![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A.C. und B.C. gegen D. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_457/2015 vom 3. Mai 2016 | |
Regeste |
Protokollierungspflicht für Augenscheine im Verwaltungsjustizverfahren (Art. 29 Abs. 2 BV). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B. A.C. und B.C. stellten daraufhin beim Gemeinderat Teufen ein Gesuch um Mitbenutzung der bestehenden Zufahrt auf den Parzellen Nrn. 292 und 1937 gestützt auf Art. 66 des Gesetzes vom 12. Mai 2003 über die Raumplanung und das Baurecht des Kantons Appenzell Ausserrhoden (BauG/AR; bGS 721.1). Der Gemeinderat wies das Gesuch ab, weil die Erschliessung ab der Egglistrasse zumutbar und zweckmässig sei.
| 2 |
Das Departement für Bau und Umwelt (DBU) hiess den dagegen erhobenen Rekurs gut und ordnete an, dass die Mitbenutzung der bestehenden Zufahrt im Grundbuch anzumerken sei.
| 3 |
4 | |
C. Gegen den obergerichtlichen Entscheid erhoben A.C. und B.C. am 11. September 2015 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht.
| 5 |
Das Bundesgericht hat die Sache am 3. Mai 2016 in öffentlicher Sitzung beraten. Es heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zu neuem Entscheid an das Obergericht zurück.
| 6 |
(Zusammenfassung)
| 7 |
Aus den Erwägungen: | |
8 | |
9 | |
![]() | 10 |
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör wird zudem eine allgemeine Aktenführungspflicht der Behörden abgeleitet, als Gegenstück zum Akteneinsichts- und Beweisführungsrecht der Parteien (GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 55 zu Art. 29 BV). Dazu gehört die Pflicht zur Protokollierung entscheidrelevanter Abklärungen, Einvernahmen und Verhandlungen im Rechtsmittelverfahren (BGE 130 II 473 E. 4.2 S. 477 f.; BGE 124 V 389 E. 4a und b S. 390 f.). Das Protokoll dient einerseits den Richtern und dem Gerichtsschreiber als Gedächtnisstütze und soll es ihnen ermöglichen, die Ausführungen der Parteien tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen und pflichtgemäss zu würdigen; andererseits soll es Auskunft über die Einhaltung der Verfahrensvorschriften geben und die Rechtsmittelinstanzen in die Lage versetzen, den angefochtenen Entscheid zu überprüfen (Urteile 1C_82/2008 vom 28. Mai 2008, E. 5.2, nicht publ. in: BGE 134 II 117; 2A.450/1999 vom 14. Januar 2000 E. 3b/aa).
| 11 |
Die neuen Prozessordnungen des Bundes schreiben ein schriftliches Augenscheinprotokoll vor, gegebenenfalls ergänzt mit Plänen, Zeichnungen, fotografischen und andern technischen Mitteln (Art 182 ZPO; Art. 193 Abs. 4 StPO). In Botschaft und Kommentierung zu Art. 182 ZPO wird betont, dass nur die im Protokoll dokumentierten Ergebnisse des Augenscheins im Urteil verwertet werden dürften (Botschaft zur ZPO vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7324 zu Art. 179; ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar ZPO, Bd. II, 2012, N. 3 zu Art. 182 ZPO; WEIBEL/WALZ in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 1 zu Art. 182 ZPO; ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar, Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 182 ZPO). Das Augenscheinprotokoll kann als Teil der Akten von den Parteien eingesehen werden (Art. 53 ZPO); in der Regel wird es ihnen vom Gericht zugestellt (DENIS TAPPY, in: CPC, Code ![]() | 12 |
2.3 Auch im Verwaltungsjustizverfahren ergibt sich aus dem Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör eine Protokollierungspflicht für Augenscheine (BGE 130 II 473 E. 4.2 S. 478 mit Hinweisen). Dies entspricht auch der einhelligen Auffassung der Literatur (KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 497; ATTILIO R. GADOLA, Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, 1991, S. 409; MOOR/POLTIER, Droit administratif, Bd. II, 3. Aufl. 2011, S. 298; BENOÎT BOVAY, Procédure administrative, 2. Aufl. 2015, S. 283; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 3.139; CHRISTOPH AUER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2008, N. 52 f. zu Art. 12 VwVG; KRAUSKOPF/EMMENEGGER/BABEY, in: VwVG, Praxiskommentar [...], Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2016, N. 46 zu Art. 12 VwVG; WALDMANN/OESCHGER, ibid., N. 41 zu Art. 26 VwVG; MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, 1997, N. 33 zu Art. 19 Rz. 33 und N. 1 zu Art. 123 VRG/BE; KASPAR PLÜSS, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], Alain Griffel [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, N. 88 zu § 7 VRG/ZH).
