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5. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg und X. (Beschwerde in Strafsachen) |
6B_1356/2016 vom 5. Januar 2018 | |
Regeste |
Anspruch auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht; Zusammensetzung des Spruchkörpers; Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. | |
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2.1 Nach Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind ausdrücklich untersagt. Die Regelung will verhindern, dass Gerichte eigens für die Beurteilung einer Angelegenheit gebildet werden. Die Rechtsprechung soll auch nicht durch eine gezielte Auswahl der Richterinnen und ![]() | 2 |
Von einem sachlichen Grund ist immer dann auszugehen, wenn diesem Schritt vernünftige Überlegungen zugrundeliegen, die einer sach- und zeitgerechten Fallerledigung dienen. Sachliche Gründe sind vereinbar mit persönlichen Motiven, die in der Person der Richterin oder des Richters liegen. Sie stehen bloss in Widerspruch zu sachwidrigen Beweggründen, die nicht dem Anliegen einer korrekten Verfahrensführung entspringen und bezwecken, in manipulativer Weise einen ganz bestimmten Spruchkörper für einen konkreten Fall einzurichten, um damit das gewünschte Ergebnis herbeizuführen (vgl. JOHANNES REICH, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, N. 15 f. zu Art. 30 BV). Insofern stellen etwa auch Arbeitsüberlastung oder kürzere krankheitsbedingte Abwesenheiten und Ferien - welch letztere nicht immer kurzfristig geplant bzw. verschoben werden können - jedenfalls bei dringlichen Verfahren sachliche Gründe dar, die sich durch das verfassungsmässige Beschleunigungsgebot (Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29 Abs. 1 BV) rechtfertigen lassen (Urteil 1B_79/2017 vom 21. September 2017 E. 4.2). Der verfassungsmässige Anspruch darauf, dass die Behörde richtig zusammengesetzt ist, schliesst ein gewisses Ermessen bei der Besetzung des Spruchkörpers sowie beim Entscheid über den Beizug von Ersatzrichtern nicht aus. Allerdings soll die Besetzung, wenn immer möglich, nach sachlichen Kriterien erfolgen (BGE 137 I 340 E. 2.2.1; BGE 105 Ia 172 E. 5b; Urteil 1B_491/2016 vom 24. März 2017 E. 1.3).
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Art. 6 Ziff. 1 EMRK verlangt unter dem Aspekt des auf Gesetz beruhenden Gerichts einen justizförmigen, unabhängigen und unparteiischen Spruchkörper, der über Streitfragen auf der Grundlage des Rechts und in einem gesetzlich vorgesehenen Verfahren mit rechtstaatlichen Garantien entscheidet. Erforderlich sind insbesondere Vorschriften über die Einrichtung, Zusammensetzung, Organisation und Zuständigkeit des Gerichts. Der EGMR prüft zwar die Einhaltung staatlichen Rechts, stellt aber die Auslegung durch die Gerichte nur in Frage, wenn sie das Recht eindeutig verletzt oder willkürlich ist. Er stellt darauf ab, ob das staatliche Gericht vernünftige Gründe hatte, seine Zuständigkeit anzunehmen. Nicht nur das Gericht, sondern auch der zur Entscheidung berufene Spruchkörper muss ![]() | 4 |
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Art. 32 Abs. 1 BGG sieht vor, dass der Präsident oder die Präsidentin der Abteilung als Instruktionsrichter beziehungsweise Instruktionsrichterin das Verfahren bis zum Entscheid leitet; er oder sie kann einen anderen Richter oder eine andere Richterin mit dieser Aufgabe betrauen.
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Nach Art. 40 Abs. 1 BGerR wird der Spruchkörper vom Präsidenten oder der Präsidentin der zuständigen Abteilung gebildet. Er oder sie berücksichtigt neben den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen namentlich folgende Kriterien und Umstände: Ausgewogenheit der Belastung der Richter und Richterinnen; dabei ist den funktionsbedingten Zusatzbelastungen (z.B. Bundesgerichtspräsidium) Rechnung zu tragen (Art. 40 Abs. 2 lit. a BGerR); Sprache; dabei soll soweit möglich die Muttersprache des Referenten oder der Referentin der Verfahrenssprache entsprechen (lit. b); Mitwirkung von Mitgliedern beiderlei Geschlechts in Fällen, in denen es die Natur der Streitsache als angezeigt erscheinen lässt (lit. c); spezifische Fachkenntnisse in einem bestimmten Bereich (lit. d); Mitwirkung an früheren Entscheiden im gleichen Sachgebiet (lit. e); Abwesenheiten, ![]() | 7 |
Seit 2012 bzw. 2013 hat das Bundesgericht zudem die EDV-Applikation "CompCour" zur automatischen Bestimmung der mitwirkenden Richter, ohne Präsident und Referent, eingeführt (Geschäftsberichte des Bundesgerichts 2012 und 2013, je S. 12), welche die Bestimmung der Spruchkörper weiter objektiviert bzw. vom subjektiven Willen des Abteilungspräsidenten abstrahiert (vgl. dazu Urteil 1B_491/2016 vom 24. März 2017 E. 1.3).
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2.3.1 Der Beschwerdeführer bestreitet zu Recht nicht, dass die in Erwägung 2.2 hiervor wiedergegebene Regelung des Art. 32 BGG und Art. 40 Abs. 2-5 BGerR im Voraus bestimmte, in jedem Einzelfall zu berücksichtigende Kriterien für die Zusammensetzung des Spruchkörpers enthält. Er macht namentlich nicht geltend, diese erfolge in bestimmten Fällen in einer von der sonst üblichen Praxis abweichenden Art und Weise, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Entgegen seiner Auffassung beruht die Zusammensetzung des Spruchkörpers damit auf entsprechenden, die Gerichtsbesetzung regelnden gesetzlichen Vorschriften, zumal hierfür ein auf Delegation basierendes (Art. 22 und 32 BGG) materielles Gesetz im Sinne eines Reglements wie das BGerR genügt. Daran ändert nichts, dass dem Abteilungspräsidenten hierbei ein gewisses Ermessen zukommt, da er zahlreiche Kriterien zu beachten hat, welche dieses Ermessen erheblich einschränken (sogleich E. 2.3.2). Es kann auch keine Rede davon sein, dass Personen als Richter fungieren würden, die gesetzlich nicht vorgesehen wären. Die Spruchkörper setzen sich stets aus den aktiven Richtern und Gerichtsschreibern zusammen, welche auf der offiziellen Website des Bundesgerichts sowie im Staatskalender ![]() | 10 |
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