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40. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Juni 1957 i.S. S. gegen Bezirksrat Zürich. | |
Regeste |
Entmündigung wegen lasterhaften Lebenswandels (Art. 370 ZGB) im Falle der Prostitution? | |
Sachverhalt | |
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Diese Klage wurde am 1. März 1954 eingeleitet, nachdem neue Erkundigungen der Vormundschaftsbehörde ergeben hatten, dass die - seit dem 1. Juni 1953 verheiratete - Interdizendin sich der gewerbsmässigen Unzucht hingab. Mit Urteil vom 22. April 1955 sprach das Bezirksgericht Zürich die Entmündigung gestützt auf Art. 369 und 370 ZGB aus. Das Obergericht des Kantons Zürich hat diesen Entscheid am 4. Dezember 1956 mit ![]() | 2 |
Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht beantragt die (heute geschiedene) Beklagte wie im kantonalen Verfahren Abweisung der Klage.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Die Beklagte hat sich nach den für das Bundesgericht massgebenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz von 1953 bis in das Jahr 1956 als Dirne betätigt und dieses Gewerbe namentlich vom Oktober 1954 an "hemmungslos" ausgeübt. Sie hat also zweifellos einen lasterhaften Lebenswandel im Sinne von Art. 370 ZGB geführt. Für die Zeit nach dem 23. April 1956, d.h. für die Zeit nach dem Verhör der Zeugen, die bestätigten, dass die Beklagte häufig Männerbesuche empfangen habe, ist jedoch nicht festgestellt, dass die Beklagte sich weiterhin der Gewerbsunzucht hingegeben habe. Die Vorinstanz billigt ihr im Gegenteil zu, dass ihr Lebenswandel, soweit er auf Grund der Akten bekannt sei, sich heute nicht mehr in der "abgründigen Tiefe" bewege wie früher. Aus der im angefochtenen Urteil erwähnten Tatsache, dass sie am 17. September 1956 von der Sittenpolizei festgenommen wurde, die sie dann dem Gutachter Dr. W. zuführte, zieht die Vorinstanz nicht den Schluss, dass die Beklagte damals wiederum im Begriffe gewesen sei, sich zu prostituieren. Dass die Beklagte sich nur unter dem ![]() | 5 |
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a) Von einer Gefährdung der Sicherheit anderer könnte, wie sich aus BGE 46 II 210 Erw. 3 ergibt, nur gesprochen werden, wenn die Beklagte bei der Ausübung ihres Gewerbes Delikte begangen hätte, wofür keine Anhaltspunkte vorliegen.
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b) Dass die Beklagte wegen ihres Lebenswandels zu ![]() | 8 |
c) Diese Gefahr ist bei einer Person, die einen lasterhaften Lebenswandel führt, nicht schon deswegen als vorhanden anzusehen, weil bei einem solchen Verhalten ganz allgemein die Möglichkeit des Versinkens in Not und Armut besteht. Vielmehr ist erforderlich, dass die besondern Umstände des konkreten Falles eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür begründen, dass diese Möglichkeit sich verwirklichen werde. Die Tatsachen, die diesen Schluss rechtfertigen, sind wie diejenigen, die den lasterhaften Lebenswandel als solchen dartun, vom Antragsteller nachzuweisen (vgl. BGE 44 II 231, letzter Satz der Erwägungen).
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Was hienach für den Fall des lasterhaften Lebenswandels im allgemeinen gilt, ist auch im Falle der Prostitution massgebend. Man kann (zumal seitdem die Gefahr der venerischen Erkrankung sich stark vermindert hat) nicht mit Grund behaupten, es spreche eine Vermutung dafür, dass weibliche Prostituierte nach verhältnismässig kurzer Zeit verarmen oder in Not geraten, und diese Vermutung sei so stark, dass die Gefahr eines Notstandes oder der Verarmung ohne weiteres zu bejahen sei, wenn keine Tatsachen nachgewiesen werden, die diese Gefahr ausschliessen. BGE 46 II 210 Erw. 2 hat nicht diesen Sinn. Wenn in BGE 46 II 343 Erw. 4 bemerkt wurde, es bestehe "keine Gewähr" dafür, dass die Interdizendin nicht, "wie die Prostituierten im allgemeinen", in Not gerate, so war dies nicht der einzige Grund dafür, dass dort die in Frage stehende Voraussetzung der Entmündigung als gegeben erachtet wurde. Vielmehr wies das Bundesgericht ![]() | 10 |
Im vorliegenden Falle liegt nichts vor, was erlauben würde, eine konkrete Gefahr als vorhanden anzunehmen. Zwar sagt die Vorinstanz, die Beklagte verstehe es nicht, "dem Geld Sorge zu tragen". Allein einerseits hat dies mit der Prostitution nichts zu tun, und anderseits liegt dieser Würdigung keinerlei Feststellung über bestimmte Tatsachen zugrunde, die sie rechtfertigen könnten. Dem Urteil und den Akten ist nur zu entnehmen, dass die Beklagte Bedürfnisse hatte, die sie aus dem Haushaltungsgeld nicht bestreiten konnte. Davon aber, dass sie Schulden gemacht oder die Armenbehörden in Anspruch genommen habe, verlautet nichts.
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Ihre Entmündigung ist daher nicht gerechtfertigt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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