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92. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Dezember 1955 i. S. Weber gegen Amsler. | |
Regeste |
1. Art. 20 OR. Wann macht der widerrechtliche Inhalt den Vertrag nichtig? (Erw. 2). |
a) Das Verbot, anders als im gebundenen Zahlungsverkehr zu leisten (BRB vom 27.8.54), schliesst die Forderungsklage nicht aus (Erw. 1). |
b) Eine unter der Herrschaft des BRB vom 13.8.40 eingegangene Verpflichtung auf Zahlung ausserhalb des gebundenen Zahlungsverkehrs ist gültig (Erw. 3). |
c) Die Bundesratsbeschlüsse vom 16.2.45, 26.2.46 und 27.8.54 befreien den Schuldner, der vor ihrem Erlasse Zahlung anders als an die Schweiz. Nationalbank bzw. eine ermächtigte schweizerische Bank versprochen hat, nicht von seiner Schuld (Erw. 4). |
d) Die zivilrechtliche Schuld kann auch durch eine von der Schweizerischen Verrechnungsstelle nicht genehmigte Leistung ausserhalb des gebundenen Zahlungsverkehrs getilgt werden (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 17. Dezember 1952 stellte das Betreibungsamt Zürich 8 auf Begehren des noch immer in Österreich wohnenden ![]() | 2 |
Da Amsler Recht vorschlug, klagte Weber am 15. Februar 1954 gegen ihn beim Bezirksgericht Zürich auf Zahlung von Fr. 5415.-- nebst 5% Zins seit 16. Dezember 1947.
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Amsler beantragte Abweisung der Klage. Er machte geltend, der Vertrag mit Weber sei nichtig, weil er gegen den beim Abschluss geltenden Bundesratsbeschluss vom 13. August 1940 über die Durchführung des Abkommens vom 9. August 1940 über den deutsch-schweizerischen Verrechnungsverkehr verstossen habe. Zudem habe der Beklagte die nichtige Vereinbarung unmittelbar nach dem Kriege ohne Rechtspflicht dadurch erfüllt, dass er auf Drängen des Klägers Liebesgabenpakete an dessen Familie gesandt habe. Der Kläger gehe auch von einem unrichtigen Umrechnungskurse aus; da das Schillinggesetz die Reichsmark dem Schilling gleichgesetzt habe, hätte er 5700 Schilling zu fordern, zumal er den Gegenwert im schweizerisch-österreichischen Verrechnungsverkehr überwiesen haben möchte.
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Das Bezirksgericht wies die Klage ab, desgleichen auf Appellation des Klägers am 24. Mai 1955 das Obergericht des Kantons Zürich. Das Obergericht liess offen, welches Rechtsgeschäft oder welche Rechtsgeschäfte zwischen den Parteien und Hettlinger vorliegen und nach welcher Rechtsordnung sie zu beurteilen wären, denn sie seien gemäss Art. 20 OR nichtig, weil sie gegen schweizerisches öffentliches Recht verstiessen. Gemäss Abkommen vom 9. August 1940 über den deutsch-schweizerischen Verrechnungsverkehr und Art. 1 des zur Durchführung dieses Abkommens ![]() | 5 |
C.- Der Kläger erklärte Berufung mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen, eventuell die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
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Er macht geltend, das Obergericht habe Art. 20 OR nicht richtig angewendet. Das zwischen den Parteien abgeschlossene Rechtsgeschäft sei an sich gültig. Höchstens die Vereinbarung auf Rückzahlung des Darlehens in der Schweiz in Schweizerfranken könne nichtig sein. Es liege nicht ein Kauf, sondern ein Darlehensvertrag vor; denn der Kläger habe keine Ware geliefert, sondern Geld hingegeben.
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D.- Der Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen und das Urteil des Obergerichts zu bestätigen.
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Er bringt vor, nach herrschender Auffassung habe ein Verstoss gegen die Bestimmungen über den zwischenstaatlichen Verrechnungsverkehr die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäftes zur Folge.
