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58. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. September 1958 i.S. Wittenauer & Cie. gegen Egger, Eisenhut & Co. | |
Regeste |
Sachbezeichnung, Freizeichen; MSchG Art. 3 Abs. 2. |
Schutzfähigkeit der Marken "Farmerhösli" bzw. "Farmerli" für Kinder-Spielüberkleider bestimmter Machart (Erw. 3 c-e). |
Voraussetzungen der Umwandlung einer Marke in ein Freizeichen (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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Die Beklagte, die Firma Egger, Eisenhut & Co. in Aarwangen, nahm 1942 die Herstellung gleichartiger Kinderspielhosen auf, für die sie in der Werbung und beim Verkauf an die Ladengeschäfte die Bezeichnungen "Farmerhosen", "Farmerhösli" oder "Farmerli" gebrauchte. Hiegegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 26. Februar 1946 Einspruch unter Hinweis darauf, dass die Verwendung dieser Bezeichnungen ihre Wortmarken "Farmer" und "Farmerli" verletze. Die Beklagte wandte mit Schreiben vom 5. März 1946 ein, es handle sich bei den Ausdrücken "Farmerhösli" und "Farmerli" um Sachbezeichnungen.
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Die Klägerin liess die Angelegenheit zunächst auf sich beruhen. Am 23. Juni 1952 forderte sie dann aber die Beklagte erneut auf, bei der Werbung für ihre Kinderüberhosen das Wort "Farmer" nicht zu verwenden. Die Beklagte beharrte jedoch auf ihrem früher eingenommenen Standpunkt.
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Nachdem die Klägerin weitere drei Jahre zugewartet hatte, wurde sie am 23. November 1955 erneut bei der Beklagten vorstellig, ohne damit Erfolg zu haben.
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B.- Am 16. März 1957 erhob die Klägerin gegen die Beklagte die vorliegende Unterlassungs-, Feststellungs- und Schadenersatzklage. Sie beantragte, der Beklagten sei die Verwendung des Wortes "Farmer" beim Anbieten und beim Verkauf von Kinderspielkleidern und Überkleidern im allgemeinen zu verbieten und es sei festzustellen, dass die Beklagte die Marken- und Wettbewerbsrechte der Klägerin durch die Verwendung der Bezeichnung "Farmer" verletzt habe. Ferner verlangte sie Fr. 30 000.-- Schadenersatz und Veröffentlichung des Urteilsdispositivs.
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Die Beklagte bestritt die Klage im vollen Umfang.
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C.- Das Handelsgericht Bern wies mit Urteil vom 6. März 1958 die Klage ab. Es kam zum Schluss, der Wortbestandteil "Farmerhösli" - und damit auch der darauf ![]() | 8 |
D.- Mit der Berufung hält die Klägerin ihre Klagebegehren aufrecht und beantragt eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung.
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Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Sachbezeichnungen sind, wie schon der Sinn des Wortes besagt, Ausdrücke, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der für die betreffende Ware in Betracht kommenden Verkehrskreise dazu dienen, eine bestimmte Sache zu benennen. Solche Bezeichnungen sind für den ![]() | 14 |
Auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist bei der Entscheidung der Frage, ob eine Marke als blosse Sachbezeichnung oder Beschaffenheitsangaben zu betrachten sei, ist in der oben erwähnten Rechtsprechung nie ausdrücklich festgestellt worden. Es versteht sich aber der Natur der Sache nach von selbst, dass es massgebend auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Eintragung der Marke ankommen muss. Denn nur wenn schon damals der oben umschriebene enge Zusammenhang zwischen der Ware und dem dafür hinterlegten Zeichen bestand, kann von einem Bedürfnis gesprochen werden, die Bezeichnung für den allgemeinen Gebrauch frei zu halten. Eine nach der Eintragung der Marke eingetretene Änderung der Verhältnisse ist erst für die später zu erörternde weitere Frage von Bedeutung, ob ein ursprünglich markenfähiges Zeichen im Laufe der Zeit zum Freizeichen entartet und aus diesem Grunde Gemeingut geworden sei.