| 13 |
Grundsätzlich ist zu verlangen, dass die Ergebnisse des Augenscheins, insbesondere die vom Gericht vor Ort gemachten Feststellungen und Wahrnehmungen, ihrem wesentlichen Inhalt nach schriftlich protokolliert werden, allenfalls ergänzt mit Fotos, Plänen etc. Den Parteien muss vor Entscheidfällung die Möglichkeit gegeben werden, davon Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äussern, insbesondere allfällige Berichtigungen zu verlangen. Im bundesgerichtlichen Verfahren lässt sich dies nicht nachholen: Gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG können die Parteien nur noch geltend machen, der Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig oder unvollständig festgestellt worden. Das Protokoll ist ihnen daher i.d.R. mit Fristansetzung zuzustellen ![]() | 14 |
2.4 In seiner bisherigen Rechtsprechung zum Verwaltungsgerichtsverfahren hat das Bundesgericht (vorbehältlich strengerer Anforderungen des kantonalen Rechts) gewisse Abweichungen von den oben dargestellten Grundsätzen toleriert, insbesondere wenn im Anschluss an den Augenschein noch eine Parteiverhandlung durchgeführt wurde und die Ergebnisse des Augenscheins und die wesentlichen Äusserungen der Parteien in den Urteilserwägungen hinlänglich wiedergegeben und gewürdigt wurden (BGE 106 Ia 73 E. 2a S. 75; BGE 126 I 213 E. 2 S. 217; Urteile 1C_193/2011 vom 24. August 2011 E. 2.3; 1C_372/2010 vom 11. Februar 2011 E. 7; offengelassen in Urteil 1C_82/2008 vom 28. Mai 2008 E. 5.2, nicht publ. in: BGE 134 II 117; 1C_430/2008 vom 16. April 2009 E. 2.3.2; 1C_134/2007 vom 24. Januar 2008 E. 3.2-3.4; kritisch dazu WALDMANN/OESCHGER, a.a.O., N. 41 zu Art. 26 VwVG; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, a.a.O. Rz. 497). Ob und inwieweit an diesen Ausnahmen in sachverhaltlich einfach gelagerten Fällen festzuhalten ist, braucht vorliegend nicht weiter erörtert zu werden, weil das Vorgehen des Obergerichts jedenfalls - wie aus dem Folgenden hervorgeht - das rechtliche Gehör der Beschwerdeführer verletzt hat. Auch weiterhin besteht jedenfalls die Möglichkeit, das Protokoll den Parteien bereits am Augenschein zur Stellungnahme zu unterbreiten; diesen steht es ausserdem frei, auf die Erstellung eines Augenscheinprotokolls zu verzichten (Urteil 1C_82/2008 vom 28. Mai 2008 E. 5.2, nicht publ. in: BGE 134 II 117).
| 15 |
16 | |
Hinzu kommt, dass das Obergericht nachträglich eine umfangreiche, aussagekräftige Fotodokumentation erstellt und direkt dem Bundesgericht übermittelt hat, mit zahlreichen Fotos, Kommentaren, Massangaben und Hervorhebungen mit roten oder gelben Pfeilen. Auch wenn die Fotos vor den Augen der Parteien gemacht wurden, wie ![]() | 17 |
Vorliegend wurde den Beschwerdeführern die Fotodokumentation erst im bundesgerichtlichen Verfahren als Beilage zur Vernehmlassung des Obergerichts zur Kenntnis gebracht. Dieses macht selbst nicht geltend, dass die Dokumentation schon vor Beschwerdeerhebung in den Akten lag und hätte eingesehen werden können. Insofern konnten die Beschwerdeführer sich weder vor Obergericht noch in ihrer Beschwerdeschrift ans Bundesgericht dazu äussern, sondern erst in ihrer Replik vom 18. Dezember 2015.
| 18 |
19 | |
2.7 Nach dem Gesagten ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführer zu bejahen. Dieser Mangel kann wegen der beschränkten Kognition des Bundesgerichts nicht geheilt werden (Art. 97 und 105 BGG). Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. Dieses muss den Parteien Gelegenheit einräumen, zum Ergebnis des Augenscheins, inklusive zur Fotodokumentation, Stellung zu nehmen, bevor es erneut entscheidet. (...)
| 20 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |