![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
48. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Juni 1955 i.S. The National Cash Register Comp. und National Registrierkassen A.-G. gegen Karl Endrich A.-G. für Büroorganisationen und Maschinen. | |
Regeste |
Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines erloschenen Patents, Zulässigkeit (Erw. 1). |
Blosse Stellung einer Aufgabe als Erfindungsgedanke (Erw. 4). |
Anforderungen an die Erfindungshöhe, insbesondere bei einem Aufgabenpatent (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Die "National Registrierkassen A.-G. Zürich" ist als Lizenznehmerin zur Benützung dieses Patentes berechtigt.
| 2 |
Das kennzeichnende Merkmal der Erfindung soll nach ![]() | 3 |
Das Patent weist ferner 4 Unteransprüche auf. Von diesen ist für das Berufungsverfahren lediglich noch der letzte von Belang. Er lautet:
| 4 |
"Automat nach Patentanspruch, dadurch gekennzeichnet, dass sich der Automat bei Nettoverkäufen, Kassentransaktionen, deren Beträge zu einem "Total" zu addieren sind, und ähnlichen Transaktionen, bei denen keine Markenausgabe erfolgen soll, von der Registrierkassentastatur aus durch Einwirken auf einen Schaltmechanismus selbsttätig ausser Tätigkeit setzen lässt."
| 5 |
B.- Im Jahre 1950 brachte die Karl Endrich A.-G. Zürich eine mit einem Rabattmarken-Automaten verbundene Registrierkasse auf den Markt, die nach der Auffassung der Klägerinnen das Patent Nr. 238 416 verletzt. Sie reichten daher gegen die Karl Endrich A.-G. sowie gegen Karl Endrich als deren verantwortlichen Leiter persönlich Patentverletzungsklage ein.
| 6 |
Die Beklagten beantragten Abweisung der Klage und erhoben Widerklage auf Nichtigerklärunrung des Patentes Nr. 238 416.
| 7 |
C.- Das Handelsgericht Zürich erklärte mit Urteil vom 7. Dezember 1953 in Gutheissung der Widerklage das Patent 238 416 nichtig und wies mit Rücksicht hierauf die auf die Verletzung dieses Patentes gestützten Hauptklagebegehren ab.
| 8 |
D.- Gegen dieses Urteil legten die Klägerinnen sowohl Berufung an das Bundesgericht als auch Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich ein.
| 9 |
10 | |
Mit der Berufung begehren die Klägerinnen Schutz ihrer Patentverletzungsklage und Abweisung der Widerklage auf Nichtigerklärung ihres Patentes.
| 11 |
Die Beklagten beantragen Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
| 12 |
E.- Am 3. Mai 1955 hat das Bundesgericht gestützt auf Art. 67 OG einen Augenschein vorgenommen.
| 13 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
14 | |
2. Die Klägerinnen haben in ihrer Berufungsschrift gestützt auf Art. 67 OG das Begehren um Beiziehung eines Sachverständigen gestellt. Dieses Begehren ist abzuweisen. Art. 67 OG setzt voraus, dass sich die Mitwirkung eines Sachverständigen für das genaue Verständnis des Tatbestandes als notwendig erweise. Das ist hier jedoch nicht der Fall, wie bereits das Handelsgericht (Urteil Erw. 8 S. 9 f.) und das Kassationsgericht (Urteil Erw. IV 1 S. 4 unten) dargelegt haben. Die dort gemachten Ausführungen treffen auch für das Berufungsverfahren zu. Das hat sich an dem durch das Bundesgericht vorgenommenen Augenschein bestätigt. Nachdem die Parteien bei diesem Gelegenheit hatten, das Wesen des Streitpatentes und der Entgegenhaltungen am Gegenstand selber aufzuzeigen ![]() | 15 |
16 | |
... Die Überprüfung des angefochtenen Urteils ergibt jedoch, dass sich das Handelsgericht über den Gegenstand der Erfindung klar war...
