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12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und Mieterinnen- und Mieterverband Baselland und Dorneck-Thierstein gegen Landrat und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_519/2015 vom 12. Januar 2017 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 1 und Art. 127 Abs. 2 BV; Art. 82 lit. b BGG; Besteuerung des Eigenmietwerts; Rechtsgleichheit; horizontale Steuergerechtigkeit; abstrakte Normenkontrolle. |
Verfassungsrechtliche Vorgaben im Hinblick auf die Besteuerung des Eigenmietwerts. Der Eigenmietwert hat nach dem Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) grundsätzlich dem Marktmietwert zu entsprechen. Abweichungen vom Marktmietwert nach unten sind nur zulässig, wenn sie die Grenze von 60 % nicht unterschreiten (E. 3.2-3.4). |
Bestätigung dieser Rechtsprechung (E. 4.5). Führt eine kantonale Steuerordnung in einer beträchtlichen Zahl von Fällen zu Abweichungen von mehr als 40 % vom Marktmietwert, ist sie mit Art. 8 Abs. 1 und Art. 127 Abs. 2 BV unvereinbar (E. 4.5.2). Die basel-landschaftliche Regelung, welche in Einzelfällen eine Erhöhung zu tiefer Eigenmietwerte vorsieht, vermag systembedingte Verstösse gegen das Rechtsgleichheitsgebot nicht zu beseitigen, zumal eine gerichtliche Korrektur der Verfassungswidrigkeit ausserhalb einer abstrakten Normenkontrolle kaum je möglich ist (E. 4.5.3). | |
Sachverhalt | |
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Der Beschluss über die Änderung des Steuergesetzes wurde im kantonalen Amtsblatt Nr. 14 vom 2. April 2015 publiziert. Mit Verfügung vom 29. Mai 2015 stellte die Landeskanzlei des Kantons Basel-Landschaft den unbenutzten Ablauf der Referendumsfrist fest und erklärte den Landratsbeschluss vom 26. März 2015 betreffend Änderung des Steuergesetzes gestützt auf § 63 Abs. 1 des Gesetzes vom 7. September 1981 über die politischen Rechte (SGS 120) für rechtskräftig. Die Verfügung der Landeskanzlei wurde im Amtsblatt Nr. 23 vom 4. Juni 2015 publiziert.
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B. Mit gemeinsamer Eingabe vom 24. Juni 2015 erheben A. sowie der Mieterinnen- und Mieterverband Baselland und Dorneck-Thierstein Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beanstanden namentlich eine Verletzung des ![]() | 3 |
C. Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 12. Januar 2017 öffentlich beraten. Es heisst die Beschwerde gut.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
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2.2 Steht die Verfassungsmässigkeit eines Erlasses in Frage, so ist im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sie mit den angerufenen Verfassungsgarantien vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Norm nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist (vgl. BGE 140 I 2 E. 4 S. 14; BGE 137 I 31 E. 2 S. 39 f.; BGE 124 I 145 E. 1g S. 150 f.). Bei der abstrakten Normenkontrolle mitzuberücksichtigen bleiben die Schwere eines allfälligen Grundrechtseingriffs, die konkreten Umstände bei der Anwendung der angefochtenen Norm, die Möglichkeit eines hinreichenden verfassungsrechtlichen Schutzes im konkreten Anwendungsfall sowie allfällige Auswirkungen auf die Rechtssicherheit (vgl. BGE 140 I 2 E. 4 S. 14; BGE 137 I 31 E. 2 S. 39 f.). Zudem ist die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung nicht nur abstrakt zu untersuchen; die Wahrscheinlichkeit einer verfassungstreuen Anwendung der angefochtenen Norm ist in die Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. Urteil 8C_949/2011 vom 4. September 2012 E. 4, nicht publ., sowie E. 7.4.3.2 publ. in: BGE 138 I 331; BGE 130 I 26 E. 2.1 S. 31 f.; BGE 125 I 65 E. 3b S. 67 f.; Urteil 2C_1076/2012 vom 27. März 2014 E. 2.4, nicht publ. in: BGE 140 I 176). Der blosse Umstand, dass die Anwendung der angefochtenen Norm in besonders gelagerten Einzelfällen zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen könnte, rechtfertigt für sich alleine im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle indes noch kein höchstrichterliches Eingreifen (vgl. BGE 142 I 99 E. 4.3.5 S. 118; BGE 140 I 353 E. 3 S. 358; BGE 125 I 65 E. 3b S. 67 f.).
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2.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Ist gegen kantonale Erlasse wie vorliegend unmittelbar die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig (vgl. nicht publ. E. 1.1), stellt den ![]() | 8 |
Erwägung 3 | |
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3.3 Nach dem Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV; vgl. dazu BGE 133 I 206 E. 6 S. 215 f.) hat der Eigenmietwert grundsätzlich dem Marktmietwert zu entsprechen (vgl. ![]() | 11 |
3.4 Das Bundesgericht hat entsprechend eine Bestimmung, gemäss welcher der Eigenmietwert "in der Regel" 60 % des Marktmietwerts betragen soll, als verfassungswidrig aufgehoben, weil der kantonale Gesetzgeber mit der Festlegung eines Regelwerts von 60 % in Kauf nahm, dass Eigenmietwerte auch unterhalb der verfassungsrechtlichen Grenze liegen können (vgl. BGE 124 I 145 E. 5 S. 157). Eine Volksinitiative im Kanton Schaffhausen, mit der die Beschränkung des Eigenmietwerts auf höchstens 70 % des Marktmietwerts beabsichtigt wurde, erachtete das Bundesgericht hingegen als verfassungskonform, wobei es die Einhaltung einer Streubreite von höchstens ![]() | 12 |
Erwägung 4 | |
4.1 Im Kanton Basel-Landschaft dient als Ausgangsbasis für die Festlegung des Eigenmietwerts der einfache Brandlagerwert der Liegenschaft. Dieser wird gemäss dem Gesetz vom 12. Januar 1981 über die Versicherung von Gebäuden und Grundstücken ![]() | 13 |
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4.3 Im Hinblick auf das Ziel, die Besteuerung des Eigenmietwerts für Einfamilienhäuser und Stockwerkeigentum einer "einheitlichen Richtgrösse" von 60 % anzunähern, beschloss der Landrat des Kantons Basel-Landschaft eine Erhöhung des Korrekturfaktors für Stockwerkeigentum gemäss § 27ter Abs. 4 StG/BL sowie die hier angefochtene Reduktion der Umrechnungssätze in § 27ter Abs. 5 StG/BL. ![]() | 15 |
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Demgegenüber führt der Regierungsrat aus, dass mit der Anpassung von § 27ter Abs. 4 und Abs. 5 StG/BL das bestehende System einer formelmässigen Berechnung des Eigenmietwerts so austariert werden könne, dass bei der Eigenmietwertbesteuerung wieder eine Richtgrösse von 60 % des Marktmietwerts erreicht werde. Die bisherigen Umrechnungssätze in § 27ter Abs. 5 StG/BL führten dazu, dass bei gewissen Bauten ein "Zielerreichungsgrad" von 70 % und mehr resultiere, was der gesetzlichen Zielgrösse von 60 % des Marktmietwerts widerspreche. Mit § 27ter Abs. 6 StG/BL sei ein Korrekturmechanismus vorhanden, der eine Erhöhung des Eigenmietwerts erlaube, sofern dieser unter 60 % falle. Die kantonale Steuerverwaltung korrigiere zu tiefe Eigenmietwerte, wenn sie beim Wechsel einer Liegenschaft von der Vermietung zur Selbstnutzung oder ![]() | 17 |
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4.5.4 Nach dem Dargelegten entzieht sich die angefochtene Bestimmung (§ 27ter Abs. 5 StG/BL) auch unter Berücksichtigung ihres gesetzlichen Kontextes einer verfassungskonformen Auslegung. Sie hat in einer erheblichen Zahl von Fällen eine steuerliche Privilegierung von Eigentümern selbstbewohnter Liegenschaften zur Folge, ![]() | 22 |
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