BGE 137 I 351 E. 3.7 S. 360). Unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen ein Einreisevisum zum Zweck der Heiratsvorbereitung zu erteilen (vgl. das Urteil 2C_400/2011 vom 2. Dezember 2011) bzw. die Anwesenheit eines abgewiesenen Asylbewerbers zum Zweck der Heirat zu legalisieren ist, muss es auch möglich sein, bei einer Heirat im Rahmen eines Schengenvisums fristgerecht, d.h. noch während des bewilligungslosen Aufenthalts, ein Gesuch um Familiennachzug stellen zu können, ohne dass dessen Bearbeitung bis zur Ausreise sistiert werden dürfte (vgl. SPESCHA, a.a.O., N. 4 zu Art. 17 AuG). Der Umstand, dass Art. 17 Abs. 1 AuG nur von der rechtmässigen Einreise spricht, steht - entgegen der Ansicht der Vorinstanz - einer grundrechtskonformen Auslegung von dessen Absatz 2 nicht entgegen: Während nach dem früheren Recht (Art. 1 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAV; AS 1949 228]) der rechtmässig eingereiste Ausländer in der Regel den Bewilligungsentscheid im Land abwarten durfte, ist er heute grundsätzlich gehalten, dies im Ausland zu tun. Die entsprechende Neuregelung sollte mit der Formulierung der "rechtmässigen" Einreise hervorgehoben, nicht die Anwendbarkeit von Absatz 2 für andere Fälle, insbesondere jenen des Wechsels des Aufenthaltszwecks, ausgeschlossen werden.
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Erwägung 4 | |
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4.2 Bei Bewilligungen, auf deren Erteilung ein Anspruch besteht, bedarf es hinreichender konkreter Indizien für das Vorliegen von Verweigerungsgründen, um das Erfüllen der Zulassungsvoraussetzungen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AuG verneinen zu können; potenzielle, nicht konkretisierte bzw. wie hier widerlegte Annahmen (mögliche Fürsorgeabhängigkeit) genügen hierzu nicht. Es ist vorliegend unverhältnismässig, mit der Ausreisepflicht in die von den Beschwerdeführern und dem gemeinsamen Kind gelebte familiäre Beziehung einzugreifen und die Behandlung des Bewilligungsgesuchs von der Trennung oder der Ausreise der (ganzen) Familie abhängig zu machen. Es bestehen keine überwiegenden öffentlichen Interessen hieran, nachdem der Beschwerdeführer über einen Arbeitsplatz verfügt, ihm sein Lohn erlaubt, für sich und seine Gattin bzw. das gemeinsame Kind aufzukommen, und keine anderen Widerrufsgründe nach Art. 62 AuG geltend gemacht werden. Müsste der Beschwerdeführer mit seiner Familie ausreisen, verlöre er seine Arbeit und könnte er die Beziehung zu seinem hier lebenden Kind aus der früheren Ehe nur mehr beschränkt leben; bliebe er hier und müssten seine Gattin und sein Kind den Bewilligungsentscheid ihrerseits im Ausland abwarten, würde das gemeinsame Familienleben - selbst bei deren späteren Rückkehr in die Schweiz - ohne überwiegendes öffentliches Interesse beeinträchtigt. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung der materiellen Erfolgsaussichten sowie der auf dem Spiel stehenden privaten und öffentlichen Interessen erweist sich der Entscheid der Vorinstanz, der Beschwerdeführerin den weiteren Aufenthalt zu verweigern und die Bearbeitung ihres Gesuchs von der Ausreise abhängig zu machen, als unverhältnismässig und im Lichte von Art. 8 Ziff. 2 EMRK grundrechtswidrig.
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Erwägung 5 | |
5.1 Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und das Migrationsamt des Kantons Zürich anzuhalten, das Bewilligungsverfahren ohne weitere Sistierung durchzuführen. X. ist - eine Änderung des Sachverhalts vorbehalten - berechtigt, sich bis zu dessen Entscheid in der Schweiz aufzuhalten.
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