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50. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Oktober 1959 i.S. V. gegen L. und V. | |
Regeste |
Anfechtung der Ehelichkeit, Art. 253 ff. ZGB. | |
Sachverhalt | |
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Der gesetzliche Vater V. war überzeugt, dass das Kind nicht von ihm stamme, und die Mutter bestätigte ihm dies. Er entschloss sich daher kurz nach der Geburt, im Juni/Juli 1957, die Ehelichkeit des Kindes anzufechten, und zwar - offenbar auf den Rat seines zürcherischen Anwaltes - gemäss Art. 8 NAG in Italien und nach dortigem Recht (Art. 244 C.c.it.). Er liess sich durch das italienische Generalkonsulat in Zürich einen Anwalt in Varese, avv. Lino Oldrini, vermitteln, der das Mandat zu übernehmen bereit war. V. schickte ihm das Scheidungsurteil und Instruktionen und suchte ihn auch, als er lange nichts mehr hörte, im Februar 1958 in Varese auf. Avv. Oldrini bestätigte ihm am 14. Februar 1958 schriftlich, dass er das Mandat führe und die Sache unverzüglich in Varese anhängig mache. Als dann wieder monatelang kein Bericht kam, erkundigte sich der Zürcher Anwalt des V. am 12. August 1958 bei dem Kollegen in Varese, ob die Klage fristgerecht eingereicht worden sei und ob der ![]() | 2 |
In der Annahme, das Klagerecht in Italien sei wegen Ablaufs der dreimonatigen Klagefrist (Art. 244 C.c.it.) verwirkt, liess sich V. (bzw. sein Zürcher Anwalt) zunächst den Brief Oldrinis vom 16. September 1958 übersetzen und erhielt nach seiner Darstellung den deutschen Text am 26. September 1958.
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Am 15. November 1958 reichte er beim Bezirksgericht Zürich die Anfechtungsklage nach Art. 253 ff. ZGB ein, mit der Begründung, nach zürcherischer Praxis (BlZR 47 Nr. 67) könne ein in der Schweiz niedergelassener Italiener diese Klage beim schweizerischen Richter am Wohnsitz der Mutter z.Zt. der Niederkunft (in casu Zürich) anbringen. Für die Verspätung der Klageeinleitung könne er wichtige Gründe im Sinne von Art. 257 Abs. 3 ZGB anführen, die er in der mündlichen Verhandlung nennen werde; er verweise einstweilen auf EGGER N. 2 zu Art. 257 (wo als wichtiger Grund u.a. die Fristversäumnis durch den Anwalt genannt ist).
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B.- Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage - ohne Durchführung einer mündlichen Parteiverhandlung - mangels örtlicher Zuständigkeit von der Hand, mit der Begründung, das Zürcher Obergericht sei von seiner früheren Praxis, für Anfechtungsklagen von Ausländern über Art. 8 NAG hinaus die Zuständigkeit des schweizerischen Richters schon dann zu bejahen, wenn der Heimatstaat ![]() | 5 |
C.- In seinem Rekurs an das Obergericht machte der Kläger geltend, nach seiner Auffassung habe einzig der Anwalt in Varese die Verwirkung des Klagerechts in Italien verschuldet. Das bilde nach schweiz. Praxis (EGGER 1.c.) einen wichtigen Grund im Sinne von Art. 257 Abs. 3 ZGB. Da das italienische Recht eine Fristverlängerung aus solchen Gründen nicht kenne, wäre der Kläger einer Rechtsverweigerung ausgesetzt, wenn ihm nicht ein schweizerischer Notgerichtsstand zur Verfügung gestellt würde.
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Mit Urteil vom 1. Mai 1959 hat das Obergericht den Rekurs abgewiesen. Was den Stand der Lehre und Rechtsprechung hinsichtlich der Zuständigkeit schweizerischer Gerichte für Statusklagen von Ausländern betrifft, bestätigt es die Ausführungen des Bezirksgerichts. Was sodann der Kläger in der Rekursschrift vorbringe, sei nicht geeignet, im vorliegenden Falle zur Annahme eines Notgerichtsstandes über Art. 8 NAG hinaus zu führen. Diese Ausnahme von Art. 8 NAG rechtfertige sich nur dann, wenn ein anderer Gerichtsstand, auch in der Heimat, überhaupt ![]() | 7 |
D.- Mit der vorliegenden Berufung hält der Kläger daran fest, das Bezirksgericht Zürich sei zum Eintreten auf die Klage zu verhalten.
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Die beklagte Mutter hat die Berufungsschrift nicht in Empfang genommen. Namens des beklagten Kindes beantragt der Amtsvormund Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Vorliegend kann nun offenbar von einem solchen verzeihlichen Fehler, etwa von einem verständlichen Rechtsirrtum ![]() | 12 |
Der Kläger beruft sich allerdings darauf, er habe Beweis dafür offeriert, dass die Frist ohne sein Verschulden verpasst worden sei. Es stellt sich somit die Frage, ob die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen sei, damit zuerst sie diese Beweise - und gestützt darauf das Bestehen eines "wichtigen Grundes" gemäss Art. 257 Abs. 3 ZGB - prüfe. Allein der Kläger nennt als solchen Beweis nur "die Gerichtsakten". Diese liegen vor, und aus ihnen ergibt sich der vorstehende Sachverhalt. Dass der Kläger etwa beweisen wollte und könnte, es liege sowohl bei ihm als auch bei Advokat Oldrini ein verzeihlicher Fehler vor, der die nachträgliche Zulassung der Klage rechtfertigen würde, erscheint nach seiner eigenen Darstellung ausgeschlossen. Eine Rückweisung an die Vorinstanz erübrigt sich daher.
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2. Dazu kommt nun, dass, selbst wenn noch wichtige Gründe ein nachträgliches Klagerecht gemäss Art. 257 Abs. 3 ZGB begründet hätten, dieses mangels rechtzeitiger Ausübung wiederum verwirkt wäre. Diese Ausnahmebestimmung setzt, anders als Abs. 2 im Falle der Arglist, nicht eine neue dreimonatige Frist in Gang, sondern es muss nach Erkenntnis und Wegfall der wichtigen Gründe die Klage mit aller nach den Umständen möglichen Beschleunigung ![]() | 14 |
Vorliegend wird die Kenntnis der wichtigen Gründe (nämlich der Fristverwirkung in Italien) aus dem Brief Oldrinis vom 16. September 1958 abgeleitet, der dem Zürcher Anwalt des Klägers am 18. September 1958 zuging. Dieser brauchte zuerst noch 8 Tage, um sich eine Übersetzung machen zu lassen, und wartete darauf noch fast 50 Tage zu, bis er am 12. November 1958 einen Friedensrichtervorstand verlangte und dann am 15. November die Klage beim Bezirksgericht einreichte. Wenn auch die im zit. Falle (BGE 83 II 176) nach der nachträglichen Entdeckung der Anfechtungsgrundlagen bis zur Klageeinleitung verflossenen fünf Tage keineswegs als ein Maximum betrachtet werden können, so müsste ein Zuwarten von sieben Wochen zum mindesten durch ganz besondere Umstände gerechtfertigt sein. Solche Umstände sind aber nicht ersichtlich und werden auch nicht behauptet. Ein aus dem Bestehen des Klagerechts nach Art. 257 Abs. 3 ZGB, im Gegensatz zum Heimatrecht, abgeleiteter schweizerischer Notgerichtsstand könnte somit, auch wenn grundsätzlich möglich, in casu nicht begründet sein. Die Zürcher Gerichte haben daher mit Recht die örtliche Zuständigkeit zur Klage verneint.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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