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39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Oktober 1957 i.S. Eheleute V. | |
Regeste |
Alimente für eheliche Kinder. Klagelegitimation der Mutter. | |
Sachverhalt | |
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Am 12. Juli 1954 setzte der Eheschutzrichter die Unterhaltsbeiträge für Frau und Kinder mit Wirkung ab 1. April 1954 auf Fr. 300.-- pro Monat herab. Die rückständigen Beiträge beliefen sich am 31. März 1954 gemäss einer Aufstellung der Ehefrau vom 27. Juli 1954 nach Abzug der Leistungen, welche die Ehefrau von der Gemeinde und den Eltern des Ehemannes erhalten hatte, auf Fr. 12'438.--.
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B.- Am 1. Dezember 1954 schlossen die Parteien (die Ehefrau auch im Namen der Kinder) eine Vereinbarung, die u.a. bestimmte, dass der Ehemann fortan für jedes der drei Kinder monatlich Fr. 150.--, "zur Zeit also total Fr. 450.--" bezahle und dass die Ehefrau "auf bis dato nicht bezahlte Unterhaltsbeiträge für sich und die Kinder" verzichte.
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In der Folge zahlte der Ehemann der Ehefrau monatlich Fr. 450.--. Er fuhr damit auch fort, nachdem die Ehefrau ihm mit Schreiben vom 6. Januar und 4. Februar 1955 unter Berufung auf Willensmängel eröffnet hatte, dass sie die Vereinbarung vom 1. Dezember 1954 nicht gelten lasse und allfällige Zahlungen als solche entgegennehme, die er in Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht leiste. Das Vorliegen von Willensmängeln bestritt er.
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Mit Zahlungsbefehl vom 28. Juni 1955 betrieb die Ehefrau den Ehemann für den Betrag von Fr. 12'438.--. Der Betriebene erhob Rechtsvorschlag.
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C.- Am 14. Oktober 1955 hob die Ehefrau gegen den Ehemann Klage an mit dem Begehren, er sei zu verurteilen, an sie zu zahlen:
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"a) Fr. 12'438.-- per 31. März 1954 rückständige Unterhaltsbeiträge gemäss Verfügung des Eheschutzrichters vom 27. April 1950, plus 5% Zins seit 1. April 1954;
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..."
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Der Beklagte machte geltend, neben der Ehefrau hätten auch die Kinder als Kläger auftreten müssen. Im übrigen ![]() | 9 |
Die Klägerin replizierte, die Vereinbarung vom 1. Dezember 1954 sei nach Art. 23 ff. OR, insbesondere wegen absichtlicher Täuschung und Drohung, und auch deswegen ungültig, weil sie zur Zeit des Vertragsabschlusses verbeiständet gewesen sei und der Beistand nicht mitgewirkt habe. Die Mehrrleistung von monatlich Fr. 150.-- dürfe nicht zur Verrechnung gebracht werden, weil es sich dabei um eine freiwillige Zahlung für den Unterhalt der Familie handle.
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Das Bezirksgericht nahm an, die Klägerin habe auch für die Kinder geklagt und dies tun können, ohne ausdrücklich in ihrem Namen zu handeln. Dass die rückständigen Alimente am 31. März 1954 Fr. 12'438.-- ausmachten, sei unbestritten. Die Vereinbarung vom 1. Dezember 1954 sei ungültig, weil der Beistand der Klägerin nicht mitgewirkt habe. Dagegen seien die Beträge von monatlich Fr. 150.-- oder insgesamt Fr. 3300.--, die ab 1. Dezember 1954 bis und mit September 1956 über die gerichtlich festgesetzten Alimente hinaus bezahlt wurden, von der Forderung der Klägerin in Abzug zu bringen. Demgemäss sprach es der Ehefrau Fr. 9138.-- zu.
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D.- Vor Kantonsgericht, an das beide Parteien appellierten, machte der Beklagte neu geltend, hinsichtlich der Hauptforderung der Klägerin liege res judicata vor. Der Eheschutzrichter habe bereits entschieden, was die Klägerin heute wieder verlange. Die Klägerin hätte lediglich auf Feststellung der Ungültigkeit der Vereinbarung vom 1. Dezember 1954 klagen können, was sie nicht getan habe. Eine Mitwirkung des Beistandes sei übrigens beim Abschluss dieser Vereinbarung nicht nötig gewesen.
