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77. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Oktober 1955 i. S. Dobler gegen Dobler und Konsorten. | |
Regeste |
1. Ort der Erbschaftseröffnung. Art. 5 des Gerichtsstandsvertrages vom 15. Juni 1869 zwischen der Schweiz und Frankreich. Art. 538 ZGB und Art. 23 NAG. |
b) Der Ort der Erbschaftseröffnung und der daran anknüpfende Gerichtsstand der Erbschaft ist der Verfügung des Erblassers entzogen. |
c) Die Unterstellung der Erbfolge unter das Heimatrecht gemäss Art. 22 Abs. 2 NAG hat auf die örtliche Zuständigkeit keinen Einfluss. |
2. Schweizer mit Wohnsitz im Ausland. Zuständigkeit der Behörden des Wohnsitzstaates gemäss Art. 28 NAG. | |
Sachverhalt | |
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B.- Im Alter von 90 Jahren am 16. November 1951 an ihrem Wohnort Paris gestorben, hinterliess Frau Dobler-Sengel als Erben ihren Ehemann, den Sohn Jean und die Tochter Alice. Unter den Erben erhob sich Streit darüber, wer für die Behandlung des Nachlasses zuständig sei. Das im Dezember 1951 mit der Angelegenheit befasste Erbschaftsamt von Basel-Stadt eröffnete das Testament, erklärte sich dann aber mit Rücksicht auf die der Erblasserin neben der schweizerischen zugekommene französische Nationalität als unzuständig, die vom Sohn der ![]() | 2 |
Dabei stimmte der Appellationsgerichtsausschuss der Entscheidung des Tribunal civil de la Seine vom 17. Dezember 1954 zu, das sich zur Beurteilung einer am 12. April 1954 vom Witwer Louis Ferdinand Dobler und von der Tochter Alice Dobler gegen Jean Dobler eingereichten Klage "aux fins de compte, liquidation et partage, tant de la communauté ayant existé entre Alice SENGEL et son époux survivant que de la succession d'Alice SENGEL" als zuständig erklärte und die von Jean Dobler erhobenen Einreden der Unzuständigkeit der französischen Gerichte und der in Basel gültig begründeten Rechtshängigkeit verwarf.
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C.- Gegen das Urteil des Appellationsgerichtsausschusses hat Jean Dobler Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 OG eingereicht mit dem Antrag,
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"es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und das Erbschaftsamt Basel-Stadt zur Behandlung des Nachlasses der am 16. November 1951 in Paris verstorbenen Frau Alice Dobler-Sengel, insbesondere zur Anordnung sichernder Massnahmen (ZGB Art. 551) und zur Aufnahme des Inventars (E inf.G. zum ZGB § 136) über den gesamten Nachlass der Verstorbenen zuständig zu erklären; unter Kosten- und Entschädigungsfolge." ![]() | 5 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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"Jede Klage betreffend Liquidation oder Teilung einer Erbschaft, sei es in Folge von Testament oder von Intestaterbrecht, und betreffend die Abrechnung zwischen Erben und Legataren, ist vor dem Gerichte des Ortes geltend zu machen, wo die Erbschaft eröffnet worden ist, und zwar, wenn es sich um die Verlassenschaft eines Franzosen handelt, der in der Schweiz verstorben ist, vor dem Gerichte seines letzten Wohnortes in Frankreich, und wenn es sich um die Verlassenschaft eines Schweizers handelt, der in Frankreich verstorben ist, vor dem Gerichte seines Heimatortes. Immerhin müssen für die Teilung und für die Veräusserung von Immobilien die Gesetze des Landes, wo dieselben liegen, beobachtet werden."
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"Toute action relative à la liquidation et au partage d'une succession testamentaire ou ab intestat et aux comptes à faire entre les héritiers ou légataires sera portée devant le tribunal de l'ouverture de la succession, c'est-à-dire, s'il s'agit d'un Français mort en Suisse, devant le tribunal de son dernier domicile en France, et s'il s'agit d'un Suisse décédé en France, devant le tribunal de son lieu d'origine en Suisse. Toutefois on devra, pour le partage, la licitation ou la vente des immeubles, se conformer aux lois du pays de leur situation."
