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18. Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Februar 1958 i.S. Meierhofer gegen Ambühl. | |
Regeste |
Art. 57 Abs. 3 und 4 OG, Berufungsverfahren und kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Sind diese Bestimmungen sinngemäss anzuwenden, wenn der dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Sachverhalt von einer kantonalen Behörde auf Nichtigkeitsbeschwerde hin trotz deren Abweisung berichtigt oder ergänzt wird? | |
Sachverhalt | |
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Ambühl erstattete gegen Meierhofer Strafanzeige wegen Veruntreuung oder Diebstahls. Der Beschuldigte verteidigte sich mit der Behauptung, er habe Ambühl das Wertpapier vor der Beurkundung des Kaufvertrags im Wartezimmer der Bezirksschreiberei abgekauft und ihm sogleich Fr. 8000.-- übergeben, ohne eine Quittung zu erhalten. Er sei mit Ambühl einig gewesen, den Mehrwert des Papiers von etwa Fr. 2000.-- als Gegenleistung dafür zu betrachten, dass er ihm versprochen habe, ihm bei der Einrichtung der Metzgerei behilflich zu sein und ihn in das Geschäft einzuführen.
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Die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Landschaft stellte am 20. Januar 1955 das Verfahren mangels Nachweises eines strafbaren Tatbestandes ein.
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B.- Im September 1955 klagte Ambühl gegen Meierhofer beim Bezirksgericht Winterthur mit dem Begehren, der Beklagte sei zu verurteilen, ihm den Nennwert des Kassenscheins und des Zinscoupons sowie die Kosten des Verfahrens auf Kraftloserklärung, d.h. insgesamt Fr. 10'454.-- nebst Zins zu 5% ab 10. Juni 1954 und Fr. 10.- Betreibungskosten zu ersetzen.
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Der Beklagte hielt an seiner im Strafverfahren gegebenen Darstellung fest und beantragte Abweisung der Klage.
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Das Bezirksgericht kam in Würdigung des Beweises zum Schluss, dass dem Kläger zu glauben sei. Es hiess am 28. Dezember 1956 die Klage im Betrage von Fr. 10'454.-- nebst Zins zu 5% seit 4. Oktober 1954 und Fr. 10.- Betreibungskosten gut.
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Der Beklagte appellierte an das Obergericht des Kantons ![]() | 7 |
Das Obergericht lehnte es mit Urteil vom 7. Mai 1957 ab, auf die neue Darstellung einzutreten, denn § 317 Abs. 1 ZPO lasse im allgemeinen im Berufungsverfahren neue Behauptungen nur zu, wenn sie die Darstellung der betreffenden Partei ergänzten, nicht auch, wenn sie ihr völlig widersprächen; die Änderung des Standpunktes durch den Beklagten sei rechtmissbräuchlich. Das Obergericht hiess die Klage in gleichem Umfange gut wie die erste Instanz.
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C.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er beantragt, es sei aufzuheben und die Klage abzuweisen, eventuell sei die Sache zur Abnahme der in der Eingabe vom 26. April 1957 angebotenen Beweise an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, es sei eine Frage des kantonalen Rechts, ob die neue Darstellung des Beklagten gemäss § 317 Abs. 1 ZPO habe zugelassen werden müssen. Indem das Obergericht die Aufstellung neuer Behauptungen als rechtsmissbräuchlich bezeichnet habe, habe es Art. 2 ZGB, also zu Unrecht eidgenössisches statt kantonales Recht angewendet. Jedenfalls liege kein Rechtsmissbrauch vor. Der Beklagte habe Anspruch darauf, die behaupteten Tatsachen zu beweisen. Auf Grund der Akten sei die neue Darstellung bereits als richtig hinzunehmen. Sollte das Bundesgericht davon nicht überzeugt sein, so müsste die Beweisführung vor Obergericht ergänzt werden.
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E.- Der Beklagte hat auch gegen das Urteil des ![]() | 11 |
Am 21. November 1957 hat der Beklagte die Berufung gegen das Urteil des Kassationsgerichts zurückgezogen, jedoch an der Auffassung festgehalten, das Kassationsgericht habe übersehen, dass Huggel über die Höhe des vereinbarten Kaufpreises nicht befragt worden sei.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Gemäss Art. 63 Abs. 2 OG hat das Bundesgericht seiner Entscheidung die Feststellungen der letzten kantonalen Instanz über tatsächliche Verhältnisse zugrunde zu ![]() | 14 |
Dass dieses auf einen dem angefochtenen berufungsfähigen Urteil nicht zugrunde liegenden Sachverhalt auch dann abzustellen habe, wenn eine durch Nichtigkeitsbeschwerde angegangene kantonale Behörde ihn unterstellt, sagt dagegen das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege nicht, obwohl gemäss Art. 57 Abs. 1 das bundesgerichtliche Urteil auch bis zur Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde ausgesetzt werden muss.
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Eine Regelung erübrigt sich hier für die Fälle, in denen die kantonale Nichtigkeitsbehörde wegen des unterstellten neuen Sachverhaltes das angefochtene Urteil aufhebt und die Sache entweder an die Vorinstanz zurückweist oder selber ein neues Sachurteil fällt. In beiden Fällen wird die Berufung gegen das aufgehobene Urteil gegenstandslos und kann gegen das neue Sachurteil der unteren kantonalen Instanz oder der Nichtigkeitsbehörde Berufung erklärt werden.
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Der Fällung eines neuen Sachurteils durch die Nichtigkeitsbehörde kann es gleichkommen, wenn diese die Nichtigkeitsbeschwerde nur deshalb abweist, weil sie findet, das angefochtene Urteil lasse sich auf Grund des beurteilten Sachverhaltes zwar nicht halten, sei aber im Ergebnis doch richtig, da die Vorinstanz auf anderer Grundlage hätte urteilen sollen. Damit macht die Nichtigkeitsbehörde diese andere Grundlage zum Gegenstand ihres Urteils, und das ![]() | 17 |
Wenn die Nichtigkeitsbehörde dagegen trotz der Ersatzbegründung über den gleichen Anspruch urteilt wie die Vorinstanz, so liegt in dem die Nichtigkeitsbeschwerde abweisenden Entscheid materiell kein neues Sachurteil. Dieser Entscheid ist dann nicht berufungsfähig. Daher muss das Bundesgericht in diesem Falle auf Berufung gegen das von der unteren Instanz gefällte Sachurteil hin auch die der Ersatzbegründung der Nichtigkeitsbehörde zugrunde liegenden ergänzenden oder berichtigenden tatsächlichen ![]() | 18 |
3. Das Obergericht hat darüber entschieden, ob der Beklagte über den Kassenschein samt Zinscoupon rechtmässig oder unrechtmässig verfügt habe und daher die Schadenersatzforderung des Klägers unbegründet oder begründet sei. Die Begründung, mit der das Kassationsgericht die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen hat, betrifft die gleiche Frage und den gleichen Anspruch. Sie unterscheidet sich von der Begründung, mit der die Klage vom Obergericht abgewiesen wurde, nur in bezug auf den Erwerbsgrund, der vom Beklagten behauptet worden war, um die Verfügung über das Papier als rechtmässig hinzustellen. Das Obergericht ging davon aus, es sei prozessual gültig nur Kauf des Papiers behauptet und ein solcher sei nicht bewiesen, das Kassationsgericht dagegen nahm an, diese Behauptung sei gültig durch die Behauptung ersetzt worden, der Beklagte habe das Papier als Anzahlung auf den nicht in vollem Umfange öffentlich beurkundeten Kaufpreis der Liegenschaft erhalten, doch sei auch dieser Behauptung nicht Glauben zu schenken. Das Kassationsgericht hat also mit seiner Begründung nicht materiell ein neues Sachurteil, sondern nur auf Grund einer vom Beklagten ![]() | 19 |
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Im vorliegenden Falle ist ein weiterer Schriftenwechsel nicht nötig, weil der Beklagte sich zu den Ergebnissen des Nichtigkeitsverfahrens schon mit der gegen das Urteil des Kassationsgerichts eingelegten Berufung geäussert hat. Die Vernehmlassung des Klägers hiezu erübrigt sich nach Art. 60 Abs. 2 OG.
