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52. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. September 1956 i.S. Stadtgemeinde Zürich gegen Winistörfer. | |
Regeste |
Verwandtenunterstützung, Art. 328/329 ZGB. |
2. Anfechtung einer Vereinbarung zwischen der Armenbehörde und dem Verwandten über dessen Unterstützungsbeitrag wegen Irrtums (Verschweigung von Vermögen). |
3. Verjährung des Ersatzanspruchs. | |
Sachverhalt | |
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Nach erfolglosen Verhandlungen mit dem Sohne stellte das Fürsorgeamt am 6. April 1955 beim Regierungsstatthalteramt Thun das Begehren, jener sei zu verpflichten, diesen Betrag von Fr. 5313.55 zu ersetzen.
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B.- Der Regierungsstatthalter sowie, in Abweisung der Rekurse beider Parteien gegen dessen Entscheid, der Regierungsrat des Kantons Bern haben das Rückerstattungsbegehren teilweise gutgeheissen dahin, dass Winistörfer Sohn in Anwendung von Art. 328/29 ZGB verurteilt wird, dem Fürsorgeamt an die Unterstützung des Vaters für die Zeit vom 5. Mai 1949 bis zum Tode (21. Dezember ![]() | 3 |
Der Regierungsrat führt aus, der Beitrag von Fr. 120.-- des Beklagten sei durch einen aussergerichtlichen Vergleich festgesetzt worden. Das Fürsorgeamt sei damals, nach den vom Beklagten gegebenen Auskünften, von einem Bruttoeinkommen von Fr. 14 700.-- und einem Vermögen von Fr. 52'000.-- ausgegangen. Dabei habe ihm der Beklagte zugegebenermassen verschwiegen, dass er in seine Bieler Liegenschaft aus eigenen Mitteln Fr. 47 000.-- investiert und diese dadurch im Werte entsprechend erhöht hatte. Er habe also das Fürsorgeamt damals über die Höhe seines Vermögens in einen Irrtum versetzt. Dass es sich dabei um eine absichtliche Täuschung gehandelt hätte, sei nicht hinreichend nachgewiesen; es möge sein, dass der Beklagte wirklich nicht daran gedacht habe, dass er diese Aufwendungen in den Verhandlungen mit dem Amt hätte erwähnen müssen. Auf jeden Fall aber liege ein Irrtum über einen Sachverhalt vor, der vom Amt nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des abgeschlossenen Vergleiches betrachtet wurde. Dieser sei daher für das Fürsorgeamt im Sinne von Art. 24 Ziff. 4 OR unverbindlich. Von der Verheimlichung habe das Amt erst anlässlich des Verkaufes der Bieler Liegenschaft im November 1953 Kenntnis erhalten und noch im gleichen Monat den Beklagten zur Nachzahlung aufgefordert, den Vergleich also rechtzeitig angefochten. In Ansehung des neu entdeckten Vermögensteils von Fr. 47 000.--, anderseits der Tatsache, dass sich der Vater nie um den Sohn gekümmert habe, erscheine eine Nachzahlung von Fr. 60.- pro Unterstützungsmonat angemessen.
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C.- Gegen diesen Entscheid legte das Fürsorgeamt die vorliegende Hauptberufung ein mit dem Begehren um Zusprechung seiner ganzen Nachforderung von Fr. 5313.55. Mit Anschlussberufung beantragt Winistörfer Abweisung des ganzen Nachleistungsbegehrens.