| 17 |
c) Auf jeden Fall geht das Bundesgericht auf Grund der Berufungsschrift und der Darlegungen der Parteien am Augenschein davon aus, dass Gegenstand der Erfindung nicht irgendein konstruktiver Zusammenbau einer Registrierkasse in der vor 1940 bekannten Ausführung und eines Markenausgabeapparates ist, sondern ein Zusammenbau bestimmt ausgewählter Maschinen, deren bisherige Kontrollmittel (Buchungsstreifen, Einkaufsquittung mit Angabe der einzelnen Posten, unter Beifügung eines Vermerkes über Nettozahlung oder Rabattberechtigung) beibehalten bleiben, wobei der früher umschriebene Zweck und die dargelegte Wirkungsweise das Kennzeichnende sind. Am bundesgerichtlichen Augenschein hat die Klägerin auf Befragen ausdrücklich zugestanden, dass die im Jahre 1940 bekannten Registrierkassen bereits Buchungsstreifen und Einkaufsquittungen mit Aufführung der Einzelposten ![]() | 18 |
19 | |
Die Beklagten hatten im kantonalen Verfahren geltend gemacht, das Patent sei gemäss Art. 16 Ziff. 1 PatG (Fehlen einer Erfindung) und Ziff. 8 (Fehlen einer klaren Definition der Erfindung) nichtig, weil der Erfinder lediglich die Aufgabe beschrieben habe, die er lösen wolle, nicht aber die Mittel angebe, die zu der angestrebten Lösung führen. Die Vorinstanz hat diese Auffassung unter Hinweis aufBGE 56 II 146f. verworfen. In der Tat kann der Erfindungsgedanke schon in der blossen Stellung der Aufgabe liegen, bedarf dann aber, um schutzfähig zu sein, immerhin der Angabe der Lösungsmittel, es sei denn, dass diese als bereits bekannt vorausgesetzt werden dürfen (BGE 56 II 147). Diese Ausnahme findet ihre Rechtfertigung darin, dass bei solcher Sachlage eben doch ![]() | 20 |
Diese Ausnahme ist im vorliegenden Fall verwirklicht, weil nach den Darlegungen der Klägerinnen das Patent davon ausgeht, ein rechter Fachmann sei ohne weiteres in der Lage, die gestellte Aufgabe mit bereits bekannten Mitteln zu lösen, d.h. jene selbsttätige und zwangsläufige Parallelschaltung zwischen Kasse und Markenausgabeapparat herzustellen, welche bei bestimmten (nämlich den rabattberechtigten) Notierungen auf der Registrierkasse die Markenausgabe bewirkt.
| 21 |
Die sog. Aufgabenerfindung, bei der die erfinderische Leistung allein in der Aufgabenstellung liegt, stellt eine seltene Ausnahme dar, wie in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig anerkannt wird (vgl. REIMER, Patentgesetz, § 1 N. 10 S. 50; BENKARD, Patentgesetz, § 1 Anm. 4 lit. a S. 18; MATTER, ZSR 1944 S. 85 a lit. cc, S. 107 Ziff. 3). Die entscheidende Fragestellung geht dahin, ob die Idee des Streitpatentes, die sich in der Stellung einer Aufgabe erschöpft, eine Erfindung im Sinne eines Aufgabenpatentes darstelle - was technischen Fortschritt und Erfindungshöhe voraussetzt -, und ferner, ob die allenfalls bejahte Erfindung neu war.
| 22 |
23 | |
a) Zu der Frage der Erfindungshöhe nimmt die Berufung in der Weise Stellung, dass sie den Begriff der Erfindungshöhe zugleich mit demjenigen des technischen Fortschritts behandelt.
| 24 |
![]() | 25 |
Bei der Entscheidung der Frage, ob dem Streitpatent die Erfindungshöhe zuzugestehen sei, darf nun nicht übersehen werden, dass hier die Erfindung nicht im Aufzeigen einer technischen Lösung, sondern unbestritten nur in der Aufgabenstellung bestehen soll. Auszugehen ist dabei vom Stand der Technik im Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatentes, d.h. zu Beginn des Jahres 1940. Hernach ist zu fragen, ob unter Berücksichtigung dieses damaligen Standes der Technik (und zwar in seiner Gesamtheit betrachtet, gleichgültig wo sich die Einzelheiten vorfinden) der gut ausgebildete Fachmann auf die fragliche Aufgabenstellung kommen konnte. Erfindungshöhe wäre erst gegeben, wenn diesem gutausgebildeten Fachmann auf Grund seiner Erfahrung und seines Könnens bei üblicher Überlegungsweise die streitige Aufgabenstellung nicht nahelag. Nur dann könnte die Aufgabenstellung als so bedeutend angesehen werden, dass sie als Lohn für besondere Tat oder Leistung ein 15-jähriges Monopolrecht in Gestalt eines Patentes verdiente.
| 26 |
Diesen Anforderungen genügt das Streitpatent nicht, wie schon die Vorinstanz mit Recht angenommen hat. Die Ankerpatente von 1906 /10, der im Jahre 1940 bereits erreichte hohe Stand des Registrierkassenbaus und das allezeit und selbstverständlich vorhandene Bedürfnis nach ![]() | 27 |
Die Lösung der im Patent formulierten Aufgabe war, wie zugegeben ist, nichts besonderes, sondern jedem Fachmann schon auf Grund der bekannten Mittel möglich. Alsdann drängt sich aber nach der Lebenserfahrung der Schluss auf, dass auch die Aufgabe als solche für den Fachmann nahelag. Ihre Stellung lag als weiterer Schritt ![]() | 28 |
Was im vorstehenden ausgeführt wurde, gilt in gleicher Weise wie für den Patentanspruch auch für den Unteranspruch 4, der allein noch im Streite steht, da die Klägerinnen mit Bezug auf die Unteransprüche 1 - 3 in der Berufungsschrift keinerlei Ausführungen gemacht haben, so dass auf sie mangels einer Berufungsbegründung nicht einzutreten ist.
| 29 |
b) Ist somit das Patent der Klägerinnen schon mangels Erfindungshöhe nichtig, so erübrigt sich eine Prüfung der ebenfalls streitigen Frage der Neuheit. Auf die Ausführungen, welche die Parteien hierüber in den Berufungsschriftsätzen gemacht haben, braucht somit nicht emgegangen zu werden.
| 30 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 31 |
32 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |