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55. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. November 1957 i.S. Schnurrenberger gegen "Zürich" Unfall- und Haftpflicht-Versicherungs-A.-G. | |
Regeste |
Adäquater Kausalzusammenhang zwischen vorschriftswidrigem Überholen und Zusammenstoss zweier aus der Gegenrichtung kommender Fahrzeuge. | |
Sachverhalt | |
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B.- Der Kläger machte Masters für den Unfall verantwortlich und belangte die "Zürich" Unfall- und Haftpflichtversicherungs AG als Vertreterin des englischen Versicherers des Masters auf Bezahlung von Fr. 11'280.80 nebst 5% Zins seit 12. August 1954.
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Die Beklagte bestritt die Verantwortlichkeit Masters für den Unfall des Klägers.
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C.- Das Kantonsgericht und das Obergericht des Kantons Zug, dieses mit Urteil vom 12. Februar 1957, wiesen die Klage mit der Begründung ab, es fehle an einem rechtserheblichen Kausalzusammenhang zwischen der Fahrweise Masters und dem Unfall des Klägers.
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D.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt der Kläger erneut Gutheissung seiner Klage, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Bestimmung des Schadenersatzes.
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Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Vorinstanz ist auf Grund der im kantonalen Verfahren durchgeführten Beweiserhebungen zum Schlusse gelangt, die ursprüngliche Ursache des dem Kläger zugestossenen Unfalls liege im Verhalten Masters. Damit ist für das Bundesgericht das Vorliegen des natürlichen Kausalzusammenhanges verbindlich festgestellt; denn ob ein Ereignis als Wirkung eines andern zu betrachten sei, ist nach ständiger Rechtsprechung Tatfrage. Vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsfrage ist dagegen, ob die beiden Ereignisse zu einander in einem adäquaten Verhältnis stehen und der zwischen ihnen vorhandene ursächliche ![]() | 7 |
2. Bei der Beurteilung dieser Frage fällt hier in Betracht, dass das Überholen immer, insbesondere für den Gegenverkehr, eine erhöhte Gefährdung schafft. Es ist nach Art. 46 Abs. 1 MFV darum nur gestattet, wenn die dazu erforderliche Strassenstrecke frei und übersichtlich ist und namentlich kein anderes Fahrzeug entgegen kommt; wer überholt, ist nach Art. 46 Abs. 3 MFV verpflichtet, besonders vorsichtig zu fahren und auf die andern Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen. Diese besondere Vorsichtspflicht gilt in noch erhöhtem Masse auf Durchgangsstrassen, wo allgemein mit hoher Geschwindigkeit gefahren wird und deswegen auch die mit dem Überholen verbundene Gefährdung besonders ausgeprägt ist. Es kann ein scheinbar noch in weiter Ferne befindliches Fahrzeug infolge hoher, von vorne kaum abschätzbarer Geschwindigkeit vor der Beendigung des Überholens so nahe herangelangt sein, dass sein Führer zum Verlangsamen seiner Fahrt gezwungen ist, um einen Zusammenstoss mit dem überholenden Fahrzeug zu vermeiden. Solche Geschwindigkeitsverminderung kann dazu führen, dass das Fahrzeug ins Schleudern gerät und es so zu einem Unfall kommt. Darüber hinaus besteht aber immer die Gefahr, dass der Führer eines nachfolgenden Fahrzeugs durch die Geschwindigkeitsverminderung überrascht wird, infolgedessen unrichtig reagiert oder nicht mehr rechtzeitig zu bremsen vermag und darum in das vordere Fahrzeug hineinfährt; denn es kommt erfahrungsgemäss immer wieder vor, dass der Führer des hinteren Fahrzeugs seiner gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht zur Einhaltung eines ![]() | 8 |
Die Beklagte wendet ein, der Abstand des Klägers vom Wagen Zollingers habe mehr als 100 m betragen, so dass der Kläger bei einiger Aufmerksamkeit noch rechtzeitig hätte anhalten können, zumal Zollinger nicht plötzlich gebremst, sondern seine Geschwindigkeit nur allmählich vermindert habe. Die mangelnde Aufmerksamkeit des Klägers habe daher die massgebliche Unfallursache gebildet und den Kausalzusammenhang zwischen dem Überholen Masters und dem Unfall unterbrochen.
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Dieser Einwand ist jedoch schon deshalb unbehelflich, weil nicht feststeht, wie gross der Abstand der beiden Fahrzeuge tatsächlich war. Nach den Ausführungen des angefochtenen Urteils besteht lediglich eine durch verschiedene Indizien gestützte Möglichkeit, dass der Abstand so gross war, wie die Beklagte behauptet. Das reicht nicht aus, um die nach dem Gesagten an sich vorhandene Erheblichkeit des Kausalzusammenhangs zu widerlegen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob bei einem Abstand von etwas mehr als 100 m der Unfall des Klägers nicht mehr als adäquate Folge des Verhaltens Masters betrachtet werden könnte.
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3. Von ihrer somit grundsätzlich gegebenen Haftung vermöchte sich die Beklagte nur durch den doppelten Nachweis zu befreien, dass den Kläger ein grobes Selbstverschulden, ![]() | 11 |
Dagegen kann der Kläger nicht vollen Ersatz seines Schadens beanspruchen, weil auch ihm ein Verschulden am Unfall zur Last zu legen ist (Art. 37 Abs. 3 MFG). Denn entweder hat er den nach Art. 48 Abs. 1 MFV gebotenen Abstand vom Wagen Zollingers nicht eingehalten und darum nicht mehr rechtzeitig bremsen können, als Zollinger verlangsamte und schliesslich ganz anhielt, oder dann hat er es an der nötigen Aufmerksamkeit fehlen lassen und deshalb zu spät bemerkt, dass er in gefährliche Nähe des vordern Wagens gelangt sei. Dass er möglicherweise durch das verkehrswidrige Vorfahren Masters und das Geräusch des Zusammenstosses zwischen dessen Wagen und dem Lastwagen erschreckt wurde und darum in seiner Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt war, vermöchte ihn nicht von jedem Verschulden zu entlasten. Bei genügendem Abstand von Zollinger hätte er durch das Vorfahren Masters nicht derart überrascht sein können, dass ihm jede Möglichkeit gefehlt hätte, den Zusammenstoss mit Zollinger zu vermeiden oder doch vermehrt abzuschwächen.
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Bei der Abwägung des gegenseitigen Verschuldens fällt zunächst ins Gewicht, dass das Verschulden Masters als schwer bezeichnet werden muss. Obwohl er den aus der Gegenrichtung herannahenden Wagen Zollingers sah, liess er sich nicht vom Überholen des Lastwagens abhalten. Damit verstiess er gröblich gegen die ihm nach Art. 46 MFV obliegenden besonderen Sorgfaltspflichten. Sein Verschulden wiegt, verantwortungsmässig betrachtet, schwerer ![]() | 13 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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