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27. Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. Juni 1959 i. S. G. gegen G. | |
Regeste |
Berufung. Unzulässiges neues Begehren? (Art. 55 lit. b OG). |
1. "Moralische Unmöglichkeit" ehelichen Verkehrs um die Empfängniszeit? |
2. Dass trotz bestehender Möglichkeit kein solcher Verkehr stattgefunden habe, darf weder auf Grund des Zugeständnisses der Mutter noch gestützt auf vom kantonalen Prozessrecht nicht als Beweismittel anerkannte Aussagen im Parteiverhör noch auf Grund eines der freien Beweiswürdigung entzogenen Parteieides oder -handgelübdes als erstellt betrachtet werden (analoge Anwendung von Art. 158 Ziff. 1-4 ZGB). Auch gibt das Bundesrecht dem Kläger keinen Anspruch darauf, dass die vor zweiter Instanz am Prozess nicht mehr teilnehmende Mutter als Zeugin verhört werde. | |
Sachverhalt | |
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"Sofern der Kläger unter Handgelübde an Eidesstatt erklärt, dass er in der Zeit vom 8. Januar bis zum 8. Mai 1957 mit der Beklagten II keinen Geschlechtsverkehr gehabt hat, wird festgestellt, dass die Beklagte I nicht das eheliche Kind des Klägers, sondern das aussereheliche Kind der Beklagten II ist.
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Leistet der Kläger das Handgelübde nicht, so wird die Klage abgewiesen."
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In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, für die "vom Gesetz verlangte Unmöglichkeit eines geschlechtlichen Umganges des Klägers mit der Beklagten II" um die Empfängniszeit spreche die übereinstimmende Erklärung der Ehegatten im Eheverhör, dass seit der Geburt des ersten Kindes kein ehelicher Verkehr mehr stattgefunden habe. Dazu komme, dass die Ehefrau in der kritischen Zeit intime Beziehungen mit R. unterhalten habe und glaubhaft erkläre, das Kind D. sei aus diesem Verhältnis hervorgegangen. Da sie aber bei getrennten ![]() | 5 |
B.- Der Beistand des Kindes zog dieses Urteil an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt weiter mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Der Kläger beantragte die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils. Am 24. März 1959 hat das Appellationsgericht die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Unmöglichkeit der Vaterschaft des Klägers werde nur mit der Behauptung begründet, dass seit der Geburt des ersten Kindes kein ehelicher Verkehr mehr stattgefunden habe. Dass die Zeugung des Kindes durch den Kläger aus äussern Gründen unmöglich sei, werde nicht geltend gemacht; aber auch eine Unmöglichkeit der Beiwohnung aus psychischen Gründen sei nicht dargetan. Dass trotz bestehender Möglichkeit um die Zeit der Empfängnis tatsächlich kein Geschlechtsverkehr zwischen den Ehegatten stattgefunden habe, könne durch das dem Kläger auferlegte Handgelübde an Eidesstatt im Sinne von § 139 ZPO nicht bewiesen werden, weil im Anfechtungsprozess angesichts der hier auf dem Spiel stehenden öffentlichen Interessen die für das Scheidungsverfahren geltende Vorschrift von Art. 158 Ziff. 2 ZGB analog anzuwenden sei. Mit den übereinstimmenden Aussagen, die der Kläger und seine Ehefrau im Scheidungs- und im Anfechtungsprozess machten, lasse sich die Unmöglichkeit der Vaterschaft des Klägers nicht beweisen, weil das kantonale Prozessrecht Parteiaussagen nicht als Beweismittel anerkenne. Schliesslich dürfe das Ausbleiben des ehelichen Verkehrs nach dem Grundsatze von Art. 158 Ziff. 1 und 3 ZGB, der im Anfechtungsprozess ebenfalls anwendbar sei, auch nicht ![]() | 6 |
C.- Dieses Urteil hat der Kläger mit der vorliegenden Berufung angefochten.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Dass um die Zeit der Empfängnis des Kindes ein ehelicher Verkehr aus äussern Gründen unmöglich oder der Kläger zeugungsunfähig gewesen sei, hat dieser, wie die Vorinstanz zutreffend feststellt, nie geltend gemacht. Von "moralischer" Unmöglichkeit einer Beiwohnung kann angesichts der strengen Anforderungen, von denen die Rechtsprechung die Annahme einer solchen Unmöglichkeit abhängig macht (BGE 82 II 502 lit. a), ebenfalls keine Rede sein, da nichts dafür vorliegt, dass die Eheleute G., die während der Empfängniszeit beisammen ![]() | 9 |
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Mit den Aussagen, welche die Mutter und der Kläger im Parteiverhör gemacht haben, kann der von Art. 254 ZGB geforderte Nachweis nach der Rechtsprechung (BGE 82 II 503 mit Hinweisen) schon deswegen nicht geleistet werden, weil nach der für das Bundesgericht als Berufungsinstanz verbindlichen Auslegung des kantonalen Prozessrechts durch die Vorinstanz die Aussagen im Parteiverhör im Kanton Basel-Stadt nicht als Beweismittel anerkannt sind.
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Dass die Mutter, die im zweitinstanzlichen Verfahren keine Anträge stellte, von der Vorinstanz als Zeugin verhört worden sei, wie in der Berufungsschrift behauptet wird, stimmt nach dem Protokoll der Appellationsverhandlung nicht. Es kann aber auch keine Rede davon sein, dass der Kläger von Bundesrechts wegen auf ihre Vernehmung als Zeugin Anspruch gehabt habe. Wenn sie ![]() | 12 |
Es bleibt somit einzig noch zu prüfen, ob der in Frage stehende Beweis durch das dem Kläger auferlegte Handgelübde erbracht werden könne.
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Dem Richter die Überzeugung vom Vorhandensein einer Tatsache zu verschaffen, ist die Beweisführung mit den vom kantonalen Prozessrecht vorgesehenen Beweismitteln nur unter der Voraussetzung geeignet, dass der Richter die Beweise frei würdigen kann. Der in Art. 158 Ziff. 4 ZGB ausgesprochene Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist also, was den Beweis der klagebegründenden Tatsachen anbetrifft, in Art. 158 Ziff. 1 ZGB bereits mitenthalten.
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Der Eid und das Handgelübde einer Partei im Sinne von § 139 ff. der baselstädtischen ZPO sind, wie die Vorinstanz im angefochtenen Urteil und in dem darin angeführten Urteil vom 20. Januar 1959 i.S. Sch./Sch. in für das Bundesgericht als Berufungsinstanz massgebender Weise festgestellt hat, formale Beweismittel. Sie haben "Urteilscharakter" und sind demgemäss "der freien Beweiswürdigung entzogen". Der Richter hat sie, wenn geleistet, "als schlechthin entscheidend hinzunehmen". Beim Eid und beim Handgelübde einer Partei im Sinne ![]() ![]() | 16 |
Die Vorinstanz hat also mit Recht angenommen, dass das Ausbleiben ehelichen Verkehrs während der Empfängniszeit, aus dem der Kläger die Unmöglichkeit seiner Vaterschaft ableiten will, aus Gründen des Bundesrechts durch das ihm vom Zivilgericht auferlegte Handgelübde nicht bewiesen werden könne.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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