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15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Solothurn (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_461/2017 vom 27. Juni 2018 | |
Regeste |
Art. 9, 16 und 36 BV, Art. 11 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 1 und 2 KV/SO, Informations- und Datenschutzgesetz des Kantons Solothurn; Zugang zu Unterlagen der IV-Stelle zu den Ergebnissen externer medizinischer Gutachten über die Arbeitsunfähigkeit von Gesuchstellern für IV-Leistungen. | |
Sachverhalt | |
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A.a Am 6. April 2016 ersuchte A. gestützt auf die kantonale Öffentlichkeitsgesetzgebung die IV-Stelle des Kantons Solothurn, ihm schriftlich mitzuteilen, in wie vielen Fällen die beiden Ärzte Dres. B. und C. mit den 75 bzw. 34 Gutachten, die sie gemäss der Liste der IV-Stelle Solothurn vom 3. Dezember 2015 in den Jahren 2012 bis 2014 erstellt hätten, eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 40 % attestiert hätten und in wie vielen Fällen daraus eine leistungsbegründende Invalidität abgeleitet worden sei. Mit Schreiben vom 26. April 2016 entsprach die IV-Stelle Solothurn dem Gesuch nicht.
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A.b Am 11. Mai 2016 reichte A. ein Schlichtungsgesuch bei der Beauftragten für Information und Datenschutz des Kantons Solothurn ein. Parallel dazu stellten drei weitere Personen analoge Begehren zu anderen Gutachtern. Am 13. Mai 2016 teilte die Informations- und Datenschutzbeauftragte mit, sie erachte sich nach Absprache mit dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten ![]() | 3 |
B. Dagegen erhob A. Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. (...) Mit Urteil vom 10. Juli 2017 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde von A. ab.
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C.
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C.a A. führt gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit folgenden Anträgen:
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"1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 10. Juli 2017 und die Verfügung der IV-Stelle Solothurn vom 1. Februar 2017 seien vollumfänglich aufzuheben.
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2. a) Die IV-Stelle sei anzuweisen, die Begutachtungsresultate der Dres. B. und C. (wie viele Gutachten von 75 resp. 34 führten zu einem positiven Ergebnis für den Bürger [Arbeitsunfähigkeit > 40%], wie viele nicht) gestützt auf die Liste betreffend Anzahl mono- und bidisziplinärer Begutachtungsaufträge der IV-Stelle Solothurn in den Jahren 2012 bis 2014 herauszugeben.
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b) Eventualiter: Die Beschwerdesache sei an die IV-Stelle Solothurn zurückzuweisen und diese sei anzuweisen, auf das Gesuch des Beschwerdeführers vom 6. April 2016 einzutreten und dieses [...] neu zu prüfen.
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c) Subeventualiter: Die Beschwerdesache sei an die kantonale Vorinstanz zurückzuweisen, um [...] abzuklären, ob die vom Beschwerdeführer beantragten Informationen durch einen einfachen elektronischen Vorgang generiert werden können.
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3. [...]"
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Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze die in der Bundesverfassung und ![]() | 12 |
C.b Die IV-Stelle Solothurn verzichtete auf einen förmlichen Antrag, äusserte sich jedoch zu einzelnen Punkten der Beschwerde und kommt dabei zum Schluss, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, den Entscheid des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
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C.c A. äusserte sich am 10. November 2017 nochmals zur Sache.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 6 | |
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6.2 Nach § 1 Abs. 2 des solothurnischen Informations- und Datenschutzgesetzes vom 21. Februar 2001 (InfoDG; BGS 114.1) bezweckt dieses Gesetz unter anderem die Förderung der Transparenz der Behördentätigkeit. Die §§ 12 ff. InfoDG regeln den Zugang zu amtlichen Dokumenten. § 12 Abs. 1 InfoDG wiederholt im Wesentlichen Art. 11 Abs. 3 KV/SO, indem darin festgehalten ist, dass jede Person das Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten hat. Gemäss § 12 Abs. 2 InfoDG kann der Zugang vom Nachweis eines schutzwürdigen Interesses abhängig gemacht werden, falls er einen besonderen Aufwand der Behörde erfordert. Nach § 6 Abs. 1 InfoDG bedeutet Zugang zu amtlichen Dokumenten Einsichtnahme und Erhalten ![]() | 17 |
Erwägung 7 | |
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7.3 Damit bleibt zu prüfen, ob die Auslegung und Anwendung des Gesetzes im vorliegenden Einzelfall unhaltbar ist. Gemäss der ständigen Praxis des Bundesgerichts ist ein Entscheid willkürlich, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das ![]() | 20 |
