![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 23.07.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
6. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen Gemeinde Arth, Einbürgungsbehörde des Kantons Schwyz (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) |
1D_1/2019 vom 18. Dezember 2019 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 1, Art. 9 und 38 Abs. 2 BV, Art. 14 und 15 BüG (1952); Einbürgerungsvoraussetzungen des Bundes- und kantonalen Rechts bei der ordentlichen Einbürgerung. |
Anforderungen an die Protokollierung sowie an Tonaufnahmen im Einbürgerungsverfahren (E. 3). |
Erfordernis der Eingliederung in die hiesigen Verhältnisse und des Vertrautseins mit den schweizerischen und lokalen Lebensumständen. Die Einbürgerungsvoraussetzungen und insbesondere die Integrationsanforderungen müssen insgesamt verhältnismässig und diskriminierungsfrei sein und dürfen nicht überzogen erscheinen. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung aller massgeblichen Kriterien im Einzelfall. Die Beurteilung muss ausgewogen bleiben und darf nicht auf einem klaren Missverhältnis der Würdigung aller wesentlichen Kriterien beruhen (E. 4). | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.a Die italienischen Staatsangehörigen B.A., geb. 1973 in Zug, und A.A., geb. 1968, in die Schweiz zugezogen 1989, verfügen über die Niederlassungsbewilligung und wohnen seit 1993 in der Gemeinde Arth. Ihre beiden Söhne C.A., geb. 1999, und D.A., geb. 2006, kamen in der Schweiz zur Welt und haben ebenfalls die Niederlassungsbewilligung. Den Ehegatten gehört das von der Familie bewohnte 6˝-Zimmer-Einfamilienhaus in Oberarth sowie eine 2˝-Zimmer-Wohnung in der Gemeinde.
| 2 |
A.A. ist einzelzeichnungsberechtigter Gesellschafter und Geschäftsführer der seit dem 31. Mai 2001 im schwyzerischen Handelsregister eingetragenen und in V. domizilierten E. GmbH sowie der seit dem 18. Juli 2008 im schwyzerischen Handelsregister eingetragenen und in V. domizilierten F. GmbH, welche die Produktion und den Handel von Lebensmitteln, insbesondere von Glacé bezweckt. B.A. ist ebenfalls einzelzeichnungsberechtigte Gesellschafterin der F. GmbH und war bis zum 11. März 2016 auch Gesellschafterin der E. GmbH. Sie arbeitet überdies auf zwei 50 %-Stellen als Lohnbuchhalterin bzw. kaufmännische Angestellte. ![]() | 3 |
![]() | 4 |
Am 22. Juni 2016 fand das Einbürgerungsgespräch von A.A., B.A. und D.A. statt. Nach weiteren Abklärungen beschloss die Einbürgerungsbehörde Arth am 14. September 2017, das Einbürgerungsgesuch von B.A. und A.A. mit Sohn D.A. im Sinne der Erwägungen abzuweisen.
| 5 |
B. Dagegen erhoben A.A., B.A. und D.A. Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Dieses hiess die Beschwerde am 28. November 2018 hinsichtlich von B.A. und D.A. gut und wies die Einbürgerungsbehörde im Sinne der Erwägungen an, das Einbürgerungsverfahren für diese beiden Gesuchsteller weiter zu behandeln; im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, die prozessualen Rügen im Zusammenhang mit den Tonaufnahmen und der Protokollierung des Einbürgerungsgesprächs seien unbegründet; die gegen die Eheleute gemeinsam gerichteten Vorhalte eines strafbaren Verhaltens, der Steuerhinterziehung sowie sonstiger unwahrer oder widersprüchlicher Angaben seien jedoch nicht haltbar. Die Gesuchsteller erfüllten die erforderlichen Wohnsitzerfordernisse und verfügten über einen makellosen Strafregisterauszug und über ausreichende Deutschkenntnisse. Überdies habe sich die Ehefrau im Zusammenhang mit dem Bezug von Arbeitslosengeldern nicht unkorrekt verhalten. Ihrem Einbürgerungsgesuch sei daher stattzugeben und der Sohn D.A. sei darin einzubeziehen. Hingegen scheitere die Einbürgerung des Ehemannes an einem ungenügenden Nachweis der Eingliederung in die lokalen Verhältnisse.
| 6 |
C. Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 9. Januar 2019 an das Bundesgericht beantragt A.A., den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 28. November 2018 und den Beschluss der Einbürgerungsbehörde Arth vom 14. September 2017 betreffend seines ![]() ![]() | 7 |
Die Einbürgerungsbehörde Arth schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht hält ohne ausdrücklichen Antrag an seinem Entscheid fest. In Replik und Duplik halten A.A. einerseits und die Einbürgerungsbehörde andererseits an ihren Standpunkten fest.
| 8 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt den Entscheid des Verwaltungsgerichts auf und weist die Einbürgerungsbehörde Arth an, A.A. das Gemeindebürgerrecht zu erteilen.
| 9 |
(Zusammenfassung)
| 10 |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
11 | |
12 | |
2.3 Gemäss § 4 des Bürgerrechtsgesetzes des Kantons Schwyz vom 20. April 2011 (kBüG; SRSZ 110.100) mit der Marginalie "Eignung" muss, wer sich um die Erteilung des Gemeinde- und ![]() ![]() | 13 |
Die §§ 6-9 der Bürgerrechtsverordnung des Kantons Schwyz vom 5. Juni 2012 (kBüV; SRSZ 110.111) führen lediglich die hier nicht mehr strittigen Anforderungen an die gesellschaftlichen und politischen Grundkenntnisse, die finanziellen Verhältnisse, den Leumund und die von den volljährigen Gesuchstellern zu unterzeichnende Charta aus. Nicht konkretisiert hat der Regierungsrat die Anforderungen an die Kenntnisse über die Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuche in der Schweiz, im Kanton und in der Gemeinde.
| 14 |
2.4 Das Verwaltungsgericht geht in E. 1.4 des angefochtenen Entscheids davon aus, es stehe allenfalls der Gemeinde zu, hier ergänzende generell-abstrakte Vorschriften zu erlassen. Im vom Verwaltungsgericht indirekt durch Verweis angerufenen BGE 138 I 305 E. 1.4.5 S. 312 f. findet sich dazu keine verbindliche Aussage, wohl aber in zwei den Kanton Zürich betreffenden Entscheiden (Urteile 1D_2/2013 vom 14. November 2013 E. 2.2 und 1D_5/2010 vom 30. August 2010 E. 3.2.3). In BGE 146 I 83 hielt das Bundesgericht in E. 2.3 fest, dass die Gemeinden aus dem Bundesrecht bei der Einbürgerung keine Autonomie ableiten können. Eine solche ergibt sich einzig nach Massgabe des kantonalen Rechts. Wieweit der Kanton Schwyz seine Gemeinden zur ergänzenden Regelung der Einbürgerungsvoraussetzungen ermächtigt, braucht hier aber nicht vertieft zu werden, da unbestritten ist, dass die Gemeinde Arth keine ![]() ![]() | 15 |
16 | |
17 | |
2.7 Das Bundesrecht und das Recht des Kantons Schwyz sehen keinen Rechtsanspruch auf Einbürgerung vor. Die bundesgesetzliche Regelung enthält hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen mehr oder weniger grosse Beurteilungsspielräume. Sie räumt jedoch den zuständigen Behörden weder ausdrücklich noch sinngemäss ein Entschliessungsermessen ein in dem Sinne, dass es diesen freigestellt ![]() ![]() | 18 |
3. Der Beschwerdeführer rügt Unregelmässigkeiten bei den Tonaufnahmen des Einbürgerungsgesprächs sowie eine fragwürdige Protokollierung desselben. Insbesondere behauptet er, die Aufnahmen seien nicht vollständig; einzelne Teile davon seien nachträglich gelöscht worden, namentlich solche, die Äusserungen von Mitgliedern der Einbürgerungsbehörde enthielten, welche eine gewisse Feindseligkeit ihm gegenüber belegen würden. Der Beschwerdeführer beruft sich nicht auf bestimmte kantonale Verfahrensbestimmungen und legt nicht dar, inwiefern solche bundesrechtswidrig angewandt worden sein sollten. Zu prüfen ist daher einzig, ob die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz an einem massgeblichen Mangel leiden oder in allgemeiner Weise willkürlich erscheinen (...). Das Bundesgericht hat in einem ebenfalls den Kanton Schwyz betreffenden Urteil 1D_4/2018 vom 11. Juli 2019 E. 3 entschieden, dass sich das Protokoll eines Einbürgerungsgesprächs zusammenfassend auf den wesentlichen Inhalt beschränken darf, was erst recht gilt, wenn die protokollierte Befragung auf Tonträger aufgenommen wird; überdies dient die korrekt angekündigte und unter Zustimmung des Gesuchstellers vorgenommene Tonaufnahme des Einbürgerungsgesprächs der Vollständigkeit und der späteren Nachvollziehbarkeit der Sachverhaltsermittlung sowie der Überprüfbarkeit des Protokolls, und sie ist, gemessen am einschlägigen schwyzerischen Verfahrensrecht, grundsätzlich nicht willkürlich. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Unregelmässigkeiten beruhen auf Annahmen. Wohl ist einzuräumen, dass der entsprechende Nachweis nicht einfach ist. Der Beschwerdeführer beruft sich jedoch auf keine ausreichenden Hinweise, sondern lediglich auf subjektive Vermutungen. Zwar fällt auf, dass die Gemeindebehörde die Tonaufnahme während längerer Zeit nicht herausgeben wollte und erst durch das ![]() ![]() | 19 |
