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15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Miteigentümergemeinschaft A. und Mitb. gegen Stadt Luzern und Regierungsrat des Kantons Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_140/2016 vom 9. November 2016 | |
Regeste |
Art. 27 und 94 BV; Vereinbarkeit einer Tourismuszone mit der Wirtschaftsfreiheit. | |
Sachverhalt | |
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Die Miteigentümergemeinschaft A. und die D. & Co. erhoben am 23. Mai 2012 Einsprache gegen die geplante neue Bau- und Zonenordnung (BZO) der Stadt Luzern, die aus dem Bau- und Zonenreglement (BZR) und dem Zonenplan besteht. Die genannten Einsprecher wehrten sich gegen die vorgesehene Zuweisung der ihnen gehörenden Grundstücke zur Tourismuszone gemäss Art. 10 BZR. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
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"Art. 10 Tourismuszone (TO)
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1 Die Tourismuszone dient dem Tourismus.
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2 Zulässig sind Bauten, Anlagen und Nutzungen insbesondere
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a. für Hotels und Restaurants
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b. für Casinos.
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3 Es können 20 Prozent der im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bau- und Zonenordnung bewilligten, tatsächlich touristisch genutzten Fläche voraussetzungslos für Wohn- und Arbeitsnutzungen umgenutzt werden. Erstreckt sich die Tourismusnutzung auf mehrere Grundstücke, so ist die Anteilsregelung erfüllt, wenn sie auf diesen Grundstücken insgesamt eingehalten ist.
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4 Darüber hinaus sind Wohn- und Arbeitsnutzungen zulässig, soweit sie den touristischen Zweck sichern oder optimieren. Dies ist in einem von Grundeigentümern und vom Stadtrat als unabhängig anerkannten Gutachten nachzuweisen.
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5 In jedem Fall ist das Erdgeschoss oder das vom Stadtrat bezeichnete Geschoss publikumsorientiert zu nutzen."
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Am 17. Januar 2013 stimmte der Grosse Stadtrat Luzern der neuen BZO zu. Zugleich wies er die dagegen erhobenen Einsprachen ab, darunter jene der Miteigentümergemeinschaft A. und der D. & Co. In der Volksabstimmung vom 9. Juni 2013 stimmte das Stimmvolk der Stadt Luzern der neuen BZO ebenfalls zu.
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Am 3. Juni 2014 genehmigte der Regierungsrat des Kantons Luzern die Gesamtrevision der Bau- und Zonenordnung. Die Genehmigung betreffend die Tourismuszonen und die zugehörigen Nutzungsvorschriften stellte er zunächst zurück; sie erfolgte am 18. November 2014. Zugleich wies der Regierungsrat die Beschwerden der Miteigentümergemeinschaft A. sowie der D. & Co. ab.
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B. Am 24. März 2016 erheben die Miteigentümergemeinschaft A. und die D. & Co. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung des Urteils des Kantonsgerichts Luzern und des Beschlusses des Stimmvolks der Stadt Luzern vom 9. Juni 2013 in Bezug auf die Zuordnung ihrer Grundstücke zur Tourismuszone; ihre Liegenschaften seien stattdessen der Wohn- und Arbeitszone zuzuweisen. Im Eventualstandpunkt beantragen sie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
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Erwägung 3.2 | |
3.2.1 Gemäss Art. 27 Abs. 1 BV ist die Wirtschaftsfreiheit gewährleistet. Sie beinhaltet namentlich die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung (Art. 27 Abs. 2 BV; BGE 141 V 557 E. 7.1 S. 568 mit Hinweis). Die Wirtschaftsfreiheit steht natürlichen und juristischen Personen gleichermassen zu (BGE 140 I 218 E. 6.3 S. 229 mit Hinweisen). Gemäss Art. 94 Abs. 1 BV halten sich Bund und ![]() | 18 |
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In seinem Leiturteil BGE 109 Ia 264 hat es kommunale Vorschriften über die Erstellung von Einkaufszentren als zulässig und mit der damaligen Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 22ter aBV; heute Wirtschaftsfreiheit) vereinbar erachtet, soweit sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und die ![]() | 21 |
Diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht in BGE 111 Ia 93 betreffend einen Wohnanteilsplan der Stadt Zürich bestätigt. Es hat erwogen, der Wohnanteilsplan lasse in allen Wohnzonen und in der Kernzone Raum für eine gewerbliche Nutzung, verlange er doch nirgends einen Wohnanteil von 100 %. Die Liegenschaften der Beschwerdeführerin seien lediglich mit dem untersten Ansatz von 33 % belegt. Eine solche Regelung möge zwar die Tätigkeit von Dienstleistungsbetrieben erschweren, doch könne nicht gesagt werden, der Beschwerdeführerin werde es dadurch verunmöglicht, ihre Dienstleistung zu erbringen (a.a.O., E. 3 S. 100).
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Ebenso urteilte das Bundesgericht in einem dem vorliegenden sehr ähnlichen Fall betreffend die Stadt Genf. Angefochten war ein städtisches Reglement, das namentlich bezweckte, im vorgesehenen Perimeter die bestehende Hotelnutzung als essenziellen Bestandteil des Quartierlebens zu erhalten. Die Regelung verletzte die Wirtschaftsfreiheit nicht, zumal sie für den Fall, dass die Hotelnutzung sich als unrentabel erweisen würde, eine Ausnahme vorsah (Urteil 1P.28/1993 vom 5. November 1993 E. 4 mit Hinweisen, in: SJ 1995 S. 85). Im Urteil 1C_229/2009 vom 15. Januar 2010 E. 4 erachtete das Bundesgericht eine Reglementsbestimmung, welche den Anwendungsbereich der erwähnten Regelung auf das gesamte Stadtgebiet von Genf ausdehnte, ebenfalls als mit der Wirtschaftsfreiheit vereinbar.
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Aus den genannten sowie weiteren Urteilen ergibt sich, dass eine Massnahme, die vorwiegend raumplanerisch bedingt ist, jedoch zu einer Einschränkung der gewerblichen Betätigungsmöglichkeit führt, ![]() | 24 |
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§ 35 Abs. 3 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Luzern vom 7. März 1989 (SRL 735) sieht vor, dass die Bauzonen unterteilt werden können in Kern- oder Dorfzonen, Wohnzonen, Arbeitszonen, Weilerzonen, Zonen für öffentliche Zwecke, Zonen für Sport- und Freizeitanlagen, Grünzonen, Deponiezonen, Abbauzonen und Verkehrszonen. Gemäss Abs. 4 derselben Bestimmung können die Gemeinden weitere Bauzonen vorsehen. Damit besteht Raum für eine Tourismuszone, wie sie die Stadt Luzern in Art. 10 BZR vorsieht.
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Der Zonenplan und das zugehörige Reglement bilden zusammen die baurechtliche Grundordnung und sind als Ganzes zu würdigen. Es ist nicht erforderlich und auch nicht möglich, dass sich die geografische Ausdehnung einer einzelnen Zone dem Reglement selbst entnehmen lässt. Dessen Aufgabe besteht vielmehr darin, die dort zulässigen Nutzungen näher zu umschreiben. Die präzise örtliche Umgrenzung der einzelnen Zonen erfolgt im Nutzungsplan. Die Erwartung der Beschwerdeführer, aus dem Reglement oder dem Plan sollten die Abgrenzungskriterien für die jeweilige Zonenzuordnung hervorgehen, ist nicht realistisch, müsste dies doch für alle Parzellen des jeweiligen Planperimeters gelten, was sich mit einem vernünftigen Aufwand gar nicht realisieren liesse.
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Die Rüge der Beschwerdeführer, die Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit beruhe nicht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage, geht aus diesen Gründen fehl.
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Die genannten öffentlichen Interessen sind bedeutsam und keineswegs vorgeschoben. Sie lassen faktische Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit klar in den Hintergrund treten. Wie insbesondere auch aus den folgenden Erwägungen hervorgeht, lässt sich zudem nicht behaupten, die Wirtschaftsfreiheit werde deshalb ihres Gehalts entleert.