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Am 26. Februar 1946 ordnete der Bundesrat den Zahlungsverkehr mit Österreich in einem besonderen Beschlusse. Er schrieb vor, dass sämtliche Zahlungen von in der Schweiz domizilierten Personen an solche, die in Österreich domiziliert waren, an die Schweizerische Nationalbank zu leisten seien und von der Schweizerischen Verrechnungsstelle gemäss den bestehenden oder noch zu treffenden zwischenstaatlichen Vereinbarungen an die Begünstigten weitergeleitet würden (Art. 1). Ausgenommen wurde unter anderem die Überweisung von Kapitalien; sie sollte lediglich den Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses vom 16. Februar 1945 über die vorläufige Regelung des Zahlungsverkehrs zwischen der Schweiz und Deutschland (Sperrebeschluss) unterstehen (Art. 3). Eine Übergangsbestimmung schrieb vor, dass Zahlungen für die vor dem 9. Mai 1945 in die Schweiz eingeführten Waren, die ihren Ursprung im Gebiet des Staates Österreich hatten, und Zahlungen irgendwelcher Art, die vor dem 9. Mai 1945 hätten vorgenommen werden müssen, bis zum 31. Mai 1946 an die Schweizerische Nationalbank zu leisten seien (Art. 19).
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Am 27. August 1954 wurde ein neuer Bundesratsbeschluss über den Zahlungsverkehr mit Österreich erlassen. Er ![]() | 12 |
Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger begehrte Zahlung, deren Rechtsgrund er in einem Darlehen sieht, als Überweisung eines Kapitals auf beliebige Weise oder, weil auf Kauf zurückgehend, wie der Beklagte geltend macht, gemäss Art. 1 des Bunderatsbeschlusses vom 27. August 1954 nur durch Leistung an die Schweizerische Nationalbank oder eine ermächtigte schweizerische Bank erfolgen darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts schliesst das öffentlichrechtliche Verbot an den Schuldner, anders als im gebundenen Zahlungsverkehr zu leisten, die Forderungsklage nicht aus. Der Richter muss unbekümmert darum, wie die Überweisung des geforderten Betrages an den Gläubiger zu erfolgen hat, den Schuldner zur Zahlung verurteilen. Das hat nicht den Sinn, dass die Leistung ausserhalb des gebundenen Zahlungsverkehrs erfolgen müsse, sondern die Frage, ob sie diesem unterstehe, bleibt offen (Urteile der I. Zivilabteilung vom 30. Dezember 1948 i.S. Reichenbach c. Kramermann und vom 13. April 1951 i.S. Bertschinger c. Schüep). Schon im Kreisschreiben Nr. 26 vom 4. April 1936 hat das Bundesgericht darauf hingewiesen, dass die den gebundenen Zahlungsverkehr betreffenden Bestimmungen auch gegenüber einem gerichtlichen Urteil vorbehalten bleiben (BGE 62 III 50). Erst im Vollstreckungsverfahren ist auf sie Rücksicht zu nehmen ![]() | 13 |
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Nichtigkeit als Folge eines widerrechtlichen Versprechens, ausserhalb des gebundenen Zahlungsverkehrs zu erfüllen, wird zwar auch in der Literatur verschiedentlich angenommen (ROSSET, ZschwR nF 55 230 a; HUG, ZschwR nF 55 541 a ff.; FREY, Das Clearing- und Devisenrecht der Schweiz 45; RÜTTIMANN, Eingriffe des Clearingrechts in die Vertragsfreiheit 91; TRECHSEL, Vertrag und Clearingrecht 64 ff.; DE RIVAZ, SJZ 51 8 f.; anders ENGEL, Introduction pratique au droit suisse du clearing 129). Die Begründung, der Richter könne nicht Hilfe leisten zur Erfüllung einer Vereinbarung, die eine von der Rechtsordnung verbotene Art der Zahlung vorsieht, schlägt aber nicht durch. Der Richter, der den Bestand der Forderung feststellt oder den Schuldner zur Zahlung verurteilt, leistet nicht Hilfe dazu, dass diese ausserhalb des gebundenen