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Nach konstanter Rechtsprechung gibt jedoch das ZGB der unterstützungspflichtigen Armenbehörde die Befugnis, von den pflichtigen Verwandten neben laufenden Beiträgen Ersatz für die bereits geleisteten Unterstützungen zu verlangen. Dieser Ersatzanspruch ist aber auf die Leistungen beschränkt, die der Unterstützungsberechtigte oder die unterstützende Behörde bei Kenntnis der Person und der Verhältnisse des unterstützungspflichtigen Verwandten zu der Zeit hätte fordern können, da die Unterstützungen geleistet wurden, deren Ersatz verlangt wird (BGE 74 II 22,BGE 76 II 115). Dieser Rückgriffsanspruch muss vom unterstützenden Gemeinwesen - abgesehen von der eigentlichen Verjährung - mit tunlichster Beförderung geltend gemacht werden (a.a.O.). Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, erhält das Gemeinwesen, sobald es eine Unterstützung ausgerichtet hat, gegenüber dem beitragspflichtigen Verwandten im Sinne von Art. 329 Abs. 3 ZGB einen Ersatzanspruch nach Massgabe von Abs. 1. Auf Entstehung und Bestand desselben kann es keinen Einfluss haben, ob der Unterstützte zufälligerweise früher oder später stirbt; denn der Anspruch geht ja auf Ersatz von Leistungen, die dem Unterstützten zu seinen Lebzeiten tatsächlich ausgerichtet worden sind und die durch seinen Tod nicht ungeschehen gemacht werden. Eine andere Auslegung ![]() | 7 |
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die zwischen dem Fürsorgeamt und dem Beklagten am 16. Juli 1949 geschlossene Vereinbarung als Vergleich im juristischtechnischen Sinne - Beseitigung des zwischen den Parteien inbezug auf ein Rechtsverhältnis bestehenden Streites durch gegenseitige Zugeständnisse (BGE 41 II 617) - oder als gewöhnlicher Vertrag zu betrachten ist; denn auch ein Vergleich kann wegen wesentlichen Grundlagenirrtums angefochten werden, nämlich wenn nachgewiesen ist, dass beide Parteien von einem gewissen Sachverhalte, der sich nachher als irrtümlich erweist, ausgegangen sind oder dass ![]() | 8 |
a) Die Vorinstanz nimmt nun insofern einen Irrtum des Fürsorgeamtes an, als der Beklagte im Jahre 1949 diesem verschwiegen habe, aus eigenen Mitteln Fr. 47'000.-- für seine Liegenschaft in Biel aufgewendet und damit deren Wert im gleichen Betrage erhöht zu haben. Diese Feststellung tatsächlicher Natur ist für das Bundesgericht verbindlich. Soweit die Berufung geltend macht, der verschwiegene Teil des Vermögens mache mehr als Fr. 47 000.-- aus, ist sie daher nicht zu hören. Absichtliche Täuschung ist nicht nachgewiesen; nimmt die Vorinstanz doch als möglich an, dass der Beklagte nicht daran gedacht habe, dass er diese Investitionen in den Verhandlungen mit dem Fürsorgeamt hätte erwähnen müssen. Dagegen lag beim Fürsorgeamt ein Irrtum bezüglich eines für die Bemessung des Unterstützungsbeitrages wesentlichen Sachverhaltes, eben der Höhe des Vermögens des Beklagten, vor, der das Amt zur Anfechtung der Vereinbarung berechtigt.
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b) Demgegenüber wendet der Beklagte in seiner Anschlussberufung ein, die Berufung auf den Irrtum sei in casu gemäss Art. 25 Abs. 1 OR unstatthaft, weil gegen Treu und Glauben verstossend. Es habe dem Fürsorgeamt damals freigestanden, neben der Auskunft des Beklagten weitere Beweismittel, insbesondere die Steuerakten, einzuverlangen und die gerichtliche Festsetzung der Unterstützungsbeiträge zu verlangen. Wenn das Fürsorgeamt sich mit den Auskünften des Beklagten begnügt und keinen Prozess eingeleitet habe, müsse es selber die Folge dieser Nachlässigkeit tragen und könne sich nicht auf wesentlichen Irrtum berufen.
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Eine Wahrheitspflicht der in Anspruch genommenen Verwandten hat indessen die Rechtsprechung bejaht (BGE 76 II 115f.). Dass der Belangte bewusst falsche Angaben gemacht habe, ist für die Anfechtung nicht ![]() | 11 |
c) Nachdem das Fürsorgeamt erst anlässlich des Verkaufes der Bieler Liegenschaft des Beklagten im November 1953 von der Verschweigung des darin liegenden Mehrwertes Kenntnis erhalten hatte, genügte die noch im gleichen Monat an den Beklagten gestellte Aufforderung zur Nachzahlung sowohl dem Erfordernis beförderlicher Geltendmachung im Sinne der Praxis (BGE 74 II 22) als der einjährigen Anfechtungsfrist gemäss Art. 31 Abs. 1 OR.
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Der Ersatzanspruch des Gemeinwesens gegen die Verwandten verjährt innert der 5jährigen Frist von Art. 128 Ziff. 1 OR. Die Verjährung tritt, da die Ersatzforderung mit der Auszahlung der Unterstützung durch das Gemeinwesen fällig wird, für jede einzelne von den Verwandten zu ersetzende Unterstützungsleistung mit Ablauf von ![]() | 14 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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