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Selbst wenn man dies als tatsächliche Feststellung hinzunehmen hat, so ist damit gleichwohl noch nicht gesagt, dass die streitige Marke für sich allein betrachtet im Zeitpunkt ihrer Hinterlegung (1935) unmittelbar, ohne Zuhilfenahme der Phantasie, ohne besondere Ideenverbindung und ohne Gedankenarbeit auf die Sache selbst geführt hätte, d.h. auf die Vorstellung, dass es sich bei der so bezeichneten Ware um Kinderspielkleider von bestimmter Machart handle, nämlich um Überkleider mit langen Hosenbeinen, ![]() | 17 |
d) Hinsichtlich der jüngeren Marke "Farmerli" vom Jahre 1941 hat die Vorinstanz auf Grund der Zeugeneinvernahmen erklärt, der Ausdruck "Farmerli" werde im Publikum allgemein als Diminutiv von "Farmerhösli" aufgefasst, und nicht etwa als Diminutiv des Wortes "Farmer".
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e) Waren somit die streitigen Marken im Zeitpunkt ihrer Hinterlegung keine Sachbezeichnungen bezw. Beschaffenheitsangaben im Sinne der Rechtsprechung, so waren sie ursprünglich als Marken schutzfähig.
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a) Beweispflichtig für eine solche Umwandlung ist die Beklagte. An den Beweis sind gemäss Lehre und Rechtsprechung strrenge Anforderungen zu stellen, weil eine derartige Umwandlung einer eingetragenen Marke etwas Aussergewöhnliches bedeutet (BGE 62 II 324 f. und dort erwähnte Entscheide). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Entwicklung zum Freizeichen erst vollzogen, wenn bei sämtlichen beteiligten Verkehrskreisen das Bewusstsein der Zugehörigkeit einer Marke zu einem bestimmten Produzenten oder Händler entschwunden ist (BGE 83 II 219).
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Diese Richtlinien nimmt auch das angefochtene Urteil zum Ausgangspunkt. Ihrer Anwendung auf den vorliegenden Fall durch die Vorinstanz kann indessen nicht zugestimmt werden.
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b) Hinsichtlich der Verhältnisse beim kaufenden Publikum hat die Vorinstanz das Ergebnis der Zeugeneinvernahmen dahin zusammengefasst, dass von jenem der Begriff "Farmerhösli" allgemein nicht als Marke, sondern als Sachbezeichnung für eine bestimmte, von verschiedenen Fabrikanten hergestellte Art von Kinderüberkleidern aufgefasst werde. Das trifft gemäss den von der Vorinstanz gemachten Einzelfeststellungen zwar für die Mehrheit der Fälle zu, gilt aber doch nicht ausnahmslos. So erklärte der von der Vorinstanz als glaubhaft befundene Zeuge Leib, ![]() | 25 |
Hieraus, sowie aus den andern von der Vorinstanz erwähnten Aussagen von Käuferinnen oder aus Angaben des Verkaufspersonals über die Gepflogenheiten der Käuferschaft geht hervor, dass beim Publikum die Entwicklung der Marke "Farmerhösli" zur Sachbezeichnung schon sehr weit fortgeschritten, ja nahezu allgemein geworden ist, und dass eine allgemeine Neigung in dieser Richtung festzustellen ist. Mit dieser tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz ist indessen die Frage noch nicht entschieden. Denn sie betrifft nur einen der gemäss Lehre und Rechtsprechung massgebenden Verkehrskreise.