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6. Es ist nicht zu verstehen, wie der Beklagte dem Kassationsgericht vorwerfen kann, es habe offensichtlich übersehen, dass er zum Beweise seiner Behauptung, wonach ein Kaufpreis von Fr. 240'000.-- und eine vor der Beurkundung zu leistende Anzahlung von Fr. 10'000.-- vereinbart worden seien, noch gar nicht zugelassen worden sei. Das Kassationsgericht nimmt in der Begründung auf diese Behauptung Bezug, und Gegenstand seines Urteils sind gerade die Fragen, ob das Obergericht auf sie hätte eintreten sollen, ob der Beklagte für den über den verurkundeten Betrag hinaus behaupteten Mehrpreis die Beweislast trage und ob die Behauptung sich durch erneute Einvernahme ![]() | 23 |
Mit den weiteren Ausführungen stellt der Beklagte sich im Ergebnis auf den Standpunkt, er habe Anspruch darauf, dass dem Zeugen Huggel die Frage nach der Vereinbarung eines vor der Beurkundung zu zahlenden Mehrpreises ausdrücklich gestellt werde, und das Kassationsgericht habe übersehen, dass sie dem Zeugen im Strafverfahren und vor Bezirksgericht noch nicht gestellt worden sei. Weder das eine noch das andere trifft zu. Wer eine rechtserhebliche Tatsache behauptet, kann nicht unter allen Umständen verlangen, dass die Person, auf die er sich beruft, über sie einvernommen werde. Kommt der Richter zum Schluss, der Zeuge vermöchte die Frage nicht zu beantworten oder es wäre ihm nicht zu glauben, so kann er die Einvernahme ablehnen. Mit dieser Überlegung, nicht weil dem Zeugen die Frage nach der Vereinbarung eines vor der Beurkundung zu zahlenden Mehrpreises schon gestellt worden sei (oder weil sie nicht zum Beweisthema gehöre), hat das Kassationsgericht die nochmalige Einvernahme Huggels für überflüssig gehalten. Ob zu Recht oder Unrecht, hat für das Bundesgericht dahingestellt zu bleiben, denn das ist eine Frage der Beweiswürdigung, mit der es sich auch dann nicht befassen darf, wenn sie der Abnahme der angebotenen Beweise vorausgeht (BGE 56 II 203). Das Bundesgericht hat daher nicht zu entscheiden, ob das Kassationsgericht aus dem Umstande, dass Huggel anlässlich der Einvernahme durch das Bezirksgericht nicht von einem dem Verschreibungsakt vorausgegangenen Geschäft über einen Kassenschein auszusagen vermochte und auch laut Aussage im Strafverfahren von einem solchen nie etwas gehört haben will, schliessen durfte, er vermöchte sich auch nicht glaubwürdig über die behauptete Vereinbarung eines Mehrpreises zu äussern. Ob Huggel bisher "mindestens ausweichende Antworten gegeben hat", wie der Beklagte geltend macht, ändert nichts. Die Frage, was er bei nochmaliger ![]() | 24 |
Der Beklagte macht ferner geltend, seine neue Behauptung erfordere auch eine Überprüfung des ganzen Aktenmaterials und das Kassationsgericht habe sie "offensichtlich unterlassen". Das ist wiederum Kritik an der Beweiswürdigung und trifft übrigens nicht zu, da das Kassationsgericht ausführt, was er in der Noveneingabe sonst noch vorgebracht habe, reiche für sich allein nicht aus, um den ihm obliegenden Beweis zu erbringen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die Berufung gegen das Urteil des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Oktober 1957 wird als durch Rückzug erledigt erklärt.
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