Zahlungsverkehrs erfolge; denn die diesen Verkehr betreffenden Bestimmungen bleiben, wie bereits ausgeführt worden ist, auch gegenüber einem gerichtlichen Urteil vorbehalten. So wenig beim Erlass von Bestimmungen über den gebundenen Zahlungsverkehr im allgemeinen ein Grund besteht, die vorher eingegangenen Verträge als erloschen zu erklären, weil der Schuldner sich zu einer Zahlungsart verpflichtet hat, die das öffentliche Recht nicht mehr gestattet, so wenig besteht ein Grund, die erst unter der Herrschaft dieser Bestimmungen abgeschlossenen Verträge bloss deshalb nichtig zu erklären, weil sie ihnen, was die vereinbarte Art der Zahlung betrifft, widersprechen. Die Schweiz verlangt Einzahlung an die Nationalbank oder an eine ermächtigte schweizerische Bank, weil sie sich die Mittel zur Befriedigung schweizerischer Forderungen gegenüber ausländischen Schuldnern verschaffen will. Dieser Zweck erheischt nicht, Verpflichtungen zur Zahlung ausserhalb ![]() | 17 |
Mit dem Fortbestand der öffentlichrechtlichen Einzahlungspflicht trotz anderweitiger Tilgung der zivilrechtlichen Schuld begnügte sich denn auch der Bundesratsbeschluss vom 13. August 1940. Art. 5 erklärte, Zahlungen, die entgegen seinen Bestimmungen geleistet würden, entbänden nicht von der Pflicht zur Einzahlung an die Schweizerische Nationalbank. Art. 15 drohte freilich dem, der anders zahle, auch Strafe an. Dass die anderweitige Leistung die zivilrechtliche Schuld nicht zu tilgen vermochte, ergibt sich daraus aber nicht, und noch weniger lässt die Strafandrohung schliessen, dass der Vertrag auf Zahlung ausserhalb des zwischenstaatlichen Verrechnungsverkehrs nichtig sein sollte. Der Bundesratsbeschluss setzte die Gültigkeit eines solchen Vertrages geradezu voraus, indem Art. 3 lit. h die Schweizerische Verrechnungsstelle ermächtigte, im Einzelfalle eine andere als die vorgeschriebene Zahlungsart zuzulassen. Nichts spricht dafür, dass diese Bewilligung nach Abschluss des Vertrages nicht mehr in Frage kommen sollte, sondern nur für künftige Verträge vorgesehen worden sei. Die Schweiz war denn auch gegenüber Deutschland nicht verpflichtet, Verträge auf Leistung ausserhalb des gebundenen Zahlungsverkehrs als nichtig zu behandeln; das Abkommen vom 9. August 1940 enthielt keine dahin gehende Bestimmung.
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Die Auffassung der Vorinstanz, die widerrechtliche Zahlungsvereinbarung ziehe notwendigerweise die Nichtigkeit des ganzen Vertrages nach sich, weil es dem Kläger darum zu tun gewesen sei, Schweizerfranken zu erhalten, und er im Verkauf des Pelzmantels an den Beklagten nur eine Gelegenheit hiezu gesehen habe, hält übrigens vor Art. 20 Abs. 2 OR nicht stand. Diese Bestimmung bezweckt den Schutz jener Partei, die durch blosse Teilnichtigkeit des Vertrages benachteiligt würde, und verbietet daher, die Ganznichtigkeit auszusprechen, wenn die dem Nachteil ausgesetzte Partei selber am Vertrage mit verändertem Inhalt festhält (BGE 80 II 335). Benachteiligt durch die Unmöglichkeit, die erstrebten Schweizerfranken zu erhalten, wäre aber nur der Kläger. Dem Beklagten, der Zahlung von Schweizerfranken in der Schweiz versprochen hat, muss es gleichgültig sein, ob er sie hier dem Kläger übergebe oder sie zu dessen Gunsten auf Verrechnungskonto einzahle. Nachdem der Kläger bereit ist, Leistung auf dieses Konto als Erfüllung gelten zu lassen, kann daher nicht der Vertrag auf Begehren des Beklagten dennoch nichtig erklärt werden. Der Beklagte beruft sich vor Bundesgericht denn auch nicht mehr auf Art. 20 Abs. 2 OR. Das wäre missbräuchlich.