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c) In Bezug auf die Verhältnisse bei der Händlerschaft erklärt die Vorinstanz, auch bei den Einzelverkäufern (Detaillisten) sei das Ergebnis "im allgemeinen gleich". Nach den oben dargelegten Grundsätzen ist aber für die Umwandlung einer Marke in ein Freizeichen erforderlich, dass keinem der befragten Händler der Markencharakter des Zeichens mehr bewusst ist. Erst dann ist der rechtliche Schluss erlaubt, dass ein Zeichen allgemein (was nicht dasselbe ist wie die von der Vorinstanz gebrauchte unbestimmte Wendung "im allgemeinen") als Sachbezeichnung aufgefasst werde. Diese Voraussetzung ist aber nach den eigenen Feststellungen der Vorinstanz nicht erfüllt. Danach vertrat wohl das befragte Verkaufspersonal überall die Meinung, unter "Farmerhösli" sei eine bestimmte Art von Kinderüberkleidern zu verstehen, die von verschiedenen Fabrikanten und in verschiedenen Qualitäten hergestellt würden. Bei den Geschäftsinhabern und leitenden Persönlichkeiten grosser Verkaufsgeschäfte verhielt sich die Sache dagegen nach den von der Vorinstanz festgehaltenen Ergebnissen des Beweisverfahrens anders. Danach hat der Verkaufschef Leib von der Firma Rüfenacht ![]() | 27 |
Aus diesen Feststellungen der Vorinstanz geht somit hervor, dass es leitende Personen grösserer Kaufhäuser wie auch Inhaber kleinerer Geschäfte gibt, bei denen das Wissen um den Markencharakter der streitigen Zeichen auch heute noch eindeutig vorhanden ist. Ob dieses Bewusstsein ununterbrochen bestand oder erst durch das Einschreiten der Klägerin wieder wachgerufen wurde, ob einzelne dieser Personen lediglich aus geschäftlichen Gründen vom Gebrauch der Marke als Sachbezeichnung absahen usw., ist belanglos. Rechtlich entscheidend ist, dass nicht gesagt werden kann, das Wissen um die klägerische Marke sei gänzlich verschwunden. Das genügt, um die Umwandlung der Marke in ein Freizeichen zu verneinen.
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d) Was schliesslich die Verhältnisse bei den Herstellern solcher Überkleider für Kinder anbelangt, so erklärt die Vorinstanz, sie seien "ungefähr gleich" wie bei den Händlern.
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Die Vorinstanz meint freilich, eine Anerkennung der Rechte der Klägerin könne in diesem Verhalten der Konkurrenzfirmen nicht ohne weiteres erblickt werden; denn vermutlich hätten sich diese nur zu Zugeständnissen bequemt, weil sie sich durch die Androhung von Prozessen einschüchtern liessen oder weil ihnen der vorliegende Prozess oder derjenige gegen die Firma Sommer & Co. bekannt war und sie deren Ergebnis abwarten wollten. ohne sich ihrerseits in ein Verfahren verwickeln zu lassen.
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Es kommt indessen nichts darauf an, ob eine förmliche Anerkennung der Markenrechte der Klägerin durch Dritte vorliegt, und sodann wird mit dieser Erklärung der Vorinstanz die rechtlich entscheidende Tatsache nicht aus der Welt geschafft, dass infolge dieses Vorgehens de Klägerin die Konkurrenzfirmen jenes Wissen hatten, das ![]() | 32 |
e) Die Vorinstanz begründet die Klageabweisung auch noch damit, dass die Entwicklung der Marke der Klägerin zur Sachbezeichnung durch die Intervention der Klägerin nicht wirksam aufgehalten werden konnte. Diese Bemerkung knüpft offenbar an die Ausführungen in BGE 62 II 325 an, wonach die Umwandlung erst anzunehmen ist, wenn das Zeichen einer Rückwandlung zur Marke trotz darauf gerichteten Bemühungen nicht zugänglich ist. Hievon könnte aber erst dann gesprochen werden, wenn die Entwicklung bereits dazu geführt hätte, dass die Erinnerung an die Zugehörigkeit der Marke zur Ware der Klägerin bei sämtlichen beteiligten Kreisen entschwunden wäre. Das trifft hier nach den oben gemachten Ausführungen mindestens für einen Teil der Verkäuferschaft und der Fabrikanten nicht zu. Die Frage nach dem Gelingen oder Misslingen einer Rückwandlung stellt sich daher überhaupt nicht.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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