BGE 81 II 304 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
50. Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. September 1955 i.S. Brechbühler gegen Invaliden-, Witwen- und Waisenversicherungskasse für die ständigen Beamten, Angestellten und Arbeiter der Einwohnergemeinde Biel. | |
Regeste |
1. Art. 53 Abs. 1, 74 OG. Dem Hauptintervenienten stehen Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde nicht zu, auch wenn er vor der letzten kantonalen Instanz Parteirechte ausgeübt hat (Erw. 1). |
3. Art. 68 Abs. 1 OG. Unzulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde, weil die Sache an sich berufungsfähig ist (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
1 | |
Die Invaliden-, Witwen- und Waisenversicherungskasse für die ständigen Beamten, Angestellten und Arbeiter der Einwohnergemeinde Biel (Versicherungskasse Biel), bei der beide Getöteten versichert waren, klagte in der Folge bei der I. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern gegen die Versicherungs-Aktiengesellschaft "Alpina" als Haftpflichtversicherer des Born auf Verurteilung zur Zahlung von Fr. 128'833.-- und gegen Paul Born persönlich auf Verurteilung zur Zahlung des durch die "Alpina" nicht gedeckten Betrages, eventuell von Fr. 128'833.--, alles nebst Zins. Sie berief sich auf Art. 11 ihrer Statuten, wonach sie gegenüber einem Dritten, der mit Bezug auf einen Versicherungsfall schadenersatzpflichtig ist, bis auf die Höhe ihrer Leistungen in den Ersatzanspruch des Versicherten oder seiner Hinterbliebenen eintrete. Sie behauptete Eintritt in der Höhe der Barwerte von Fr. 100'679.--, Fr. 23, 733.-- und Fr. 4421.-- der von ihr an Rosa Brechbühler als Witwe, Alfred Brechbühler als Waise und Irène Wyss als Witwe geschuldeten Renten.
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Die Beklagten beantragten, die Klage sei zurückzuweisen, weil die Klägerin zur Prozessführung nicht berechtigt sei, eventuell sei sie mangels Eintritts der Klägerin in die Rechte der Hinterbliebenen ganz oder teilweise abzuweisen. Die gleichen Anträge stellten Rosa und Alfred Brechbühler, die erklärten, dem Prozess "an der Seite der Beklagten" als "Intervenienten" beizutreten.
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B.- Die I. Zivilkammer des Obergerichts Bern beschränkte die Verhandlung auf die Fragen ihrer sachlichen Zuständigkeit, der Parteifähigkeit der Klägerin, des Prozessführungsrechtes der Organe der Klägerin und des Umfanges des Eintrittes in die Rechte gegen die Beklagten. Sie bejahte am 16. März 1955 ihre Zuständigkeit und erkannte in der Form eines Vorentscheides, die Parteifähigkeit der Klägerin werde im.Sinne der Erwägungen anerkannt, die Organe der Klägerin seien zur Prozessführung befugt und der Subrogationsanspruch der Klägerin werde im Sinne der Erwägungen bejaht. Hierauf verfügte die I. Zivilkammer die Einstellung des Prozesses bis zur endgültigen Beurteilung einer Klage, die Rosa und Alfred Brechbühler gegen Born bei der II. Zivilkammer des bernischen Obergerichts eingereicht hatten und mit der sie Ersatz ihres Schadens, insbesondere des Versorgerschadens, verlangen.
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C.- Rosa und Alfred Brechbühler führen gegen den Vorentscheid, soweit er den Eintritt der Versicherungskasse Biel in die Ansprüche der Versicherten auf Ersatz des Versorgerschadens anerkennt, "Berufung eventuell zivilrechtliche Beschwerde". Sie beantragen, er sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventuell seien die Rechtsbegehren der Klägerin, soweit sie die Entschädigungsforderung der Intervenienten wegen Verlustes ihres Versorgers geltend mache, mangels Aktivlegitimation der Klägerin im vollen, eventuell in einem durch das Gericht festzusetzenden Umfange abzuweisen.
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D.- Die Versicherungskasse Biel beantragt, die Berufung sei abzuweisen und auf die eventuelle Nichtigkeitsbeschwerde sei nicht einzutreten, allenfalls sei auch diese abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Art. 53 Abs. 1 OG, der für die Berufung und sinngemäss auch für die Nichtigkeitsbeschwerde gilt (Art. 74 OG), gewährt diese Rechtsmittel auch den Nebenparteien (Litisdenunziaten, Nebenintervenienten), wenn ihnen nach dem kantonalen Gesetz Parteirechte zukommen und sie vor der letzten kantonalen Instanz am Prozess teilgenommen haben.
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Nebenintervention ist begrifflich ausgeschlossen, wenn das rechtliche Interesse des Intervenienten, den Rechtsstreit zugunsten der einen Partei entschieden zu sehen, sich darin erschöpft, der Gegenpartei die Legitimation zur Sache absprechen zu lassen, um hernach selber den streitigen Anspruch gegen die Partei, an deren Seite interveniert wurde, geltend machen zu können. Solches Ringen um die Legitimation zur Sache ist Hauptintervention, die, wo sie gesetzlich geregelt ist, in der Form einer selbständigen Klage zu erfolgen hat (vgl. z.B. § 40 zürch. ZPO) und auch im Kanton Bern, der sie in der geltenden Zivilprozessordnung nicht mehr kennt, einen selbständigen Prozess des "Intervenienten" erfordert, wobei dieser gegen die Partei, gegen die er einen Anspruch stellt, zu klagen hat und der andere Rechtsstreit gemäss Art. 96 ZPO bis zur Beurteilung dieser Klage eingestellt werden kann (vgl. LEUCH, Kommentar zur bern. ZPO, 2. Aufl., Vorbem. zu Art. 44 ff.).
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Dieser Fall liegt hier vor. Rosa und Alfred Brechbühler unterstützen die "Alpina" und Paul Born im Rechtsstreit gegen die Versicherungskasse Biel nicht schlechthin. Sie beantragen nicht, dass das Gericht überhaupt die Schuldpflicht der Beklagten, sondern nur, dass es den Eintritt der Klägerin in die eingeklagten Forderungen verneine, die sie denn auch in einem selbständigen Prozesse gegen Born geltend machen. Dass die Vorinstanz ihnen die Stellung von Nebenintervenienten nicht abgesprochen hat, kann ihnen das Recht zur Berufung und zur Nichtigkeitsbeschwerde nicht verschaffen. Art. 53 Abs. 1 OG verleiht die Legitimation nicht jedem, der vor der letzten kantonalen Instanz Parteirechte ausgeübt hat, sondern nur dem, der es dank seiner ihm wirklich zukommenden Stellung als Nebenintervenient (oder Litisdenunziat) getan hat. Da Rosa und Alfred Brechbühler gegen Born selbständig klagen und das auch gegen die "Alpina" tun können, sind ihre Interessen denn auch prozessual genügend gewahrt.
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3. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist sodann auch deshalb nicht einzutreten, weil Art. 68 Abs. 1 OG sie nur zulässt, wenn die Sache nicht der Berufung unterliegt. Die vorliegende Sache betrifft aus eidgenössischem Recht (OR bzw. MFG) abgeleitete Forderungen, ist also an sich berufungsfähig. Dass die Vorinstanz die Frage, wem sie zustehen, als eine solche des kantonalen Rechts ansieht, ändert nichts. Ob sie dieses richtig ausgelegt und angewendet habe, könnte zwar im Berufungsverfahren nicht überprüft werden. Für die Rüge der Beschwerdeführer aber, die Vorinstanz habe zu Unrecht kantonales statt eidgenössisches Recht angewendet, wäre, da im übrigen der Fall eben berufungsfähig ist, im Berufungsverfahren Platz.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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