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4. Konnte der Vertrag trotz des Abkommens vom 9. August 1940 und des Bundesratsbeschlusses vom 13. August 1940, so wie er lautet, gültig abgeschlossen werden, so fragt sich, ob nicht die späteren Erlasse die ![]() | 21 |
a) Der Sperrebeschluss vom 16. Februar 1945 hatte diese Wirkung nicht. Indem er in Art. 1 Abs. 1 bestimmt, sämtliche Zahlungen der in der Schweiz domizilierten Personen an solche mit Wohnsitz in Deutschland oder deutschbesetzten Gebieten dürften "nur durch Einzahlung an die Schweizerische Nationalbank erfolgen", lässt er erkennen, dass er nicht die Zahlung überhaupt verbieten und die Verpflichtung zur Zahlung nichtig erklären, sondern lediglich den Weg, auf dem aus öffentlichrechtlichen Gründen erfüllt werden soll, vorschreiben will. Die Bestimmung setzt geradezu voraus, dass ein Zahlungsversprechen selbst dann, wenn es anders lautet, an sich gültig bleibt. Das gleiche ergibt sich aus Art. 7, wonach die Schweizerische Verrechnungsstelle Ausnahmen von der Pflicht zur Einzahlung an die Schweizerische Nationalbank bewilligen kann.
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Ob der Sperrebeschluss dem Beklagten noch heute Zahlung anders als an die Schweizerische Nationalbank verbietet - was nur zuträfe, wenn der Kläger deutscher Staatsangehöriger wäre (Art. 1 lit. a Bundesratsbeschluss vom 1. April 1947 über die Anwendung der Bundesratsbeschlüsse über die vorläufige Regelung des Zahlungsverkehrs zwischen der Schweiz und Deutschland) - kann deshalb offen bleiben.
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b) Von den Bundesratsbeschlüssen vom 26. Februar 1946 und 27. August 1954 über den Zahlungsverkehr mit Österreich wird die Verpflichtung des Beklagten überhaupt nicht erfasst, falls sie im Sinne von Art. 3 lit. c (Bundesratsbeschluss vom 26. Februar 1946) bzw. Art. 3 lit. b (Bundesratsbeschluss vom 27. August 1954) auf "Überweisung eines Kapitals" geht. Ihre Erfüllung bedürfte auch keiner Bewilligung gemäss Bundesratsbeschluss vom 1. Dezember 1950 über den Kapitalverkehr mit Ländern des gebundenen Zahlungsverkehrs.
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Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob die Ermächtigung der Schweizerischen Verrechnungsstelle an das Betreibungsamt vom 30. Dezember 1952, eingehende Beträge unter Hinweis auf die Bestimmungen über den gebundenen Zahlungsverkehr dem Vertreter des Klägers auszuzahlen, Ausnahmebewilligung im Sinne der Art. 4 und 6 des Bundesratsbeschlusses vom 26. Februar 1946 war oder, wie der Beklagte im kantonalen Verfahren geltend machte, im Gegenteil als Bestätigung auszulegen ist, dass die Überweisung nur im gebundenen Zahlungsverkehr erfolgen dürfte. Unerheblich ist daher auch die Annahme des Bezirksgerichts, die Verrechnungsstelle habe die Ermächtigung lediglich unter der vom Kläger hervorgerufenen Vorstellung erteilt, die Schuld des Beklagten gehe auf Rückzahlung eines Kapitals, die ohnehin nicht unter den Bundesratsbeschluss falle.
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Dem Entscheid des Obergerichtes vorbehalten bleibt auch noch die Festsetzung des Umrechnungskurses.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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