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20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Amt für Bevölkerung und Migration des Kantons Freiburg (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_175/2020 vom 24. November 2020 | |
Regeste |
Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Art. 8 EMRK; prekärer Aufenthalt; Umwandlung des Status der vorläufigen Aufnahme in eine Aufenthaltsbewilligung im Lichte des Anspruchs auf Achtung des Privatlebens. |
Frage des Vorliegens eines Eingriffs in den Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK aufgrund der Nachteile des Status der vorläufigen Aufnahme im Vergleich zur Aufenthaltsbewilligung offengelassen (E. 4). |
Die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung hält den Voraussetzungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK stand, womit ein allfälliger Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens gerechtfertigt ist (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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B. Am 6. Dezember 2017 stellte die nunmehr im Kanton Freiburg wohnhafte A. beim Amt für Bevölkerung und Migration des Kantons Freiburg ein Gesuch um Umwandlung ihrer vorläufigen Aufnahme in eine Aufenthaltsbewilligung. Das kantonale Amt lud A. daraufhin am 18. Dezember 2018 zu einer mehrstündigen Befragung ein. Mit Verfügung vom 31. Januar 2019 lehnte das kantonale Amt das Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit der Begründung ab, dass sich A. nicht erfolgreich integriert habe und daher keinen schwerwiegenden persönlichen Härtefall darstelle. Der Status der vorläufigen Aufnahme bleibe erhalten, da eine Wegweisung aus der Schweiz weiterhin weder möglich noch zumutbar sei. Die gegen die Verfügung vom 31. Januar 2019 beim Kantonsgericht erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg (Urteil vom 14. Januar 2020).
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 18. Februar 2020 gelangt A. an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils vom 14. Januar 2020. Das kantonale Amt für Bevölkerung und Migration sei anzuweisen, beim Staatssekretariat für Migration die Zustimmung zur Umwandlung der vorläufigen Aufnahme in eine Aufenthaltsbewilligung zu beantragen.
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(Zusammenfassung)
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1.2.2 Der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens betrifft nach dem Gesagten die Frage, ob der Beschwerdeführerin nach einem langjährigen Aufenthalt ein Anspruch auf Umwandlung der vorläufigen Aufnahme in eine Aufenthaltsbewilligung zukommt. Eine aufenthaltsbeendende Massnahme steht nicht zur Diskussion (vgl. Art. 84 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration [Ausländer- undIntegrationsgesetz, AIG; SR 142.20; bis 31. Dezember 2018: ![]() ![]() | 9 |
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1.2.5 Gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) verleiht Art. 8 EMRK ein Recht auf Regularisierung einer prekären, aber geduldeten langjährigen ![]() ![]() | 12 |
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1.2.7 Für die Eintretensfrage ist nach dem Dargelegten davon auszugehen, dass sich an der Unzumutbarkeit der Wegweisung bis auf Weiteres nichts ändern wird und die Beschwerdeführerin auf unbestimmte Zeit in einem nicht auf Dauer angelegten Aufenthaltsstatus in der Schweiz bleiben wird. Aufgrund ihrer persönlichen Situation macht die vorläufig aufgenommene Beschwerdeführerin folglich in vertretbarer Weise geltend, sie habe gestützt auf konventionsrechtliche Vorgaben einen Bewilligungsanspruch, da ihr Art. 8 Ziff. 1 EMRK (Anspruch auf Achtung des Privatlebens) ein Recht auf die Regularisierung ihrer Anwesenheit in der Schweiz einräume. ![]() ![]() | 14 |
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(...)
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4.1 Nach der Rechtsprechung des EGMR gewährt Art. 8 EMRK kein Recht auf einen bestimmten Aufenthaltstitel, solange die bestehende Aufenthaltsregelung eine weitestgehend ungehinderte Ausübung des Privatlebens ermöglicht. In diesem Sinne erwägt der EGMR, dass Art. 8 EMRK "ne va pas jusqu'à garantir à l'intéressé le droit à un type particulier de titre de séjour (permanent, temporaire ou autre), à condition que la solution proposée par les autorités lui permette d'exercer sans entrave ses droits au respect de la vie privée et familiale" (Urteil Aristimuno Mendizabal § 66). In einem weiteren Urteil hält der EGMR fest, "lorsque la législation interne en prévoit plusieurs, la Cour doit analyser les conséquences de droit et de fait découlant d'un titre de séjour donné. S'il permet à l'intéressé de résider sur le territoire de l'Etat d'accueil et d'y exercer librement ses droits au respect de la vie privée et familiale, l'octroi d'un tel titre de séjour constitue en principe une mesure suffisante ![]() ![]() | 19 |
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4.2.3 Die mit dem Status der vorläufigen Aufnahme verbundenen Nachteile beziehen sich nach dem Dargelegten im Wesentlichen auf ![]() ![]() | 23 |
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4.4 Es muss in der vorliegenden Angelegenheit jedoch nicht abschliessend beurteilt werden, ob die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Nachteile im Lichte ihrer bereits länger andauernden, prekären Anwesenheit in der Schweiz derart gravierend wären, sodass damit ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK einherginge. Im Lichte ihrer - im Folgenden darzulegenden - unzureichenden Integration liesse sich die Verweigerung der ![]() ![]() | 25 |
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5.2.1 Demnach kommt im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung - neben der bisherigen Aufenthaltsdauer - der Integration eine erhebliche Bedeutung zu. Auch der Bundesgesetzgeber anerkennt ![]() ![]() | 29 |
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5.3.1 Die Beschwerdeführerin hat nie eine Schule besucht und kann deshalb weder lesen noch schreiben. Ihr ist es aber aus gesundheitlicher und altersbedingter Sicht zumutbar gewesen, sich seit ihrer Einreise in die Schweiz aktiv entweder um ihre Alphabetisierung zu bemühen oder aber mündlich eine Landessprache in den Grundzügen zu erlernen. Ihr sprachliches Integrationsdefizit kann deshalb nicht allein auf die fehlende Alphabetisierung zurückgeführt werden. ![]() ![]() | 32 |
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5.3.3 Aus den Vorbringen der Beschwerdeführerin ergibt sich sodann, dass sie sich sozial nicht in die schweizerische Gesellschaft integriert hat. Ihre sozialen Beziehungen beschränken sich im Wesentlichen auf ihre Familie und nicht auf das sonstige gesellschaftliche Leben. Ausserhalb ihrer Familie pflegt sie lediglich mit zwei Nachbarinnen Kontakte. Es besteht damit weder ein von der Familie unabhängiger, eigenständiger Freundeskreis noch liegt eine über die Familie hinausgehende Teilnahme am gesellschaftlichen Leben vor. ![]() ![]() | 34 |
5.4 Trotz des langjährigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin in der Schweiz ist insgesamt von einer zu wenig fortgeschrittenen Integration auszugehen. Demzufolge ist es mit Art. 8 EMRK vereinbar, wenn die Vorinstanz der Beschwerdeführerin keine Aufenthaltsbewilligung erteilt. Ein allfälliger Eingriff in den Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK aufgrund der Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung liesse sich infolge einer ungenügenden Integration im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK rechtfertigen. Eine Verletzung von Art. 8 EMRK liegt nicht vor. ![]() | 35 |
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