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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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1. Auszug aus dem Urteil vom 27. Januar 1955 i. S. Eheleute S. | |
Regeste |
Scheidung wegen Ehebruchs. |
Zustimmung durch schlüssiges Verhalten. |
Widerruf der Zustimmung durch Einleitung der Scheidungsklage? | |
Sachverhalt | |
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Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil ab.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Art. 137 Abs. 3 ZGB lautet: "Keine Klage hat der Ehegatte, der dem Ehebruch zugestimmt oder ihn verziehen hat." Diese Vorschrift hat nicht den Sinn, dem beklagten Gatten eine Einrede zu gewähren, die wie etwa die Einrede der Verjährung (vgl. Art. 142 OR) ausdrücklich erhoben werden müsste. Vielmehr schliesst sie den Gatten, der dem Ehebruch zugestimmt oder ihn verziehen hat, schlechtweg vom Klagerecht aus. Gelangt der Richter zur Überzeugung, dass eine Zustimmung oder eine Verzeihung im Sinne von Art. 137 Abs. 3 ZGB vorliege, so hat er also die auf Ehebruch gestützte Klage auch dann abzuweisen, wenn der beklagte Gatte sich der Scheidung nicht widersetzt oder den Antrag auf Abweisung der Klage nicht mit der Zustimmung oder Verzeihung begründet hat. Der Anwendung von Art. 137 Abs. 3 auf die vorliegende Klage steht daher nicht im Wege, dass die Beklagte im kantonalen Verfahren nicht geltend gemacht hat, der Kläger habe den seit dem Vermittlungsvorstand von 1950 begangenen Ehebrüchen (die sie im kantonalen Verfahren bis kurz vor Erlass des zweitinstanzlichen Urteils bestritten ![]() | 3 |
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Die ehebrecherischen Beziehungen zwischen der Beklagten und Dr. K. hätten im Jahre 1948 begonnen und bis ins Jahre 1952 hinein gedauert. Zur selben Zeit und noch später habe der Kläger seinerseits mit Frau M. Beziehungen unterhalten, von denen er zugebe, dass sie jedenfalls bis zum Vermittlungsvorstand im Jahre 1950 ehewidrig gewesen seien, auch wenn er einen Ehebruch in Abrede stelle. Der als Zeuge einvernommene Anwalt Dr. P., der damals den Parteien zur Versöhnung geraten habe, habe ausgesagt, er habe beide Parteien ermahnt, ihre ehewidrigen Beziehungen abzubrechen, womit sich die Beklagte sofort einverstanden erklärt habe, während der Kläger gesagt habe, das komme für ihn gar nicht in Frage, er lasse sich von niemandem dreinreden. Der Kläger habe denn auch, stellt die Vorinstanz weiter fest, seine Beziehungen zu Frau M. keineswegs abgebrochen, sondern in intensiver Weise fortgesetzt. Im Jahre 1952 habe er sie unter Vernachlässigung seines Geschäfts zwölfmal in St. Johann besucht und sich insgesamt ungefähr 17 Wochen lang dort aufgehalten. Dabei habe er gewusst, dass die Beklagte überzeugt war, es handle sich bei seinen Beziehungen zu Frau M. um ein ehebrecherisches Verhältnis, und dass sie daraus einen Freibrief für sich ableitete. Im ![]() | 5 |
(Es folgen Ausführungen darüber, dass diese Feststellungen gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlich sind.)
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5. War der Kläger damit einverstanden, dass die Beklagte mit Dr. K. zusammenkam, obwohl er davon überzeugt war, dass es bei diesen Gelegenheiten zum Ehebruch komme, so hat die Vorinstanz mit Recht angenommen, er habe den Ehebrüchen der Beklagten im Sinne von Art. 137 Abs. 3 ZGB zugestimmt. Dass nicht nur eine ![]() | 7 |
Das von der Vorinstanz angenommene Einverständnis des Klägers mit den nach seiner Überzeugung zum Ehebruch benützten Zusammenkünften der Beklagten und ihres Freundes bestand nicht etwa nur darin, dass er dagegen keine Einwendungen erhob und dem Treiben der beiden tatenlos zusah. Aus den Feststellungen der Vorinstanz ergibt sich vielmehr, dass er diese Zusammenkünfte begünstigte, indem er die Beklagte wiederholt selber nach Österreich brachte, damit sie dort ohne ihn die Ferien verbringe, und dabei sogar gelegentlich im Vorbeiweg mit ihr zusammen bei Dr. K. vorsprach. Unter den gegebenen Umständen dürfte im übrigen schon sein Stillschweigen und Gewährenlassen als Zustimmung zum Ehebruch im Sinne von Art. 137 Abs. 3 ZGB aufgefasst werden. Da er mit Frau M. Beziehungen pflegte, von denen er wusste, dass die Beklagte sie für ehebrecherisch hielt, und der Beklagten gleichzeitig, wie er selber erklärt; jahrelang den Geschlechtsverkehr verweigerte, und da ihm überdies laut tatsächlicher Feststellung bekannt war, dass die Beklagte aus seinem Verhalten für sich einen Freibrief ableitete, muss er sich, wenn er gegen die Zusammenkünfte der Beklagten mit ihrem Freund, deren Zweck ihm bekannt war, nicht unmissverständlich Einspruch erhob, die Annahme gefallen lassen, er habe der Beklagten nicht zugemutet, dass sie ihm die Treue wahre. Ein solcher Einspruch ist aber eben nicht dargetan. Dass er der Beklagten nach der Rückkehr von der im September 1951 ohne sein Vorwissen unternommenen Reise, bei der sie in Innsbruck unter seinen Augen mit Dr. K. zusammentraf, oder bei anderer Gelegenheit "Vorhalte" gemacht habe, die sich auf ihre Beziehungen zu Dr. K. bezogen, ist im kantonalen Verfahren nicht in konkreter Form behauptet, geschweige denn nachgewiesen worden, so dass auf die hierauf bezüglichen (übrigens wenig ![]() | 8 |