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3.6 Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, die Nutzungsbeschränkung, die ihnen Art. 10 BZR auferlege, sei zu hoch; es sei nicht einzusehen, weshalb nur gerade 20 % der Grundstücksfläche frei ![]() | 32 |
Auch dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Es liegt auf der Hand, dass in der Tourismuszone eine überwiegende Nutzung als Hotel oder Restaurant (oder Casino) vorgeschrieben werden muss, wenn das damit angestrebte, im öffentlichen Interesse liegende Ziel erreicht werden soll. Gemäss Art. 10 Abs. 3 BZR können 20 % der im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bau- und Zonenordnung bewilligten, tatsächlich touristisch genutzten Fläche voraussetzungslos einer Wohn- oder Arbeitsnutzung zugeführt werden, was den betroffenen Hotelbetrieben einen Spielraum für gastgewerbefremde Umnutzungen eröffnet und damit eine gewisse Flexibilität ermöglicht. Darüber hinaus führt Art. 10 Abs. 4 BZR eine Ausnahmeregelung ein, die es erlaubt, weitere Flächen einer Wohn- oder Arbeitsnutzung zuzuführen, soweit sie den touristischen Zweck sichern oder optimieren. Dadurch besteht eine reglementarische Möglichkeit, einem betroffenen Hotelbetrieb im Falle schwerwiegender Ertragsprobleme über die Grenze von 20 % hinaus weitere Umnutzungen zu erlauben, um den Hotelbetrieb sicherzustellen. Es ist nicht einsichtig, weshalb mit dieser Regelung die Überlebensfähigkeit der unterstellten Hotelbetriebe gefährdet sein sollte; konkrete Hinweise hierfür liefern die Beschwerdeführer nicht. Insgesamt erscheint die Regelung somit hinreichend differenziert, um unterschiedlichen betrieblichen Bedürfnissen gerecht werden zu können; ob dies in jedem Einzelfall auch tatsächlich so wäre, kann nicht im Rahmen dieses Verfahrens geprüft werden.
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Zu berücksichtigen ist in dieser Hinsicht auch, dass die Hotelnutzung mit spezifischen Vorteilen verbunden ist, welche die mit der umstrittenen Planungsmassnahme einhergehende Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit umso mehr als zumutbar erscheinen lässt. Der Regierungsrat führte dazu in seinem Entscheid aus, die Stadt Luzern habe in der Vergangenheit Hotelbetreibern verschiedene Privilegien bezüglich grossem Bauvolumen und attraktiver Lage (See- und Aussichtslage) gewährt und nennt dafür eine Reihe von Hotels aus der gehobenen Klasse, darunter auch das Hotel Schweizerhof. Zu Recht weist er darauf hin, dass sich eine derartige Privilegierung bei einer Umnutzung nicht mehr rechtfertigen liesse.
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Der Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit ist somit, entgegen der Kritik der Beschwerdeführer, nicht unverhältnismässig.
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3.7.2 Nach dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität bzw. der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen sind Massnahmen verboten, die den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren und dadurch nicht wettbewerbsneutral sind. Als direkte Konkurrenten gelten Angehörige der gleichen Branche, die sich mit dem gleichen Angebot an dasselbe Publikum richten, um das gleiche Bedürfnis zu befriedigen. Die Gleichbehandlung der Gewerbegenossen geht weiter als das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot, gilt aber nicht absolut und schliesst gewisse Differenzierungen, etwa aus Gründen der Sozialpolitik, des Umweltschutzes oder der Kulturpolitik nicht aus. Eine entsprechend begründete Ungleichbehandlung muss jedoch verhältnismässig sein und soll spürbare Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Erforderlich ist eine Interessenabwägung (zum Ganzen: BGE 141 V 557 E. 7.2 S. 569; BGE 130 I 26 E. 6.3.3.1 S. 53; BGE 125 I 431 E. 4b/aa S. 435 f; je mit Hinweisen). Hinsichtlich des allgemeinen Rechtsgleichheitsgebots hat das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung festgehalten, es liege in der Natur der Raumplanung, dass die Gebiete, in denen gewisse Nutzungen erlaubt oder aber ausgeschlossen sind, irgendwie bezeichnet und von anderen Gebieten abgegrenzt werden müssen. Im Planungsrecht hat der Grundsatz rechtsgleicher Behandlung deshalb nur eine abgeschwächte Bedeutung (BGE 121 I 245 E. 6e/bb S. 249; BGE 117 Ia 302 E. 4b S. 307; BGE 116 Ia 193 E. 3b S. 195; Urteil 1C_76/2011 vom 29. Juli 2011 E. 4.1, in: SJ 2012 I S. 77; je mit Hinweisen). Dies ist auch bei der Beurteilung der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen zu berücksichtigen.
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3.7.3 Die von den Beschwerdeführern genannten Hotels, die nicht der Tourismuszone zugeteilt sind und zu denen der Schweizerhof in einem Konkurrenzverhältnis stehen soll, gehören allesamt nicht dem Luxussegment an und weisen zum Teil deutlich günstigere Übernachtungspreise auf als das Hotel Schweizerhof. Sie sprechen daher ![]() | 38 |
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