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E.- Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht erneuert die Klägerin dieses Klagebegehren. Das Bundesgericht hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Sache an die Vorinstanz zurück.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Die Ehefrau hat nach Art. 160 Abs. 2 ZGB ein eigenes Recht darauf, dass der Ehemann die Kinder unterhält (LEMP N. 39 zu Art. 160, N. 18 zu Art. 170 ZGB). Kraft dieses Rechts hat die Klägerin vor dem Eheschutzrichter Unterhaltsbeiträge nicht nur für sich selber, sondern auch für die Kinder erstritten. Demgemäss ist sie befugt, die in der Verfügung dieses Richters festgesetzten Beiträge auch insoweit in ihrem eigenen Namen einzuklagen, als sie für die Kinder bestimmt sind. Die eheliche Mutter ist zu solchem Vorgehen so gut berechtigt, wie die aussereheliche Mutter gemäss Art. 307 Abs. 1 ZGB ![]() | 15 |
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Im vorliegenden Falle stehen sich heute wieder die gleichen Parteien gegenüber wie im Eheschutzverfahren von 1950. Das Begehren a) der heutigen Klage und das ![]() | 17 |
Seit dem 31. März 1954 sind jedoch Tatsachen eingetreten, aus denen der Beklagte Einreden gegen die Pflicht zur Zahlung der bis zu jenem Zeitpunkt aufgelaufenen Rückstände herleitet. Unter Berufung auf den in der Vereinbarung vom 1. Dezember 1954 ausgesprochenen Verzicht der Klägerin bestreitet er seine Zahlungspflicht grundsätzlich, und unter Hinweis darauf, dass er vom 1. Dezember 1954 an monatlich Fr. 150.-- über den vom Eheschutzrichter am 12. Juli 1954 festgesetzten Betrag hinaus bezahlt hat, macht er eventuell geltend, die Klägerin müsse sich von ihrer Forderung einen entsprechenden Abzug gefallen lassen. Gegen den ihm am 28. Juni 1955 zugestellten Zahlungsbefehl hat er deswegen Rechtsvorschlag ![]() | 18 |
3. Der Klägerin kann nicht schaden, dass sie nicht versucht hat, in der von ihr angehobenen, durch den Rechtsvorschlag des Beklagten gehemmten Betreibung definitive Rechtsöffnung zu verlangen, bevor sie die vorliegende ![]() | 19 |
JAEGER vertritt freilich die Auffassung, der Gläubiger müsse diesen Weg beschreiten, um das Urteil zur Vollstreckung gelangen zu lassen, wenn es sich um ein im betreffenden Kanton selber ergangenes Urteil handle, weil der Schuldner einer nochmaligen Einklagung des Anspruchs im ordentlichen Verfahren die Einrede der abgeurteilten Sache entgegensetzen könnte (N. 4 zu Art. 80 SchKG). Diese Einrede steht jedoch dem Schuldner, wie aus Erwägung 2 hervorgeht, dann nicht zu Gebote, wenn er gegen die im frühern Urteil festgestellte Zahlungspflicht unter Berufung auf seither eingetretene Tatsachen Einreden erhebt und der Gläubiger behauptet, er müsse gleichwohl zahlen; denn in diesem Falle handelt es sich eben nicht mehr um den gleichen Rechtsstreit. Für Fälle wie den vorliegenden trifft also die Auffassung JAEGERS nicht zu.
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Dass die Klägerin, wie die Vorinstanz annimmt, kein rechtliches Interesse daran habe, den Rechtsvorschlag des Beklagten durch ein neues Urteil des ordentlichen Richters beseitigen zu lassen, könnte selbst dann nicht anerkannt werden, wenn der Beklagte nicht in der Lage wäre, durch Urkunden die Tilgung der Schuld seit Erlass des Urteils nachzuweisen, und die Klägerin daher auf die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung rechnen könnte (Art. 81 Abs. 1 SchKG). Sobald der Schuldner gegen die durch das frühere Urteil festgestellte Zahlungspflicht auf Grund späterer Tatsachen Einreden erhebt, kann die Frage, ob diese Pflicht noch bestehe oder nicht, nur durch ein Urteil des ordentlichen Richters verbindlich entschieden werden. Der Entscheid des Rechtsöffnungsrichters hat ![]() | 21 |
Die Klägerin konnte im übrigen nicht bestimmt darauf rechnen, dass sie mit einem Rechtsöffnungsbegehren durchdringen würde. Es ist sehr wohl möglich, dass der Rechtsöffnungsrichter ihr die Rechtsöffnung mit der Begründung verweigert hätte, der Beklagte könne ihren Verzicht auf die streitigen Unterhaltsbeiträge durch eine Urkunde belegen und die von ihr behauptete Ungültigkeit dieses Verzichtes sei nicht liquid. So zu entscheiden, hätte der Rechtsöffnungsrichter um so eher geneigt sein können, als die Klägerin bei Verweigerung der Rechtsöffnung lediglich gezwungen gewesen wäre, den ordentlichen Prozessweg zu betreten, und daher von einem solchen Entscheid viel weniger einschneidende Folgen zu erwarten gehabt hätte als der Beklagte von einem Entscheide, der der Klägerin die Fortsetzung der Betreibung erlaubt ![]() | 22 |
Dass sie sich nicht damit begnügte, eine Feststellungsklage einzuleiten, wie sie nach der Auffassung der Vorinstanz allein zulässig gewesen wäre, sondern auf Zahlung der rückständigen Beiträge klagte, lässt sich nicht beanstanden. Hätte sie bloss die Feststellung verlangt, dass ihr Verzicht ungültig und die Anrechnung der nach dem 1. Dezember 1954 erfolgten "Mehrzahlungen" auf die Rückstände unzulässig sei, so wäre sie wahrscheinlich auf den Einwand gestossen, an einer solchen negativen Feststellung habe sie kein schutzwürdiges Interesse, weil sie sogleich auf Zahlung der streitigen Beiträge hätte klagen können.
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