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43. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. September 1959 i.S. E. & R. Suter A.-G. gegen Lüthy. | |
Regeste |
Besitzes- und Rechtsschutz gegenüber Verletzungen des Nachbarrechts. Übermässige Einwirkungen auf ein Nachbargrundstück (Art. 684 ZGB) als Besitzesstörung (Art. 928 ZGB). |
Art. 44-46, 48, 50 OG. | |
Sachverhalt | |
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"1. Die Beklagte sei unter Androhung von ... zu verpflichten, den Miststock hinter ihrem Hause auf I.R. Mellingen Nr. 13 abzutragen und zu entfernen.
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2. Der Beklagten sei unter Androhung von ... zu untersagen, künftig irgendwo auf ihrem Grundstücke I.R. Mellingen Nr. 81 Mist abzulagern oder aufzuhäufen."
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Die Beklagte trug auf Abweisung des Befehlsbegehrens an. Sie bestritt die Gesuchsvorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
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B.- Nach Vornahme eines Augenscheins mit Zeugeneinvernahme und Parteibefragung hiess der Präsident des Bezirksgerichts Baden das Gesuchsbegehren teilweise gut und untersagte der Beklagten "gemäss § 252 ZPO bei Haft oder Busse", auf dem Miststock hinter ihrer Liegenschaft I.R. Mellingen Nr. 13 in der Zeit vom 1. März bis 1. November Pferdemist abzulagern.
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C.- Gegen diesen Entscheid führte die Beklagte beim Obergericht Beschwerde mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Klage; eventuell sei sie bloss zu verpflichten, den Miststock in die Mitte ihres Grundstückes zu verlegen und den Mist häufiger abzuführen.
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D.- Mit Entscheid vom 3. März 1959 hat das Obergericht des Kantons Aargau die Beschwerde abgewiesen. Ziffer II, 1, der Begründung lautet:
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"Das klägerische Begehren stellt sich als ein solches um Besitzesschutz dar. Der Kläger beruft sich denn auch auf Art. 928 ZGB und verlangt Beseitigung der Störung und Unterlassung künftiger Störung. Da die Voraussetzungen zur Gewährung richterlichen Besitzesschutzes im Zivilrecht enthalten sind und zwar, soweit Besitzesstörung in ![]() | 9 |
E.- Gegen diesen Entscheid hat die Beklagte Berufung an das Bundesgericht eingelegt. Sie erneuert den Antrag auf Abweisung der Klage und den vor Obergericht gestellten Eventualantrag. Subeventuell verlangt sie die Rückweisung der Sache an das Obergericht zu neuer Entscheidung.
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"Gemäss § 135 aarg. EG ZGB "werden die Klagen wegen Besitzesstörung oder Besitzesentziehung durch verbotene Eigenmacht (Art. 927/8 ZGB), wo sie nicht in die Zuständigkeit des Friedensrichters fallen oder nicht durch Verfügung im Befehlsverfahren oder durch Verbot erledigt werden können, im beschleunigten Verfahren verhandelt". In der Praxis wurde diese Bestimmung bisher dahin ausgelegt, dass dadurch Klagen wegen Besitzesstörung und -entziehung grundsätzlich in das Befehlsverfahren nach § 245 Ziff. 1 aarg. ZPO gewiesen würden, und dass den in diesem Verfahren über Besitzesfragen gefällten Entscheidungen endgültiger Charakter zukomme, da die streitigen Besitzesfragen dadurch materiell und definitiv entschieden würden (VJS 24 S. 63, 27 S. 75 und 38 S. 89; ferner 22 S. 108 und 31 S. 162 f.). Diese Wirkung kann den im Befehlsverfahren nach § 245 Ziff. 1 ZPO zum Austrag kommenden Besitzesschutzstreitigkeiten indes nur hinsichtlich der Frage des Besitzesschutzes zukommen. Gegenüber im ordentlichen Verfahren zur Beurteilung gelangenden Klagen aus dem Recht, zum Beispiel in Immissionsstreitigkeiten, deren rechtliche Voraussetzungen ganz anders geordnet sind (Aktivlegitimation, Klagfundament, Verjährung), wirkt sich daher die Rechtskraft eines im Befehlsverfahren gemäss § 245 Ziff. 1 ZPO gestützt auf Art. 927 oder 928 ZGB gefällten Urteils nicht aus, indem die Einrede der abgeurteilten Sache deswegen nicht mit Erfolg erhoben werden könnte, und zwar auch dann, wenn im erwähnten Besitzesschutzverfahren die Frage, ob eine Immission vorliege, vorfrageweise bereits beurteilt worden ist."
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
Gegenstand des angefochtenen Entscheides war, was nach den Erläuterungen des Obergerichts zu Ziffer II, 1, ![]() | 13 |
In BGE 40 II 559 wurde ohne nähere Prüfung der Frage ein Besitzesschutzstreit als Zivilrechtsstreitigkeit gemäss Art. 56 ff. und das darüber ergangene Urteil der letzten kantonalen Instanz als Haupturteil gemäss Art. 58 aoG betrachtet (so auch HOMBERGER, N. 20 zu Art. 927 ZGB). In BGE 78 II 87/88 wird dagegen eingehend dargelegt, dass die Besitzesschutzklage, zumal wenn sie im summarischen Verfahren beurteilt wird, nur die Wiederherstellung und Bewahrung des frühern tatsächlichen Zustandes bezweckt und dem Entscheid über die Rechtmässigkeit des bestehenden Zustandes nicht vorgreift. "Es handelt sich also heute nicht um die endgültige, dauernde Regelung streitiger zivilrechtlicher Verhältnisse, sondern nur um die einstweilige Wahrung der Interessen der Klägerin"; somit liege kein der Berufung an das Bundesgericht nach Art. 44 ff. OG unterliegender "in einer Zivilrechtsstreitigkeit ergangener Endentscheid" vor.
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Nach diesen auch auf den vorliegenden Fall zutreffenden Erwägungen kann der von der Beklagten angefochtene Entscheid ebenfalls nicht als Endentscheid in einer Zivilrechtsstreitigkeit gelten. Das folgt zwar nicht ohne weiteres aus der Behandlung der Sache im (summarischen) Befehlsverfahren. Vielmehr kann auch in einem solchen Verfahren unter Umständen ein der Berufung unterliegender Entscheid ergehen (BGE 82 II 562 Erw. 3, BGE 84 II 78 ![]() ![]() | 15 |
Auf Seite 4 unten der Berufungsschrift erklärt die Beklagte, die Berufung allenfalls auf Art. 50 OG stützen zu wollen. Sie legt jedoch die besondern Voraussetzungen einer danach ausnahmsweise zulässigen Berufung gegen andere als die Zuständigkeit betreffende Vor- und Zwischenentscheide in keiner Weise dar. Übrigens hat Art. 50 OG nur Vor- und Zwischenentscheide im Auge, die in einer an sich der Berufung unterliegenden Zivilrechtsstreitigkeit (oder sonstigen Zivilsache im Sinne von Art. 44 lit. a-c und Art. 45 OG) ergangen sind, was hier nach dem Gesagten nicht zutrifft.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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