Der Umstand, dass der Kläger von den seit dem Vermittlungsvorstand vom Jahre 1950 begangenen Ehebrüchen der Beklagten erst im April prozessual verwertbare Kenntnis erhielt, steht der Annahme, dass diese Ehebrüche mit seiner Zustimmung erfolgt seien, nicht entgegen. Prozessual verwertbare Kenntnis, d.h. Beweisbarkeit der Ehebrüche ist nicht Voraussetzung der Zustimmung. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Zustimmung zum voraus erteilt werden kann, in einem Zeitpunkt also, da noch niemand bestimmt wissen kann, ob es wirklich zum Ehebruch kommen wird. Die Art, wie sich der klagende Ehegatte während der Dauer eines ehebrecherischen Verhältnisses des andern verhalten hat, kann daher in Fällen wie dem vorliegenden sehr wohl als Zustimmung zum Ehebruch gewürdigt werden, auch wenn der klagende Gatte keme bestimmten, beweisbaren Anhaltspunkte dafür besass, sondern nur innerlich davon überzeugt war, dass der andere die Ehe breche. Dass beim Kläger diese Überzeugung bestand, ist eine von der Vorinstanz verbindlich festgestellte Tatsache.
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Ob der beklagte Gatte beim Ehebruch der Zustimmung des andern sicher war, ist unerheblich. Eine Zustimmung kann unter Umständen sogar in einem Verhalten erblickt werden, von dem der Ehebrecher überhaupt keine Kenntnis hatte (Anstiftung eines Dritten zum Ehebruch). Schon deshalb lässt sich die Anwendung von Art. 137 Abs. 3 ZGB auf den vorliegenden Fall nicht mit der Begründung ausschliessen, die Beklagte habe damit, dass sie die eingeklagten Ehebrüche vor dem Kläger geheim zu halten suchte und diese Verfehlungen im Prozess zunächst hartnäckig abstritt, selber zugegeben, dass sie nicht geglaubt habe, der Kläger habe diesen Ehebrüchen zugestimmt. Im übrigen lässt sich das eben erwähnte Verhalten der Beklagten nicht nur damit erklären, dass sie selber nicht an die Zustimmung des Klägers glaubte, sondern z.B. ![]() | 10 |
Die Tatsache, dass der Kläger die Beklagte, als sie sich im März 1952 in die Skiferien ins Tirol begab, durch einen Detektiven überwachen liess, beweist angesichts seines übrigen Verhaltens nicht mehr, als dass er einen Beweis des Ehebruchs haben wollte, um ihn in einem allfälligen Scheidungsprozess verwenden zu können.
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Dem Kläger kann auch nicht zugestimmt werden, wenn er geltend macht, es könne auf jeden Fall nicht angenommen werden, dass er den in seiner eigenen Wohnung begangenen und daher für ihn besonders verletzenden Ehebrüchen zugestimmt habe. Die Besuche Dr. K.s bei der Beklagten fanden nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz durchwegs zu Zeiten statt, da sich der Kläger bei Frau M. in St. Johann aufhielt. Zieht man in Betracht, wie arg der Kläger seine Familie vernachlässigte und wie wenig er sich darum kümmerte, was die Beklagte und andere Leute von seinen Beziehungen zu Frau M. denken mochten, so ist unerfindlich, wieso die während seiner Besuche bei Frau M. in der ehelichen Wohnung begangenen Ehebrüche ihn stärker als die anderswo begangenen hätten berühren sollen, sofern sie unbekannt blieben. Dies war nach seiner eigenen Darstellung der Fall; weist er doch in seiner Berufungsschrift selbst darauf hin, dass anzunehmen sei, die Beklagte habe die Besuche Dr. K.s "sogar" ihrer Hausangestellten verheimlicht, wenn man nicht annehmen wolle, diese habe falsch ausgesagt. Auf alle Fälle liegt nichts dafür vor, dass die Besuche Dr. K.s in der ehelichen Wohnung ein Aufsehen erregten, das dem Kläger hätte unangenehm sein können.
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Mit Recht hat die Vorinstanz schliesslich auch die Frage verneint, ob der Kläger mit der am 22. September 1952 erfolgten Einleitung der vorliegenden Klage oder beim Vermittlungsvorstand vom 30. September 1952 seine Zustimmung zum ehebrecherischen Verhalten der Beklagten ![]() ![]() | 13 |
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