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Diese Vorschrift wäre zweifellos in dem vom Beschwerdeführer vertretenen Sinn anwendbar, wenn die in Paris wohnhaft gewesene Erblasserin nur die durch ihre Heirat erworbene schweizerische und nicht seit 1937 ausserdem die französische Nationalität gehabt hätte. Auf die Erbschaft ![]() ![]() | 9 |
Der Beschwerdeführer hält dafür, das französische Bürgerrecht seiner Mutter falle ausser Betracht, weil es erst im Verlauf der Ehe zu dem durch die Heirat erworbenen schweizerischen Bürgerrecht hinzugekommen sei. Allein es sind die beim Tod eines Erblassers bestehenden Verhältnisse massgebend. Daher ist auf das Doppelbürgerrecht der Frau Dobler-Sengel Rücksicht zu nehmen, gleichwie wenn sie ihr angestammtes französisches Bürgerrecht beim Eheabschluss nicht verloren hätte und während des ganzen Bestandes der Ehe Doppelbürgerin gewesen wäre. Das entspricht auch dem Standpunkt der französischen Gerichte. Sie haben - und zwar auch die von Jean Dobler gegenüber dem Urteil des Tribunal civil de la Seine angerufene Cour d'Appel de Paris mit Entscheidung vom 21. Juni 1955 - die Erblasserin als Französin betrachtet und daher der Nichtanwendung von Art. 5 des Gerichtsstandsvertrages durch die Basler Behörden zugestimmt. Eine Frage für sich ist, ob eine in Frankreich erfolgte Zwangseinbürgerung eines Schweizers allenfalls von den schweizerischen Behörden nicht zu berücksichtigen wäre. Hier handelt es sich aber nicht um eine der Erblasserin aufgezwungene, sondern um eine von ihr (durch eine "supplique rédigée en termes élevés", wie das Urteil des Tribunal civil de la Seine ausführt) nachgesuchte Wiederaufnahme in das angestammte, seinerzeit durch die Heirat mit einem Schweizer verlorene Bürgerrecht. Übrigens erschiene selbst dann, wenn die Erblasserin von ihrem Wohnsitzstaat ohne oder sogar gegen ihren Willen eingebürgert worden wäre, als fraglich, ob es den schweizerischen Behörden zustünde, einen schweizerischen Ort der ![]() | 10 |
Auch der vom Beschwerdeführer hervorgehobene Umstand, dass in erster Linie der von den Eheleuten Dobler-Sengel angenommene baselstädtische Güterstand zu liquidieren sein werde, und dass die Erblasserin die Erbfolge in ihren Nachlass testamentarisch dem Rechte des Kantons Basel-Stadt unterstellt habe, rechtfertigt es nicht, diese Doppelbürgerin nur als Schweizerin zu betrachten und Art. 5 des Gerichtsstandsvertrages auf ihre Erbschaft anzuwenden. Für den Ort der Erbschaftseröffnung ist der eheliche Güterstand ohne Belang, und die Unterstellung der Erbfolge unter das Heimatrecht im Sinne von Art. 22 Abs. 2 NAG (vgl. auch STAUFFER, N. 1 und 2 zu Art. 5 NAG) kann sich nur auf das anzuwendende Recht beziehen. Der Ort der Erbschaftseröffnung und die an diesen Ort anknüpfenden Gerichtsstände sind der Verfügung des Erblassers entzogen, wie denn weder Art. 5 des Gerichtsstandsvertrages noch die Art. 23 NAG und Art. 538 ZGB derartige Verfügungen vorbehalten (vgl. auch TUOR, N. 3 zu Art. 538 ZGB).
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2. Der mangels einer auf die Erbschaft eines Doppelbürgers anwendbaren staatsvertraglichen Norm massgebende Art. 28 NAG (vgl.BGE 43 I 90ff., besonders 98) anerkennt die am letzten Wohnsitz des "Schweizers im Ausland" geltende Zuständigkeit der dortigen Behörden (ausser für die in der Schweiz gelegenen Grundstücke, worauf der angefochtene Entscheid gleichfalls Bedacht nimmt). Aus den die nämlichen Parteien betreffenden Urteilen der französischen Gerichte geht hervor, dass die Zuständigkeit am letzten Wohnsitz der Erblasserin, in Paris, nach der französischen Gesetzgebung in der Tat begründet ist (was denn auch nach Art. 110 des Code civil in Verbindung mit Art. 59 al. 6 des Code de procédure civile ausser Zweifel steht). Somit ist der vom Beschwerdeführer ![]() | 12 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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