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67. Urteil vom 3. Oktober 1955 i.S. Schlageter gegen Huber und Konsorten. | |
Regeste |
Einbau von Material in ein fremdes Grundstück. Akzessionsprinzip. Entschädigungsanspruch des bauenden Materialeigentümers. Art. 671 und 672 ZGB. Anwendung dieser Regeln auf den Fall, dass der Bauende einer von mehreren Gesamteigentümern der Liegenschaft ist. | |
Sachverhalt | |
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B.- Indessen kam es im Zuge der Teilung der väterlichen Erbschaft schon am 28. Mai 1947 zur Versteigerung der Liegenschaft unter den Miterben. Sie ging für Fr. 73'000.-- an die Geschwister des Paul Huber über, die sie mit je einem Sechstel zu Miteigentum übernahmen.
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D.- Diese belangte mit Klage vom 18. Februar 1954 die Geschwister des geschiedenen Ehemannes auf Zahlung von Fr. 4000.-- nebst Zins und Betreibungskosten (für die am 24. November 1953 eingeleiteten, durch Rechtsvorschlag gehemmten Betreibungen). Sie behielt die Geltendmachung weiterer Forderungen vor. Die Klage stützte sie darauf, dass die Beklagten als Gesamteigentümer der Liegenschaft um 6 /7 des Wertes des von Paul Huber erbauten Schopfes bereichert worden seien. Bei der erbrechtlichen Auseinandersetzung, die zur Aufhebung des Gesamteigentums an der Liegenschaft führte, habe man diese Bereicherung nicht ausgeglichen. Die Beklagten seien daher zur Entschädigung verpflichtet, sei es nach Art. 672 ZGB oder nach Art. 422, eventuell 423 OR.
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E.- Die Beklagten trugen auf Abweisung der Klage an. Sie verneinten eine Bereicherung; denn bei der Ersteigerung der Liegenschaft hätten sie mit dem Gantpreis auch den Schopfbau bezahlt. Im übrigen hätten sie eine Pflicht, Paul Huber für die Erstellung des Schopfes zu entschädigen, nie übernommen, sondern immer abgelehnt. Die Forderung der Klägerin ermangle jeden Rechtsgrundes; Paul Huber habe den Bau entgegen ihrem, der Beklagten, ausdrücklichen Willen begonnen; mit dem Briefe vom 24. Mai 1946 hätten sie sich gegenüber spätern Ansprüchen aus dem Schopfbau gesichert. Übrigens wäre eine Forderung längst verjährt.
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F.- Das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt wie auch das Appellationsgericht, an das die Klägerin die Sache weiterzog, wiesen die Klage ab. Die erste Instanz verneinte den Bestand einer Forderung, die zweite erklärte den Klageanspruch bei Berücksichtigung aller in Betracht fallenden Rechtsgründe als verjährt.
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Die Beklagten beantragen die Bestätigung des angefochtenen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Unter diesem Gesichtspunkt zieht das Appellationsgericht Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (nach Art. 62 ff. OR), aus Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und aus dem Einbau von Material in ein fremdes Grundstück (Art. 671 ff. ZGB) in Betracht. Richtigerweise sind die letztern Vorschriften, namentlich diejenigen von Art. 672, anzuwenden, da sie die infolge des Akzessionsprinzips des Art. 671 ZGB eintretende Entschädigungspflicht speziell ordnen. Das schliesst freilich nicht aus, dass Art. 672 ZGB, der nur die Voraussetzungen und den Umfang des Anspruches bestimmt (mit besonderer Berücksichtigung eines bösen Glaubens des bauenden Grundeigentümers oder des bauenden Materialeigentümers gemäss Abs. 2 und 3), in verschiedener Hinsicht durch andere Vorschriften ergänzt werden muss, ![]() | 10 |
Der Anwendung der Art. 671 ff. ZGB steht nicht etwa entgegen, dass Paul Huber am Gesamteigentum mitbeteiligt, das Grundstück also für ihn kein schlechthin fremdes war. Er hatte allerdings gleichwie jedes seiner sechs Geschwister einen unausgeschiedenen Anteil an der ganzen Liegenschaft (Art. 652 ZGB). Allein das Akzessionsprinzip wirkte sich beim Schopfbau gleichwohl aus, indem das von Paul Huber eingebaute Materiel Bestandteil des Grundstücks und damit gemeinschaftliches Eigentum aller sieben Anteilhaber wurde. Wird das Material nicht nachträglich wieder abgetrennt (und kommt es auch nicht zur Zuweisung des Grundstücks an den Materialeigentümer gemäss Art. 673 ZGB), so muss der nun auf sein blosses Anteilsrecht beschränkte Materialeigentümer gleichfalls gemäss Art. 672 ZGB Entschädigung verlangen können. Bei deren Bemessung ist natürlich seinem Anteilsrecht Rechnung zu tragen, da er eben das Eigentum am Material nicht in vollem Umfange verloren hat.