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7.6 Die hier fragliche gutachterliche Bescheinigung von Arbeits(un)fähigkeit ist invalidenversicherungsrechtlich für den Leistungsansprecher ![]() | 23 |
7.7 Aus den dem Bundesgericht vorliegenden Akten geht nicht eindeutig hervor, inwieweit der Beschwerdeführer im ihn betreffenden Leistungsverfahren konkret mit dem Einsatz der beiden Gutachter, um dessen Expertisen es hier geht, rechnen muss. Ein solcher Beizug von Experten ist im invalidenversicherungsrechtlichen Leistungsverfahren allerdings üblich und wird im Grundsatz von keiner Seite bestritten. Wie es scheint, ist einer der beiden Gutachter nicht mehr für die IV-Stelle Solothurn tätig bzw. wird von dieser nicht mehr für invalidenversicherungsrechtliche Expertisen beigezogen. Ob bereits ein Gutachten erstellt worden ist bzw. wer genau mit der Abklärung der Arbeitsunfähigkeit im Falle des Beschwerdeführers betraut worden ist oder noch werden soll, ergibt sich nicht schlüssig aus den dem Bundesgericht vorliegenden Akten. Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen erweisen sich insofern als unvollständig und allenfalls ergänzungsbedürftig. Der Beschwerdeführer hat aber jedenfalls ein schutzwürdiges Interesse am verlangten ![]() | 24 |
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Erwägung 8 | |
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8.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung trifft die Behörde in Fällen umfangreicher Zugangsgesuche eine gewisse Pflicht, mit dem Gesuchsteller die Begehren zu präzisieren und sie damit in eine zulässige Form zu giessen (vgl. BGE 142 II 324 E. 3.5 S. 337; vgl. auch das Urteil des Bundesgerichts 1C_155/2017 vom 17. Juli 2017 E. 2.4). Die Kantonsverfassung des Kantons Solothurn vermittelt sodann dem Beschwerdeführer einen weitgehenden Anspruch auf amtliche Information. Dieser darf nur so weit ausgeschlossen werden, als das Gesetz dies selbst vorsieht (§ 11 Abs. 3 KV/SO). § 12 InfoDG geht ebenfalls vom Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten aus. Das Gesetz kennt immerhin die Einschränkung, dass dann der Nachweis eines schutzwürdigen Interesses erbracht werden muss, wenn der Aktenzugang einen besonderen Aufwand der Behörde erfordert. Im Unterschied zu Art. 3 Abs. 1 lit. a Ziff. 5 BGÖ (SR 152.3) nimmt das solothurnische Gesetz die Akten von Verwaltungsjustizverfahren, wozu auch die hier fraglichen Gutachten zählen, nicht von den zugänglichen Informationsquellen aus, selbst nicht nach der Archivierung (vgl. § 12 Abs. 4 InfoDG). Es gewährt damit einen sehr weitgehenden Öffentlichkeitsanspruch. Diese gesetzliche Ordnung gibt den Spielraum für die Interessenabwägung bei einem Eingriff in die Informationsfreiheit vor. Das kantonale ![]() | 27 |
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8.5 Wie dargelegt (vgl. vorne E. 8.2), ist einzig entscheidend, ob der anfallende Aufwand für den verlangten Aktenzugang den Geschäftsgang der IV-Stelle Solothurn erheblich beeinträchtigen bzw. lahmlegen würde. Es ist bereits bekannt, dass es um 75 Gutachten von ![]() | 30 |
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8.7 Die IV-Stelle Solothurn verweist darauf, dass in parallelen Verfahren weitere analoge Gesuche eingereicht worden seien, weshalb im Ergebnis mit der Auswertung von mehreren hundert Gutachten zu rechnen sei. Ein solcher Parallelfall ist denn auch am Bundesgericht unter der Dossiernummer 1C_467/2017 hängig, worüber grundsätzlich separat zu entscheiden ist. Damit den Gesuchen stattgegeben werden kann, ist jedoch in jedem einzelnen Fall erforderlich, dass der jeweilige Gesuchsteller selbst über ein schutzwürdiges Interesse an den verlangten Informationen verfügt. Wenn ein solches ![]() | 32 |
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8.9 Zusammenfassend ergibt sich, dass die vorliegende Aktenlage nicht ausreicht, um den Aufwand mit genügender Klarheit abzuschätzen, der für die IV-Stelle Solothurn anfallen würde, wenn dem Beschwerdeführer die ihm zustehenden Informationen übermittelt würden. Überdies ist nicht erstellt, ob der Beschwerdeführer im Leistungsverfahren konkret mit dem Beizug von mindestens einem oder von beiden fraglichen Gutachtern rechnen muss. In diesem Sinne erweisen sich die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als ungenügend. Die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen zur Vornahme ergänzender Abklärungen. Es wird insbesondere bei der IV-Stelle Solothurn den erforderlichen Aufwand für die Bereitstellung der verlangten wesentlichen Informationen im vorne beschriebenen Umfang (vgl. E. 8.5-8.7) konkreter abzuklären haben. Der fragliche Aufwand bezieht sich auf die Gutachten oder Leistungsentscheide, die Aufschluss über die Anerkennung von Arbeitsunfähigkeit (von über 40 %) der Ärzte Dres. B. und C. in den von ihnen begutachteten Fällen gewähren, soweit diese im invalidenrechtlichen Leistungsverfahren des Beschwerdeführers als Experten beigezogen ![]() | 34 |
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