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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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72. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Oktober 1956 i.S. Corinphila-Liga und Luder gegen Heinrich Köhler. | |
Regeste |
Art. 1 Abs. 1, Art. 8 UWG, Art. 50 OR. |
b) Eine nach objektiven Merkmalen im Rahmen des Wettbewerbes stehende Handlung fällt auch dann unter das UWG, wenn dem Täter die Beeinflussung des Wettbewerbes nebenbei oder ausschliesslich Mittel zur Erreichung eines anderen Zweckes ist (Erw. 2). |
c) Verstösst es gegen Treu und Glauben, einen Mitbewerber zu einem erpressungsähnlichen Zwecke öffentlich blosszustellen? (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Emilie Brauer beauftragte die Firma Heinrich Köhler, die in Wiesbaden mit Briefmarken handelt, eine seltene Moldau-Briefmarke zu versteigern. Die Marke wurde zusammen mit anderen in den Katalog der Versteigerung ![]() | 2 |
Schon zu Beginn des Prozesses hatte die Firma E. Luder & Co. der Firma Heinrich Köhler gedroht, die Angelegenheit in den philatelistischen Kreisen und in der Presse zu veröffentlichen, wenn ihr der Preis der Marke nicht zurückerstattet ![]() | 3 |
Begründung: | |
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Die Beklagten sind der Meinung, dieser Wettbewerb müsse zwischen dem Verletzten und der handelnden Person selbst bestehen, dem Gesetze unterstehe also nicht, wer nur fremden Wettbewerb beeinflusse. Dem ist jedenfalls insoweit nicht beizupflichten, als jedermann den unlauteren Wettbewerb eines andern in den Teilnahmeformen des Art. 50 OR, insbesondere als Miturheber oder Gehülfe, ![]() | 5 |
2. Die Beklagten machen geltend, sie unterständen dem Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb nicht, weil sie nicht auf die Beeinflussung des Wettbewerbes ausgegangen seien, sondern lediglich eine die Briefmarkensammler ![]() | 6 |
Der Beweggrund der Wahrung allgemein philatelistischer Interessen wird jedoch vom Bezirksgericht, dessen tatsächliche Feststellungen das Obergericht übernommen hat, als vorgeschoben bezeichnet, womit für das Bundesgericht verbindlich festgestellt ist, dass er nicht bestanden hat. Schon deshalb kann auf die bezügliche Behauptung der Beklagten nichts ankommen.
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Die Absicht sodann, die Klägerin zur Rückzahlung des Kaufpreises zu bewegen, schliesst die Anwendung der Bestimmungen über unlauteren Wettbewerb nicht aus. Gegen Treu und Glauben verstossende Handlungen, die sich eignen, den wirtschaftlichen Wettbewerb zu beeinflussen, fallen auch dann unter das Gesetz, wenn der Täter in ihnen ein Mittel sieht, dem Verletzten eine Leistung abzunötigen. Art. 1 UWG verlangt nicht eine bestimmte Absicht. Insbesondere sagt er nicht, dass er nur gelte, wenn sich der Zweck der Tat in der Beeinflussung des Wettbewerbes erschöpft, nicht auch, wenn der Täter in dieser Beeinflussung ein Mittel zur Erreichung eines anderen Zieles sieht oder sonstwie neben ihr noch andere Zwecke verfolgt. Das Bundesgericht hat denn auch schon entschieden, dass die Verfolgung wirtschafts- und sozialpolitischer Ziele den Täter nicht berechtigt, im Wettbewerb die durch das Gesetz gezogenen Schranken zu überschreiten; wirtschaftspolitische Kritik, in den Rahmen des Wettbewerbes gestellt, erscheine als ein Mittel, das geeignet, wenn nicht sogar bestimmt sei, den einen Bewerber zum Nachteil des andern zu begünstigen (BGE 79 II 411f.). Wenn die Beklagten geltend machen, sie hätten ihre Handlungen nicht "in den Rahmen des Wettbewerbes gestellt", wie dieser Entscheid verlange, so verkennen sie, dass sich nach ![]() | 8 |
3. Der Beklagte Luder hat schon dadurch gegen Treu und Glauben verstossen, dass er seine Stellung als Präsident der Corinphila-Liga ausgenützt hat, um in deren Namen Geschäftsverhältnisse und Geschäftsgebaren der Klägerin öffentlich zu beanstanden mit dem Zwecke, die Wettbewerbsfähigkeit der Klägerin so zu schwächen oder zu gefährden, dass sie trotz ihres Obsiegens vor dem Oberlandesgericht Frankfurt den Preis der Moldau-Marke zurückerstatte. Desgleichen widersprach es Treu und Glauben, dass die Corinphila-Liga zu dieser Machenschaft Hilfe leistete. Nach den Geboten der guten Sitten und des Rechts hätte die Firma E. Luder & Co. selber oder durch den in ihrem Auftrag und auf ihre Rechnung auftretenden Kligler die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ergreifen oder gegen Frau Brauer klagen sollen, wenn sie sich mit der Abweisung der Klage gegen die Firma Heinrich Köhler durch das Oberlandesgericht nicht zufrieden geben wollte. Es war missbräuchlich, das Wettbewerbsverhältnis, in welchem E. Luder & Co., ihr unbeschränkt haftender Gesellschafter und die Genossenschaft Corinphila einerseits und die Klägerin anderseits stehen, durch öffentliche Blossstellung der letzteren dem erpressungsähnlichen Ziele dienstbar zu machen. Diese Art der Selbsthilfe erfüllt als Rechtsmissbrauch allgemein den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbes, unbekümmert darum, ob die Schmähschriften auch durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen noch speziell gegen Treu und Glauben verstossen.
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