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3. Über die Verjährung der aus Art. 672 ZGB hervorgehenden Entschädigungsansprüche ("angemessene Entschädigung", "voller Schadenersatz", "dasjenige, was der Bau für den Grundeigentümer allermindestens wert ist") wird in diesem Artikel nichts bestimmt. Da es sich keineswegs um ein dingliches Recht (wie das Eigentum oder den Eigentumsfreiheitsanspruch, vgl. HAAB, N. 37 und 44 zu Art. 641 ZGB) handelt, man es vielmehr mit Forderungen zu tun hat, ist kein Zweifel, dass diese Ansprüche wie alle Forderungen (mit Vorbehalt von Ausnahmebestimmungen wie Art. 807 ZGB und Art. 149 Abs. 5 SchKG) der Verjährung unterliegen. Streitig ist denn auch nur die hiefür massgebende Frist. Nach der grundlegenden Regel von Art. 127 OR verjähren "mit Ablauf von zehn Jahren ... alle Forderungen, für die das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt". Die Frage geht nun dahin, ob es für ![]() | 12 |
Das Appellationsgericht hält Art. 67 OR (und eventuell auch Art. 60 OR) auf die Ansprüche aus Art. 672 ZGB für analog anwendbar, weil diese Ansprüche denen aus ungerechtfertigter Bereicherung (und gegebenenfalls solchen aus unerlaubter Handlung) "wesensgleich" seien. Das trifft nun freilich nicht in vollem Masse zu, denn die Akzession nach Art. 671 Abs. 1 ZGB, auf die sich der Entschädigungsanspruch stützt, ist eine gesetzliche Folge des Einbaues, also nicht im Sinne der Art. 62 ff. OR "ungerechtfertigt", d.h. eines gültigen oder jeden Rechtsgrundes entbehrend ("sans cause légitime", "senza causa legittima"). Aber so rechtmässig der sachenrechtliche Zuwachs als Bestandteil des Grundstücks auch ist, so ist doch die Auswirkung dieses Vorganges auf den Vermögensstand des bisherigen Material- und des Grundeigentümers, also eben des erstern "Entreicherung" und des letztern "Bereicherung", grundsätzlich in einem der Umgangssprache geläufigen weitern Sinne ungerechtfertigt, d.h. unverdient (vgl. die Übersetzung des Wortes "ungerechtfertigt" bei SACHS-VILLATTE, Deutsch-Französisch S. 1001, und im Taschenwörterbuch von LANGENSCHEIDT, Deutsch-Italienisch: "non justifié", "ingiustificato"). Deshalb eben ist diese Vermögensveränderung nach Massgabe von Art. 672 ZGB durch "angemessene Entschädigung" (mit den sich unter Umständen aus Abs. 2 und 3 daselbst ergebenden Modalitäten) auszugleichen. Dass Art. 672 ZGB (abgesehen von einem allfällig weitergehenden Schadenersatz nach Abs. 2) auf Wettmachung einer Bereicherung geht, ergibt sich eindeutig aus dem Gesetzestext und ist allgemein anerkannt (vgl. WIELAND, N. 1 Abs. 2 zu Art. 672; LEEMANN, N. 4 zu den Art. 672 und 673; HAAB, N. 3 zu ![]() | 13 |
4. Hätte der Gesetzgeber von einer selbständigen Regelung der Akzessionsfolgen, wie sie Art. 672 ZGB enthält, absehen wollen, so wäre wohl wie in den soeben erwähnten Art. 726 und 727 auf die Vorschriften des OR über die unerlaubten Handlungen und über die ungerechtfertigte Bereicherung verwiesen worden. Ja, wenn auch dies unterblieben wäre, würde sich ernstlich fragen, ob nicht eine analog den Art. 726 und 727 auszufüllende Lücke vorliege. MARTIN WOLFF (Der Bau auf fremdem Boden, S. 63 /64 mit Fussnote 8) nimmt allerdings inbezug auf das deutsche BGB an, die Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung könnten bei einem des gültigen Rechtsgrundes nicht ermangelnden, auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Rechtsverluste nicht angewendet werden, wenn sie nicht in § 951 BGB vorbehalten wären. Eine solche Schlussfolgerung wäre aber mit Bezug ![]() | 14 |
Dieser Betrachtungsweise kann endlich nicht entgegengehalten werden, Art. 7 ZGB biete für eine analoge Anwendung obligationenrechtlicher Normen auf Ansprüche aus Art. 672 ZGB keine Handhabe. Jene Bestimmung sieht allerdings nur vor, dass "die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechtes über die Entstehung, Erfüllung und Aufhebung der Verträge" auch auf andere zivilrechtliche Verhältnisse Anwendung finden. Damit ist aber weder eine ausnahmslos geltende noch eine erschöpfende Ordnung getroffen. Einerseits finden zum Beispiel die zu den genannten Bestimmungen des Obligationenrechtes gehörenden Verjährungsregeln keine Anwendung auf dingliche Rechte, da diese ihrer Natur nach keiner Verjährung unterliegen. Anderseits sind auch andere als die in Art. 7 ZGB genannten Bestimmungen des OR (vor allem des allgemeinen, aber auch des besondern Teils, wie etwa über die Geschäftsführung ohne Auftrag) der Anwendung auf Verhältnisse des ZGB fähig, sei es unmittelbar oder auf dem Wege der Analogie. Es bedarf dazu gar nicht der ausdehnenden Auslegung des Art. 7 ZGB. Vielmehr bleibt ganz unabhängig von dieser Vorschrift Raum für die Anwendung schuldrechtlicher Normen, wo immer sie sich ![]() | 15 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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