BGE 143 I 187 | |||
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16. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Dienststelle für Industrie, Handel und Arbeit (DIHA) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_455/2016 vom 10. Februar 2017 | |
Regeste |
Art. 9 und 29 Abs. 1 BV; elektronische Beschwerde. | |
Sachverhalt | |
A. Mit Verfügung vom 25. Januar 2016 stellte das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Oberwallis den 1984 geborenen A. wegen ungenügender Arbeitsbemühungen während der Arbeitslosigkeit für den Monat November 2015 für fünf Tage in der Anspruchsberechtigung ein. Die dagegen erhobene Einsprache wies die Dienststelle für Industrie, Handel und Arbeit (nachfolgend: DIHA) mit Einspracheentscheid vom 5. April 2016 ab.
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B. Am 6. Mai 2016 reichte A. bei der sozialversicherungsrechtlichen Abteilung des Kantonsgerichts Wallis auf dem elektronischen Weg Beschwerde ein. Mit Entscheid vom 16. Juni 2016 trat das Kantonsgericht auf die Beschwerde nicht ein.
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C. A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, und die Sache sei zur materiellen Prüfung der gegen den Einspracheentscheid erhobenen Beschwerde und neuem Entscheid an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Der Sachverhalt sei durch das Bundesgericht dahingehend zu ergänzen, dass seine Eingabe vom 6. Mai 2016 mit einer anerkannten SuisseID-Signatur qualifiziert elektronisch signiert und in PDF-Format auf der anerkannten Zustellplattform IncaMail der Schweizerischen Post zu Handen der Vorinstanz auf deren durch die Bundeskanzlei publizierten Email-Adresse tribunaux-gerichte@jus.vs.ch eingereicht worden sei, deren Abgabe die Schweizerische Post durch die Abgabequittung vom 6. Mai 2016, 23.52 Uhr, bestätigt habe. Weiter wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht; eventualiter sei auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr zu verzichten oder diese zu ermässigen.
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Mit Verfügung vom 16. November 2016 wies das Bundesgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mangels Nachweises der Bedürftigkeit ab.
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Die DIHA, das Kantonsgericht und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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2.2 Das kantonale Gericht hat erwogen, die Zulässigkeit elektronischer Eingaben mit anerkannter elektronischer Signatur sei für die Zivil- und Strafangelegenheiten seit dem 1. Januar 2011 in Art. 130 ZPO und Art. 110 Abs. 2 StPO geregelt. Für das Verwaltungsverfahren (des Bundes) gelte Art. 21a Abs. 1 VwVG (SR 172.021; vgl. zudem die Verordnung vom 18. Juni 2010 über die elektronische Übermittlung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens [VeÜ-VwV; SR 172.021.2]).
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2.5 Gemäss Art. 81 des Gesetzes des Kantons Wallis vom 6. Oktober 1976 über das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsrechtspflege (VVRG; SGS 172.6) finden die Bestimmungen der Zivilprozessordnung subsidiär Anwendung. Laut Vorinstanz kommt eine subsidiäre Anwendung der Bestimmungen der ZPO jedoch nur dort in Frage, wo eine Lücke vorliegt. Bezüglich der elektronischen Eingaben liege kein nicht abschliessend geregelter Verfahrensbereich vor. Nach der Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege (BBl 2001 4202 Ziff. 2.6) bedürfe der elektronische Verkehr im Rahmen von Gerichts- und Verwaltungsbehörden einer spezifischen gesetzlichen Regelung.
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Erwägung 3 | |
3.1 Der Beschwerdeführer macht unter Hinweis auf die grosse Normendichte zum elektronischen Rechtsverkehr auf Bundesebene geltend, die Vorinstanz habe übersehen, dass der Bundesgesetzgeber diesem nachhaltig zum Durchbruch habe verhelfen wollen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass für den elektronischen Verkehr im Rahmen von Gerichts- und Verwaltungsverfahren eine spezifische gesetzliche Regelung notwendig ist (BGE 142 V 152 E. 2.4 S. 156). Solange eine entsprechende Gesetzesgrundlage fehlt, kommt von vornherein auch Art. 14 Abs. 2bis OR nicht zum Zuge, welcher die eigenhändige Unterschrift der qualifizierten elektronischen Signatur auf einem qualifizierten Zertifikat einer anerkannten Anbieterin von Zertifizierungsdiensten gleichstellt. Mit seinen Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Bundesrechtswidrigkeit aufzuzeigen hinsichtlich der Feststellung der Vorinstanz, das geltende Recht enthalte keine spezifische Vorschrift, die den elektronischen Verkehr im Sozialversicherungsverfahren des Kantons Wallis regeln würde. Sein Einwand, entgegen den Erwägungen des angefochtenen Entscheids finde Art. 55 ATSG aufgrund der Gesetzessystematik auf das im 2. Abschnitt des 4. Kapitels geregelte Sozialversicherungsverfahren, nicht aber auf das im 3. Abschnitt normierte Rechtspflegeverfahren Anwendung und der Verweis in Art. 60 Abs. 2 ATSG sehe einzig die sinngemässe Anwendung der Art. 38 bis 41 ATSG des 2. Abschnitts vor, ist unbehelflich. Das kantonale Gericht hat unter Hinweis auf UELI KIESER (ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 25 zu Art. 55 ATSG) einzig festgehalten, dass Art. 55 Abs. 1bis ATSG zutreffend davon ausgehe, dass im ATSG selber über den elektronischen Verkehr überhaupt keine Regelung enthalten sei. Nach Art. 61 ATSG bestimmt sich das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht - unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 3 VwVG - nach kantonalem Recht, das bestimmten bundesrechtlich umschriebenen Anforderungen zu genügen hat (Art. 61 lit. a bis i ATSG). Das Verfahren muss unter anderem einfach und rasch sein (lit. a). Auch wenn die Zulassung von elektronischen Eingaben im Geschäftsverkehr zwischen Gerichten und den Verfahrensbeteiligten zunehmend einem Bedürfnis entspricht, ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Anliegen von Art. 61 lit. a ATSG damit besser entsprochen würde als mit Eingaben in Papierform. Eine bundesrechtliche Verpflichtung zur Entgegennahme elektronischer Beschwerden kann darin jedenfalls nicht gesehen werden. Auch aus dem Hinweis der Vorinstanz auf Art. 42 Abs. 4 BGG vermag der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Diese Bestimmung findet auf Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide der in Art. 86 Abs. 1 BGG erwähnten Vorinstanzen des Bundesgerichts Anwendung.
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3.2 Das Fehlen einer Rechtsgrundlage für den elektronischen Rechtsverkehr in den kantonalen Verfahrensordnungen VVRG, RPflG und RVG wird vom Beschwerdeführer ausdrücklich nicht bestritten. Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn eine Regelung unvollständig ist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine echte Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Rechtssinn eine Vorschrift entnommen werden kann (zum Ganzen BGE 141 V 481 E. 3.1 S. 485; BGE 141 IV 298 E. 1.3.1 S. 299; BGE 140 III 636 E. 2.1 S. 637). Von einer unechten oder rechtspolitischen Lücke ist demgegenüber die Rede, wenn dem Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende, zu entnehmen ist. Echte Lücken zu füllen, ist dem Gericht aufgegeben, unechte zu korrigieren, ist ihm nach traditioneller Auffassung grundsätzlich verwehrt (BGE 141 V 481 E. 3.1 S. 485; BGE 139 II 404 E. 4.2 S. 417).
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Wie das kantonale Gericht richtig festgestellt hat, hat der kantonale Gesetzgeber darauf verzichtet, eine dem Bundesrecht (Art. 130 ZPO) entsprechende Regelung einzuführen. Der Bund hat den Kantonen keine Vorgaben zur Schaffung eines einheitlichen elektronischen Rechtsverkehrs gemacht. Lediglich im Rahmen seiner bestehenden Rechtsetzungskompetenz hat er unter anderem im Bereich des Zivilrechts Regelungen erlassen (vgl. Art. 130 ZPO). Aus dem generellen Verweis in Art. 81 VVRG auf die subsidiäre Anwendbarkeit der Bestimmungen der ZPO in Verbindung mit Art. 81bis Abs. 2 VVRG kann daher nicht geschlossen werden, Art. 130 ZPO finde in der Sozialversicherungsgerichtsbarkeit des Kantons Wallis Anwendung.
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3.3 Das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung für die hier fragliche Form der Beschwerdeeinreichung schliesst die Auslegung aus, erlaubt sei, was das Gesetz nicht ausdrücklich verbiete. Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf Art. 60 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 39 Abs. 1 ATSG, wonach schriftliche Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist unter anderem der Schweizerischen Post zu übergeben sind. Daran ändert nichts, dass die Schweizerische Post auch elektronische Zustellungen vornimmt und die Gerichte des Kantons Wallis über eine von der Bundeskanzlei publizierte Sammel-Email-Adresse verfügen. An diese konnte der Beschwerdeführer nach dem Gesagten nicht rechtsgültig mittels anerkannter SuisseID-Signatur eine Beschwerde in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten einreichen. Die vom Beschwerdeführer beantragte Ergänzung des vorinstanzlich festgestellten Sachverhalts dahingehend, dass er seine Beschwerde am 6. Mai 2016 den Anforderungen an eine elektronische Eingabe entsprechend mit einer anerkannten SuisseID-Signatur auf der anerkannten Zustellplattform IncaMail der Schweizerischen Post zu Handen der Vorinstanz auf deren publizierte Mail-Adresse übergeben habe, erübrigt sich somit (Art. 97 Abs. 1 BGG). Aufgrund des Hinweises im Entscheid vom 13. Mai 2014 (vgl. auch Urteil 8C_471/2014 vom 16. März 2015) durfte der Beschwerdeführer zudem nicht darauf vertrauen, dass das Kantonsgericht seine Eingabe als zulässig erachten würde. Im Beharren des kantonalen Gerichts auf der vom Gesetz vorgesehenen Form einer Eingabe kann weder überspitzter Formalismus (Art. 29 Abs. 1 BV; vgl. dazu BGE 142 V 152 E. 4.2 S. 158) noch Willkür (Art. 9 BV) gesehen werden. Da es dem Beschwerdeführer offengestanden wäre, sich innerhalb der Beschwerdefrist in Papierform an das kantonale Gericht zu wenden, kann auch von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, des Verhältnismässigkeitsprinzips und des Gebots der rechtsgleichen Behandlung nicht die Rede sein. Die Eingabe des Beschwerdeführers traf erst unmittelbar vor Ablauf der Beschwerdefrist beim kantonalen Gericht ein, weshalb dieses ihn nicht mehr im Rahmen der richterlichen Fürsorgepflicht auf das Schrifterfordernis hinweisen konnte (vgl. auch Art. 61 lit. b ATSG). Im Vorgehen der Vorinstanz liegt keine Verletzung der Rechtsweggarantie nach Art. 29a BV begründet. Soweit die Verletzungen von verfassungsmässigen Verboten überhaupt genügend konkretisiert werden (Art. 106 Abs. 2 BGG), erweisen sich die Rügen als unbehelflich.
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