Erwägung 4 | |
20 | |
21 | |
![]() | 22 |
4.4 Schliesslich dürfen bei der Beurteilung der Integration als Ganzes die kantonalen und kommunalen Behörden zwar den einzelnen Kriterien eine gewisse eigene Gewichtung beimessen. Insgesamt muss ![]() ![]() | 23 |
24 | |
25 | |
4.5.2 Das Verwaltungsgericht hält fest, das Ergebnis des zweiten Blocks vermöge das Manko des ersten Blocks nicht aufzuwiegen. Darin habe der Beschwerdeführer die Mehrheit der Fragen zur Eingliederung in die schweizerischen Verhältnisse nur teilweise oder gar nicht beantworten können. Es rechnet vor, er habe bei 20 Fragen ![]() ![]() | 26 |
4.5.3 Der Beschwerdeführer hat einige Fragen korrekt, andere falsch, mehrere mit "weiss nicht" oder "kenne ich nicht" und ein paar dem Grundsatz nach beantwortet. Dabei fällt auf, dass von ihm sehr spezifische Antworten verlangt wurden. Entscheidend für die Beurteilung der Integration des Beschwerdeführers ist allerdings, ob er zu zeigen vermochte, Kenntnis vom jeweils fraglichen Sachverhalt zu haben, selbst wenn er die genauen Bezeichnungen oder alle Details nicht nennen konnte. Wenn in diesem Sinne dem Beschwerdeführer etwa das Wort "Ländler" nichts sagt, bedeutet das nicht, dass er auch nicht weiss, worum es sich bei der schweizerischen Volksmusik handelt. Da er das "Schwyzerörgeli" nennen konnte, ist eher vom Gegenteil auszugehen. Auch dass er das Alphorn als "Schwyzerhorn" bzw. "Grosses Horn" bezeichnet, belegt zwar die Unkenntnis der genauen Bezeichnung dieses Instruments, zugleich aber auch, dass er es durchaus kennt. In analoger Weise konnte der Beschwerdeführer glaubwürdig darlegen, dass ihm der Tierpark Goldau, wo er schon berufliche Aufträge ausgeführt hat, bekannt ist, obwohl er offenbar nicht wusste, dass dort Bären und Wölfe im gleichen Gehege leben. Ferner weiss auch ein durchschnittlicher Schweizer Einwohner einer Gemeinde nicht unbedingt den Namen des kommunalen Altersheims, selbst wenn er wie der Beschwerdeführer die Institution als solche kennt. Auf die Frage "Was sind Iffelen" hat er sodann gemäss Protokoll korrekt geantwortet "Eine Küssnachter Tradition, wird auf dem Kopf getragen"; nachdem er dazu nicht weiter befragt worden war, brauchte er entgegen der Auffassung der Vorinstanzen auch nicht mehr zu sagen. Schliesslich wird ihm vorgeworfen, den "Gnipen" nicht zu kennen, was in Arth unerfindlich sei, zumal dieser Berg auf der Website der Gemeinde als Bestandteil der Bergsturzspur als Sehenswürdigkeit erwähnt werde. Der ![]() ![]() | 27 |
4.6 Der Beschwerdeführer, der seit 30 Jahren in der Schweiz lebt und seit 26 Jahren in Arth wohnt, erfüllt alle Einbürgerungsvoraussetzungen mit lediglich einem gewissen Vorbehalt bei der geografischen und kulturellen Eingliederung. Auch insofern liegt aber höchstens ein geringes Manko vor, das durch die übrigen Kriterien mehr als aufgewogen wird. Ihm deswegen trotzdem die Einbürgerung zu verweigern, beruht auf einem klaren Missverhältnis bei der Abwägung sämtlicher materieller Einbürgerungsvoraussetzungen. Aufgrund einer Gesamtwürdigung ist es daher unhaltbar und damit willkürlich, den Beschwerdeführer nicht einzubürgern. ![]() | 28 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |