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7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Februar 1957 i.S. Dresel gegen Hartmann. | |
Regeste |
1. Art. 275, 418 a, 530 OR. Pacht, Agenturvertrag oder einfache Gesellschaft? (Erw. 1). |
3. Art. 1 Abs. 2 Schlussbestimmungen des BG über den Agenturvertrag. Was die Parteien unter altem Recht vereinbart haben, gilt ohne weiteres auch unter neuem Recht, zwingende Bestimmungen des Gesetzes vorbehalten (Erw. 7). | |
Sachverhalt | |
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Nachdem Hartmann am 26. November 1954 den Vertrag auf 28. Februar 1955 gekündet hatte, klagte Dresel beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen ihn auf Bezahlung von Fr. 99'220.94 nebst 5% Zins ab 3. März 1955.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Ein Pachtvertrag liegt vor, wenn der Beklagte sich verpflichtet hat, dem Kläger die beiden Ausgaben der Zeitschrift zur Verfügung zu stellen, damit er darin Inserate, zu deren Veröffentlichung der Kläger sich gegenüber Dritten in eigenem Namen und auf eigene Rechnung verpflichten würde, erscheinen lassen könne, und wenn der Kläger dem Beklagten für dieses Recht eine Vergütung (Pachtzins) versprochen hat (Art. 275 Abs. 1 OR; vgl.BGE 57 II 160ff.). Diese braucht nicht in einer festen Geldsumme bestanden zu haben, sondern kann als Bruchteil der Erträgnisse vereinbart worden sein, nämlich als Anteil des Beklagten an den Leistungen, welche die Dritten dem Kläger für das Erscheinen der Inserate erbringen würden (Teilpacht; s. Art. 275 Abs. 2 OR). Mit den Erfordernissen eines Pachtvertrages unvereinbar ist es dagegen, wenn das Recht, die beiden Zeitschriften durch Veröffentlichung von Inseraten zu nutzen, beim Beklagten verblieb, ![]() | 5 |
b) In Art. 5 haben die Parteien vereinbart, dass ausschliesslich der Beklagte der Kundschaft Rechnung zu stellen und die Vergütungen für die Inserate einzuziehen habe. Das ist dahin zu verstehen, dass die Verträge mit den Dritten im Namen und auf Rechnung des Beklagten abzuschliessen seien, dass also die Forderungen gegen die Inserenten ihm, nicht dem Kläger zustehen sollten. In diesem Sinne hat auch der Beklagte die Vereinbarung verstanden, machte er doch im kantonalen Verfahren geltend, sie sei getroffen worden, weil der Kläger bei Beginn seiner Tätigkeit tief in Schulden gesteckt habe. Das Handelsgericht geht fehl, wenn es ausführt, die Bestimmung sei für die Vertragsnatur nicht entscheidend, weil sie lediglich eine Nebenverpflichtung enthalte, die statt vom Beklagten ebensogut von einem Dritten, z.B. von einer berufsmässigen Inkassofirma, hätte erfüllt werden können. Nicht um die Zuweisung der mit dem Inkasso verbundenen Arbeit war es den Parteien zu tun, sondern der Beklagte wollte Gläubiger der Inserenten, also Eigentümer der Erträgnisse werden, weil er den Kläger nicht für kreditwürdig, d.h. nicht für fähig hielt, einen Pachtzins zu bezahlen.
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Dass der Beklagte sich nicht lediglich als Inkassobeauftragter des Klägers zur Verfügung gestellt, sondern sich den Abschluss der Insertionsverträge im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vorbehalten hat, zeigt auch die Regelung der Vergütungen. Der Vertrag bestimmt nicht, dass der Kläger dem Beklagten eine Vergütung (Pachtzins und Inkassoprovision) von 65% der Einnahmen aus den ![]() | 7 |
Art. 1 Abs. 1 des Vertrages spricht denn auch von der Übertragung der Vertretung der Inseratengeschäfte des Verlages, sieht in ihnen also Geschäfte des Beklagten und im Kläger nur dessen Vertreter. Das ist nicht eine ungenaue Ausdrucksweise. Da auch in Art. 1 Abs. 2, Art. 2 und Art. 8 des Vertrages von Vertretung und Vertretungsübernahme die Rede ist, durfte der Kläger davon ausgehen, dass ihn der Vertrag zu dem mache, was Geschäftsleute unter einem Vertreter verstehen, nämlich zu einem Gehilfen, der für einen andern Geschäfte abschliesst oder vermittelt, nicht zu einem Pächter, der sie in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu tätigen habe. War er Vertreter, so gehörten Abschluss und Bestätigung von Verträgen so gut zu seiner Aufgabe wie zum Betrieb eines sog. Annoncenpächters. Aus seinen Ausführungen, wonach das seine Obliegenheit ![]() | 8 |
Es steht auch fest, dass die Inseratenverträge tatsächlich im Namen des Beklagten abgeschlossen wurden. ..
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Unerheblich ist, dass die Parteien vereinbart haben, Vergütungen an Dritte seien vom Kläger festzusetzen und auszuzahlen und gingen zu seinen Lasten (Art. 3 Abs. 3, 4 Abs. 3). Zu Unrecht meint der Beklagte mit dem Handelsgericht, das spreche für Pacht und gegen einen Agenturvertrag. Gewiss schliesst der Agent die Geschäfte für Rechnung des Auftraggebers ab (Art. 418a OR). Das heisst aber nur, dass ihre Erfüllung auf Rechnung des Auftraggebers gehe, nicht auch, dass dieser dem Agenten den mit der Werbung und dem Abschluss verbundenen Aufwand zu ersetzen habe. Mit der Natur des Agenturvertrages verträgt es sich durchaus, dass der Agent seine Hilfspersonen bezahlt, ohne dafür Anspruch auf Ersatz zu erlangen (Art. 418n OR), dass er also die ihm vertraglich obliegenden Verrichtungen "auf eigene Rechnung" besorgt oder durch Hilfspersonen besorgen lässt. Der Beklagte spielt also mit Worten, wenn er geltend macht, der Kläger könne nicht Agent sein, weil er auf "eigene Rechnung" gehandelt habe.
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Ebensowenig spricht für Pacht, dass der Beklagte auch die bei ihm selbst eingehenden Insertionsaufträge in der Abrechnung zu berücksichtigen hatte (Art. 3 Abs. 4), und dass er die Ablehnung von Inseraten, die er nicht aufnehmen wollte, begründen musste (Art. 9). Beides erklärt sich daraus, dass die dem Kläger zukommende Vergütung vom Umsatz des Inseratengeschäftes abhängig gemacht wurde, was in einem Agenturverhältnis durchaus zulässig war (Art. 418g OR) ...
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Auch die Tatsache, dass der Kläger mit den Kunden die Gestaltung der Inserate besprach, die Unterlagen beschaffte und den Verkehr mit der Druckerei besorgte, bis die Inserate erschienen waren, vermag den Schluss, dass die Insertionsverträge im Namen und auf Rechnung des ![]() | 12 |
c) Eine Gesellschaft läge vor, wenn die Parteien sich durch den Vertrag zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln verbunden hätten (Art. 530 OR).
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Das trifft nicht zu. Zwar ist richtig, dass der Kläger gleich wie der Beklagte am Einbringen möglichst vieler Inseratenaufträge interessiert war. Von einem gemeinsamen Zweck könnte aber nur die Rede sein, wenn die Parteien die Rechte und Pflichten aus den eingebrachten Aufträgen als eine gemeinsame Angelegenheit betrachtet hätten. Nach richtiger Auslegung des Vertrages sollten sie indessen ausschliesslich dem Beklagten zustehen, der die Insertionsverträge in seinem Namen und auf seine Rechnung abschliessen liess und erfüllte, im Kläger lediglich seinen "Vertreter" sah und dessen Tätigkeit durch eine "Kommission" entgalt. Für den Beklagten bestand der Zweck des Vertrages darin, sich - gegen Leistung einer nach dem Erfolg bemessenen Vergütung - die Hilfe des Klägers zu ![]() | 14 |
d) Unbestritten ist, dass der Kläger sich als selbständiger Kaufmann betätigt hat, vom Beklagten nicht zur Leistung von Diensten auf Zeit angestellt worden ist. Ein Dienstverhältnis liegt daher nicht vor (Art. 319 OR). Die Tätigkeit des Klägers war Gegenstand eines Auftrages, dauernd Inserenten zu suchen und mit ihnen im Namen und für Rechnung des Beklagten Verträge abzuschliessen. Der Auftrag, den der Beklagte bestreitet, lag in der Übertragung der "ausschliesslichen Vertretung seiner Inseratengeschäfte", wie Art. 1 des Vertrages sie vorsah. Da der Kläger, wie ausgeführt worden ist, die Inseratenverträge im Namen und auf Rechnung des Beklagten abzuschliessen hatte, sind alle Merkmale eines Agenturvertrages erfüllt.
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Damit ist nicht gesagt, ob der Anspruch, den Art. 418u dem Agenten verleiht, auch aus Tatsachen abgeleitet werden kann, die vor dem 1. Januar 1952 eingetreten sind. Da das Obligationenrecht ein Teil des Zivilgesetzbuches ist, sind dessen Anwendungs- und Einführungsbestimmungen ![]() | 17 |
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Das Handelsgericht hat nicht dazu Stellung genommen, ob diese vom Beklagten samt und sonders bestrittenen Voraussetzungen erfüllt seien. Die Sache ist daher zurückzuweisen, damit es darüber entscheide und, falls es den Anspruch bejaht, dessen Höhe bestimme. Dabei hat es zu berücksichtigen, dass der Anspruch laut Gesetz angemessen sein muss und einen Nettojahresverdienst des Klägers aus dem Vertragsverhältnis, berechnet nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre, nicht übersteigen darf. ..
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7. Das Handelsgericht hat die vom Kläger begehrte Verzinsung der vom Beklagten im Verlaufe des Prozesses getilgten Schuld von Fr. 35'887.47 abgelehnt, weil nach Art. 5 des Vertrages die Verbindlichkeiten des Beklagten erst mit dem Erscheinen der Inserate fällig geworden seien und der Beklagte die fälligen Beträge jeweils rechtzeitig bezahlt habe. Dem hält der Kläger mit der Berufung entgegen, gemäss Art. 418t Abs. 2 OR seien seine Ansprüche ![]() | 20 |
Dass diese Bestimmung das neue Recht anwendbar erklärt, falls der Vertrag nicht binnen zwei Jahren seit dem Inkrafttreten des Gesetzes den neuen Normen angepasst werde, heisst indessen nur, dass die Parteien während zwei Jahren Gelegenheit hätten, die Lücken des Vertrages durch eine von nachgiebigen Normen des Gesetzes abweichende Regelung auszufüllen, nicht auch, dass eine schon bestehende vertragliche Bestimmung, die von solchen Normen abweicht, dahinfalle, wenn sie binnen der zwei Jahre nicht ausdrücklich erneuert werde. Was die Parteien unter altem Recht vereinbart haben, gilt ohne weiteres auch unter neuem Recht, zwingende Bestimmungen des Gesetzes vorbehalten. Der Gesetzgeber hatte keinen Grund, eine auch nach neuem Recht zulässige vertragliche Ordnung mangels ausdrücklicher Erneuerung hinfällig zu erklären.
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